Der Kampf mit der Hydra

Der Hydra-200-Chip lässt auch unterschiedliche Grafikkarten zusammen an einer Szene rechnen und tritt damit in Konkurrenz zu Nvidias SLI- und AMDs Crossfire-Technik. Nun ist mit dem Big Bang Fuzion von MSI das erste Mainboard mit dem neuen Chip erhältlich.

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Inhaltsverzeichnis

Lucidlogix bläst frischen Wind in die umkämpfte Multi-GPU-Nische: Die unter anderem von Intel finanziell unterstützte Firma kündigte bereits 2007 den sogenannten Hydra-Chip an, mit dem sich Spieler aus den Klauen AMDs und Nvidias befreien können: Die zu koppelnden Karten müssen nicht explizit SLI- oder Crossfire-tauglich sein und über den Hydra-Chip kann auch eine AMD-Karte mit einer Nvidia-Karte zusammenarbeiten. Der Ansatz klingt genial, das erste Board mit Hydra-Chip ist im Handel erhältlich.

Dabei handelt es sich um das Big Bang Fuzion von MSI, dessen Kauf ein 350 Euro tiefes Loch in die Brieftasche reißt. Es trägt eine LGA1156-Fassung für Intels Core i3/i5- und i7-Prozessoren. Der Lucidlogix-Chip (LT24102) ist eigentlich ein PCI-Express-Switch mit Spezialfunktionen; er sitzt oberhalb des ersten PCIe-Steckplatzes und stellt 32 PCIe-2.0-Leitungen bereit, ein 300 MHz schneller integrierter RISC-Prozessor (Tensicila Diamond) kümmert sich um die Datenverwaltung. Insgesamt kann der Chip die PCIe-Lanes in 2 x 16 oder 4 x 8 Lanes aufspalten. Bei mehr als zwei PCIe-Grafikkarten bleiben für jede folglich nur 8 Datenleitungen übrig. Laut Lucidlogix soll der Hydra 200 erträgliche 6 Watt an Leistung aufnehmen.

Lucidlogix weicht nach eigenen Aussagen mit dem Hydra-Grafikchip vom bisherigen Standard des Alternate Frame Rendering ab. Bei diesem Verfahren berechnen die in einem Multi-GPU-Verbund gekoppelten Grafikchips abwechselnd die Einzelbilder und senden sie an den Monitor. Problematisch bei dieser Technik ist, dass die Abstände zwischen den Einzelbildern variieren. Fallen sie zu groß aus, nimmt dies das menschliche Auge als Unterbrechung war, sodass eine Szene sogar bei konstanten Bildraten zwischen 20 und 30 fps ruckelt. Lucidlogix behauptet nun, dass der Hydra-Treiber Direct3D- und OpenGL-Funktionsaufrufe abfängt, den Inhalt von Einzelbildern analysiert und die Grafikchips im Hydra-Verbund gemeinsam an einem Frame lastabhängig rechnen lässt. Probleme wie das beschriebene Mikroruckeln wären dennoch nicht aus der Welt, schließlich kommt es darauf an, wie gut der Lucid-Treiber die Frame-Inhalte auf die Grafikchips verteilt und wie groß die Abstände zwischen den zusammengefügten und über die primäre Grafikkarte ausgegebenen Einzelbildern tatsächlich sind.

Der Lucidlogix-Treiber unterscheidet abhängig von den gekoppelten Single-GPU-Grafikkarten zwischen A- (nur AMD-Karten), N- (nur Nvidia-Karten) und X-Modus (Kombibetrieb). Der Hydra-Modus lässt sich über ein Symbol in der Taskleiste aktivieren. Mehr als zwei Grafikkarten oder welche mit mehreren GPUs unterstützt die aktuelle Hydra-Treiberversion 1.4.106 nicht. A- und N-Modus funktionieren unter Windows 7 oder auch Vista, der Kombimodus lediglich im Windows-7-Betrieb. Schließlich müssen vor der Installation des Hydra-Treibers zunächst die herkömmlichen Radeon- und GeForce-Treiber installiert werden; von beiden genannten Betriebssystemen unterstützt nur Windows 7 das gleichzeitige Ausführen verschiedener Grafiktreiber.

Der Hydra-Chip kann zwei Grafikkarten mit je 16 PCIe-2.0-Leitungen anbinden.

(Bild: Lucidlogix)

Doch genau beim Stichwort Treiber beginnt für die viel versprechende Lucidlogix-Technik das Dilemma. Der Hydra-Treiber kooperiert nur mit bestimmten Grafiktreiberversionen – die man also nicht einfach mal schnell aktualisieren darf. Tut man es trotzdem, wird man in vielen Spielen mit derben Grafikfehlern und Abstürzen bombardiert. Oder das jeweilige Programm verweigert gleich ganz den Dienst. Beispielsweise startete der 3DMark Vantage mit dem Catalyst 10.1 (A-Modus) in Verbindung mit dem aktuellen Hydra-Treiber 1.4.106 nicht – mit Hilfe des Catalyst 9.12 funktionierte dies reibungslos. Stalker Clear Sky produzierte zum Spielstart ebenfalls Fehlermeldungen, lief jedoch ab und zu trotzdem an.

