Neues Gutachten fordert strenge Auflagen für Google Street View

Laut einer Rechtsanalyse im Auftrag der Landesregierung Rheinland-Pfalz dürfen unter anderem Einfamilienhäuser oder Wohnblocks mit "indiviualisierenden Eigenschaften" nicht per Straßenansichtsdienst zugänglich gemacht werden. Google hatte zuletzt selbst ein Gutachten präsentiert, das Street View für juristisch einwandfrei erklärte.

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Ein neues Gutachten verschärft die Auseinandersetzung um die Rechtsmäßigkeit von Google Street View. Eine knappe Woche, nachdem der Internetkonzern selbst auf Basis einer von ihm in Auftrag gegebenen Rechtsanalyse den Straßenansichtsdienst für juristisch einwandfrei erklärte, behauptet eine rechtliche Einschätzung des Karlsruher Zentrums für Angewandte Rechtswissenschaft (ZAR) das Gegenteil. Gemäß der neuen Beurteilung, hinter der die Landesregierung Rheinland-Pfalz steht, ist Google Street View "nur unter gewissen Einschränkungen zulässig".

Die Auflagen, für die sich Rechtsprofessor Thomas Dreier und Professorin Indra Spiecker stark machen, gehen teils weit über die bestehenden Absprachen zwischen Google Deutschland und der zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde in Hamburg hinaus. Sie haben es in sich, da der Suchmaschinenprimus wenige Monate vor dem geplanten Start der Anwendung hierzulande und einen Tag vor der öffentlichen Präsentation des Dienstes auf der CeBIT die bereits fast vollständig erfassten Straßenansichten noch einmal gründlich überarbeiten beziehungsweise das Abfotografieren neu durchführen müsste.

Konkret konstatiert das Karlsruher Rechtsgutachten, dass Google Aufnahmen und Abbildungen von Straßenansichten nur bis zu einer Höhe von rund zwei Metern machen dürfe. Dies entspreche der "üblichen Augenhöhe", die Passagiere in Autos oder Bussen erreichen könnten. Alle darüber hinaus getätigten Bilder seien aus Gründen des Persönlichkeits- und Datenschutzrechts unzulässig. Derzeit ist die Kamera, die Google auf speziellen Autos durch die Straßen fahren lässt, auf einer Höhe von 2,50 Metern montiert. Damit ragt sie über viele Gartenzäune oder Mauern hinaus.

Bei Abbildungen aus Augenhöhe hält das ZAR eine Abwägung der Interessen der Betroffenen und des Konzerns für unabdingbar. Laut den Juristen dürfen in diesem Sinne Ansichten von Ein- oder kleineren Mehrfamilienhäusern, von größeren Wohnblocks "mit individualisierenden Eigenschaften" sowie von Gebäuden in ländlichen Gegenden grundsätzlich nicht von Google "fotografiert und im Internet verbreitet werden". Allein Ansichten von mehr oder weniger unauffälligen Mehrfamilienhäusern, die quasi keine eigenen Charakterzüge aufweisen, könnten Einzug in Street View finden.

Weiter halten die Gutachter fest, dass Personen und sonstige im Straßenbild erfassten Objekte mit Personenbezug wie etwa Kfz-Kennzeichen nur "anonymisiert" abgebildet werden dürften. Die von Google bislang praktizierte automatische Verpixelung alleine reiche nicht aus, "wenn aufgrund anderer Merkmale dennoch auf eine Person geschlossen werden kann". Der rheinland-pfälzische Justizminister Heinz Georg Bamberger (SPD) monierte bei der Vorstellung der Analyse am heutigen Montag in Mainz zudem, dass die Rohdaten unverblendet in die USA geschickt und damit jeglicher Kontrolle entzogen würden. Google-Justiziar Arnd Haller versicherte dagegen vergangene Woche, dass die Rohversionen gelöscht würden und nicht wieder eingespielt werden könnten.

Überhaupt könnten die Rechtsgutachten kaum unterschiedlicher ausfallen. So vertritt Nikolaus Forgó vom Institut für Rechtsinformatik (IRI) der Leibniz Universität Hannover in der von Google bestellten Einschätzung die Auffassung, dass von dem Dienst letztlich nicht einmal personenbezogene Daten maschinell verarbeitet würden und somit das Bundesdatenschutzgesetz nicht anwendbar sei. Aber auch bei der Annahme eines Abwägungsgebots überwiege nicht das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen angesichts der Darstellung des öffentlichen Raums.

Trotz der deutlichen Meinungsverschiedenheiten will Mainz das Karlsruher Gutachten nun an die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder weiterleiten. Diese sollten prüfen, ob dem Suchmaschinenbetreiber auf dessen Basis weitere Vorgaben zu erteilen seien. Zudem erwäge man selbst gesetzgeberische Schritte wie eine obligatorische Ergänzung zum Widerspruchsrecht oder eine Pflicht zur Ankündigung von Straßenaufnahmen. Auch Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) will Google für Street View engere gesetzliche Grenzen setzen. (pmz)