US-Medienstudie: Die Lage ist prekär

Trotz vielversprechender Entwicklungen im Online-Bereich geht der Aderlass der traditionellen Medien weiter. Jetzt müssen neue Geschäftsmodelle entwickelt werden, sonst ist bald kein Geld mehr da, bilanziert der Jahresbericht zum Zustand der US-Medienbranche des Pew-Instituts.

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Das US-Nachrichtengeschäft ist im Umschwung. Zuschauer und Leser wandern von den traditionellen Nachrichtenquellen zunehmend ins Netz ab. Der Trend hält an und führt weg von dem redaktionell betreuten Gesamtpaket hin zu zeitnahen Nachrichten, die sich Online-Nutzer aus verschiedenen Quellen und ihren Interessen entsprechend aus der Masse herauspicken. Das höhlt die traditionellen Geschäftsmodelle weiter aus. Der Werbeumsatzschwund der US-Zeitungen hat sich dem Jahresbericht zur Lage der US-Medien des Pew-Forschungsinstituts zufolge im vergangenen Jahr dramatisch beschleunigt.

Laut der am Montag veröffentlichten Studie brach der Werbeumsatz der US-Zeitungen 2009 um 26 Prozent ein, bei Magazinen waren es 17 Prozent. Radiosender und lokale TV-Stationen verzeichneten einen Werbeschwund von jeweils 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die großen Network-Sendergruppen sind mit minus 8 Prozent noch einigermaßen glimpflich davongekommen. Nur die Kabelsender konnten ihr Umsatzniveau halten. Auch im Zukunftsmedium Internet gingen die Werbeumsätze im vergangenen Jahr um 5 Prozent zurück.

Die Auflagen der US-Zeitungen sanken um über 10 Prozent, auch bei den Magazinen geht der Trend nach unten. Dagegen verzeichnen Online-Nachrichtenangebote – hinter denen meistens klassische Verlagshäuser stehen – wachsenden Zuspruch. Einer Nielsen-Analyse von 4600 Websites zufolge wuchs die Zahl der Unique Visitors im vergangenen Jahr um 9,25 Prozent. Den meisten Traffic greifen hier die wenigen Großen ab, auf die größten 7 Prozent der Angebote entfallen der Studie zufolge 80 Prozent der Zugriffe.

Die Prognosen sind nicht gut: Das Marktforschungsunternehmen Veronis Suhler Stevenson schätzt, dass wenn die Krise im Jahr 2013 überwunden ist, der Werbeumsatz von Zeitungen, Fernsehen und Radio im Vergleich zu 2006 um 41 Prozent geschrumpft sein wird. Die Zeit läuft den klassischen Medien davon. Noch haben sie Geld, doch der Topf wird von Jahr zu Jahr kleiner. Deshalb müsse jetzt in die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle investiert werden, folgern die Autoren der Pew-Studie.

Journalisten machen sich im Netz selbstständig und entwickeln neue Angebote, es gibt den sogenannten Bürgerjournalismus, es gibt Blogs und Social Media. Einzelne Angebote haben dabei bereits die nötige Größenordnung erreicht, um das Nachrichtenangebot zu finanzieren. Das funktioniert der Studie zufolge bisher vor allem in der regionalen und thematischen Nische. Und bei allem Wachstum können die neuen Medien den Schwund bei den alten nicht kompensieren. Die große Frage bleibt also auch 2010, wie sich journalistische Angebote in Zukunft finanzieren lässt.

Wenn dafür keine Lösung gefunden wird, bleibt der Nachrichtenjournalismus ein Auslaufmodell, fürchten die Autoren der Studie. Auch 2010 sei ein nachhaltiges Geschäftsmodell noch nicht in Sicht. Knapp 80 Prozent der Online-Nutzer klicken nie auf eine Anzeige. Auch die Bereitschaft, für Inhalte zu bezahlen, ist nicht besonders ausgeprägt. Nur 15 Prozent der befragten Nutzer würden für ihr bevorzugtes Nachrichtenangebot auch bezahlen. Allerdings hat auch nur ein Drittel der Nutzer überhaupt einen Favoriten – der Rest holt sich seine Informationen auch bei der weiter kostenlosen Konkurrenz.

Eine Hoffnung verbinden die Forscher mit dem Umbruch: die Abkehr der Nachrichtenorganisationen von dem seit den 1990er-Jahren dominierenden Effizienz- und Profitdenken. Mit dem Zusammenbruch der alten Eigentümerstrukturen gehe eine Rückbesinnung auf das Publikum, die eigene gesellschaftliche Verantwortung und die Relevanz des Journalismus für die Öffentlichkeit einher.

Dem entgegen wirkt allerdings der Trend zur Sofortnachricht: Im Wettrennen um die Breaking News filtern und gewichten die Nachrichtenmedien weniger, der Kontext schwindet. So gelangen mehr interessengesteuerte Informationen ungefiltert an die breite Öffentlichkeit. Das wird zusätzlich verschärft durch das sich weiter verschiebende Kräfteverhältnis zwischen den Akteuren. Während im US-Nachrichtengeschäft im vergangenen Jahr wieder 5900 Redaktionsjobs vernichtet wurden, wächst die Zahl der Interessenvertreter aus Regierungen, Parteien Verbänden, Think Tanks und anderen Organisationen weiter. (vbr)