Außerdem laufen nur diejenigen Spiele, die der Hydra-Treiber explizit unterstützt und die in der Hydra-Steuerung hinterlegt sind. Andere Titel nutzen lediglich die primäre Grafikkarte zum Berechnen der Bilddaten – oder stürzen ab. Immerhin lassen sich in der Hydra-Steuerung manuell ausführbare Startdateien hinzufügen; zum fehlerfreien Betrieb konnten wir in unseren Tests auf diese Weise jedoch kein einziges Spiel bewegen. In manchen Fällen schien es sogar noch auf die Version des zu startenden Programms anzukommen. Beispielsweise ließ sich der Vantage-Benchmark in der Version 1.02 vom Februar 2010 in Verbindung mit dem Catalyst 10.1 nicht zum fehlerfreien Betrieb überreden, Version 1.01 hingegen schon. Derzeit ist die Zahl unterstützter Spiele eher gering und viele aktuelle Titel fehlen, etwa Call of Duty: Modern Warfare 2 oder auch Borderlands. Die für den jeweiligen Treiber gültige Liste mit unterstützten Spielen findet sich im auf der MSI-Webseite herunterladbaren Lucid-Treiberpaket.

Des Weiteren ist der Hydra-Treiber, zumindest in der aktuellen Version, nicht zu Microsofts Programmierschnittstelle DirectX 11 kompatibel. Unterstützt die primäre Grafikkarte DirectX 11, dann wird lediglich diese zur Ausführung des Spieles benutzt, die Rechenleistung der sekundären Grafikkarte liegt brach. Dazu kommt, dass in Spielen nur jene Grafikoptionen funktionieren, die beide Grafikkarten beherrschen. Daher muss man im X-Modus beispielsweise auf herstellerexklusive Antialiasing-Verfahren, etwa Custom Filter Antialiasing, verzichten; herkömmliches Multisampling oder ein zugeschalteter anisotroper Filter funktionieren – Nvidias PhysX im Verbund mit einer AMD-Karte wiederum nicht.

Wir prüften die Leistung und Kompatibilität von via Hydra-Chip gekoppelten Grafikkartenverbünden mit vier nicht mehr brandaktuellen DirectX-10-Spielen: der Arcade-Flugsimulation HAWX, dem Echtzeitstrategiespiel World in Conflict und den beiden Ballerspielen Stalker Clear Sky und Crysis. Als synthetischer Benchmark kam der 3DMark Vantage zum Einsatz.

Zwei Radeon HD 5850 im A-Modus bringen im Vergleich zu einer herkömmlichen Crossfire-Kombination bis auf sehr wenige Ausnahmen keinerlei Performance-Vorteile. Im Gegenteil: Bei World in Conflict rechnen sie im Crossfire-Gespann sogar um bis zu 20 Prozent schneller. Im vom Hydra-Treiber nicht unterstützten Crysis arbeitet im Lucidlogix-Modus lediglich die primäre Grafikkarte. Erzwingt man im Dschungel-Shooter den Hydra-Modus, erhält man Grafikfehler und die Bildrate bricht extrem ein.

Viele Probleme machte der X-Modus (Radeon HD 5850/GeForce GTX 285) in unseren Tests. Zwar lief der von Lucidlogix als kompatibel eingestufte 3DMark Vantage durch, zeigte aber zumindest in der ersten Szene einige Grafikfehler. Beispielsweise flackerten einige Objekte und die gesamte Wasseroberfläche. In der CPU-Testszene zeigten sich Pixelfehler. Der HAWX-Benchmark lief nur im DirectX-10.0-Modus, da die Nvidia-Karte 10.1 nicht unterstützt. Immerhin erreichte das Gespann in Stalker Clear Sky höhere Bildraten als zwei GeForce GTX 285 im N-Modus, der höheren Rechenkraft der Radeon HD 5850 sei Dank. Ein umgekehrtes Bild zeigt sich bei HAWX, hier ist das X-Gespann nur leicht schneller als eine einzelne GeForce GTX 285. Übrigens erreichten wir im X-Modus höhere Bildraten mit der Radeon HD 5850 als primäre Grafikkarte. Arbeitet eine GeForce GTX 285 als primäre Grafikkarte, führte dies im X-Modus zu niedrigeren Bildraten, und HAWX wollte nur noch im DirectX-9-Modus starten.

Dass Lucidlogix den Multi-GPU-Chip nach dem Fabelwesen aus griechischer Mythologie benannt hat, kann kein Zufall sein: Kaum hat man ein Treiberproblem gelöst, wachsen zwei neue nach. Die Idee hinter Hydra ist frisch und interessant, jedoch darf bezweifelt werden, dass die Israelis damit durchschlagenden Erfolg haben. Zu groß ist die Abhängigkeit vom verwendeten Grafik- und Hydra-Treiber und letztendlich auch vom jeweiligen Spiel. Vor allem kostet das Mainboard ein Mehrfaches handelsüblicher Boards. Folglich werden nur recht exotisch ausgestattete Anwender finanziell davon profitieren können, etwa wenn sie schon jeweils eine 500 Euro teure Grafikkarte von AMD und eine ebensolche von Nvidia haben, die nun gemeinschaftlich die Grafikausgabe übernehmen sollen.

(mfi)