Grüne wollen Urheberrecht auf den Nutzer ausrichten

Der Hamburger Justizsenator Till Steffen hat ein Konzeptpapier zur Anpassung des Urheberrechtsgesetzes vorgestellt, mit dem Nutzungsfreiheiten ausdrücklich gewürdigt und eine neue Balance zwischen Urhebern, Verwertern und Nutzern hergestellt werden soll.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 167 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Der Hamburger Justizsenator Till Steffen hat ein Konzept zur Anpassung des Urheberrechtsgesetzes vorgestellt, mit dem Nutzungsfreiheiten ausdrücklich gewürdigt und eine neue Balance hergestellt werden soll. Seine Partei wolle den Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen der Kreativen, der Verwerter und der Werknutzenden "zum Programm machen", sagte der Rechtspolitiker bei einem Pressegespräch grüner netzaffiner Politiker der Bundes-, Länder- und EU-Ebene am heutigen Freitag in Berlin. Steffen hat dazu ein 20-seitiges Diskussionspapier vorgelegt. Darin heißt es gleich zu Beginn: "Das Urheberrecht steckt in einer Krise." Es gebe einen "grundlegenden Akzeptanzverlust bei einer ganzen Generation". Darauf müsse die Politik reagieren.

In der bisherigen Entwicklung des Urheberrechts sind dem Vorstoß zufolge die mit der Digitaltechnik und dem Internet neu entstandenen Nutzungserwartungen weitgehend unberücksichtigt geblieben. Stattdessen habe die Tendenz vorgeherrscht, Mechanismen zum Schutz des Urhebers und der Verwerter weiter auszubauen. Im Interesse der Allgemeinheit seien zwar die exklusiven Rechte der Kreativen und die darauf aufbauenden "verwandten" Schutzbestimmungen teils durch Bestimmungen etwa zur Privatkopie oder zur Zitierfreiheit etwas eingeschränkt worden. Diese "Schranken" dürften aber nicht mehr als reine "Ausnahmen" im Sinne einer Rücknahme urheberrechtlichen Schutzes angesehen werden. Vielmehr müssten daraus Bestimmungen werden, die von vornherein den Inhalt und Grenzen des Urheberrechts festlegten.

Mit der Initiative soll schon in den Titel des Urheberrechtsgesetzes der neue Kernbestandteil der "Nutzungsfreiheiten" mit aufgenommen werden. Paragraphen 1 und Paragraph 11 (Genereller Schutz für die Urheber) müssten vorsehen, dass auch den Bedürfnissen der Werknutzenden an der Teilnahme am kulturellen und geistigen Leben Rechnung zu tragen sei. Weiter setzt sich das Papier für eine Stärkung der Bestimmungen zur Privatkopie ein. Ein entsprechendes Recht soll etwa gegen Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) durchsetzbar werden. Generell, betonte Steffen, wolle man den "nicht-kommerziellen Austausch" geschützter Werke über das Internet "von der Verfolgung freistellen".

Ferner schlägt das Papier vor, den bisher "umfassenden rechtlichen Schutz für einfache Alltagsfotografien" zu reduzieren. Es solle etwa möglich werden, für eine Online-Auktion ein digitale Hersteller-Foto zu verwenden, führte der Politiker der Hamburger Grünen Alternativen Liste aus. Auch das "Abmahnunwesen" müsse stärker eingedämmt werden. So solle die erste Unterlassungserklärung im privaten Bereich nicht mehr gebührenpflichtig sein. Prinzipiell sei eine Debatte über die Länge des Urheberrechtsschutzes zu führen. Die bisherige Dauer von 70 Jahren nach dem Tod des Künstlers hält Steffen bei vielen Werkarten nicht mehr für zeit- und sinngemäß.

Der Justizsenator unterstrich auch, dass der Gesetzgeber für eine "angemessene Vergütung der Urheber" zu sorgen habe. Man müsse etwa auch die Entwicklungspotenziale der Kreativwirtschaft für Städte und Kommunen im Auge behalten. Hier haben sich laut Steffen "Pauschalmodelle" wie die Abgabe fürs private Kopieren auf Geräte und Leermedien häufig als praktikabel herausgestellt. Es werde dagegen nicht gelingen, den Werkschöpfern neue Einnahmequellen zu erschließen, "indem man einzelnen Nutzern hinterher steigt".

Konkret bezieht sich das Papier hier auch auf die Einführung einer "flächendeckenden Pauschalabgabe" in Form der von den Grünen geförderten "Kulturflatrate". Denkbar sei auch ein Ansatz bei der vom Nutzer abgerufenen Datenmenge, heißt es. Dieser sei "unabhängig vom konkreten Inhalt" auszugestalten. Fertig entwickelt sei diese Idee aber noch nicht. Die von Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern angestoßene Debatte über ein gesondertes "Leistungsschutzrecht" fürs Internet kommt Steffen zufolge dagegen "zum falschen Moment". Zunächst müsse eine grundsätzliche Balance im Urheberrecht hergestellt werden. Wer derzeit dagegen auf die bestehenden Schutzrechte "noch obendrauf legt", könnte eine neue Abmahnwelle hervorrufen, gegenüber der sich die gegenwärtige als "laues Lüftchen" herausstellen dürfte.

Die Vorschläge will Steffen im Juni auf der Justizministerkonferenz ins Gespräch bringen, deren Vorsitz derzeit Hamburg innehat. Dem könnten sich konkrete Gesetzesvorschläge über den Bundesrat anschließen. Parallel dazu wollen Steffens Kollegen wie der netzpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz, und der grüne EU-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht auf eine grundlegende Reform des Urheberrechts drängen. (jk)