Gesetz zu Internetsperren passiert Britisches Oberhaus

Die Lords haben den Regierungsentwurf für das umkämpfte "Digital Economy Bill" ohne weitere große Änderungen verabschiedet. Das Vorhaben, das ein System der "abgestuften Erwiderung" umfasst, soll nun rasch durchs Unterhaus.

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Das Britische Oberhaus hat am gestrigen Montag den Regierungsentwurf für das "Digital Economy Bill" ohne große weitere Zusätze verabschiedet. Eines der Kernanliegen des Vorhabens ist es, den Urheberrechtsschutz im Internet zu verbessern. Es sieht dafür die Einrichtung eines Verfahrens für eine "abgestufte Erwiderung" auf Copyright-Verletzungen vor. Nach mehreren Warnhinweisen sollen bei wiederholten Rechtsverstößen "technische" Sanktionen greifen, die von der Drosselung der Zugangsgeschwindigkeit bis zu einem zeitweiligen Kappen der Netzverbindung gemäß dem "Three Strikes"-Modell reichen.

Ungewiss ist nach dem Votum der Lords das Schicksal einer besonders umstrittenen Klausel, mit der Regierungsmitglieder das Copyright auf dem Verordnungsweg ändern könnten. Die Mitglieder des Oberhauses hatten die Regelung vergangene Woche durch einen Korrekturvorschlag des Lords Clement Jones ersetzt, der den oppositionellen Liberalen angehört. Ihm zufolge sollen Provider gerichtlich per einstweiliger Verfügung dazu angehalten werden können, Webseiten oder Dienste zu blockieren, deren Inhalte zu "substanziellen Teilen" gegen das Copyright verstoßen.

Diese Befugnis für Websperren stieß bei Bürgerrechtsorganisationen und Vertretern der Internetwirtschaft auf große Proteste. Die Liberalen brachten daher in letzter Minute einen entschärften Änderungsantrag ein. Er will die Rechtsmittel der betroffenen Anbieter stärken. Diese könnten damit auch die entstehenden Kosten für Gerichtsverfahren sowie Schadensersatz verlangen, falls ein Rechteinhaber fälschlicherweise eine Blockade lanciert haben sollte. Dieser kam aber nicht mehr zur Abstimmung. Lord Young betonte für die regierende Labour-Fraktion, dass der ursprüngliche Ansatz der Stärkung der Rechte der Ministerriege zur Anpassung des Urheberrechtsschutzes an neue technische Entwicklungen der beste Weg und dies noch nicht vom Tisch sei.

Andere Änderungsanträge der Opposition zur Entschärfung der "Three Strikes"-Bestimmungen fanden keine Mehrheit, nachdem sich führende Unterstützer wie Lord Lucas von ihren eigenen Verbesserungsvorschlägen distanziert hatten. Er habe bei einer Suche im Internet nach einer Harry-Potter-Lesung zu viele illegale Angebote gefunden, erklärte der Copyright-Experte der Konservative seinen Rückzug. Es müsse doch möglich sein, dass Suchmaschinen "diese Sachen" blockierten, echauffierte sich Lucas. Das Internet erinnere ihn derzeit zu stark an einen Basar, auf dem Produktfälschungen aneinandergereiht seien.

Das Gesetz soll nun noch vor den Parlamentswahlen, die voraussichtlich Anfang Mai stattfinden sollen, durch das Unterhaus. Jim Killock von der Open Rights Group befürchtet, dass die dort versammelten Volksvertreter angesichts dringender Wahlkampfverpflichtungen letztlich höchstens zwei Stunden Debatte auf die Initiative verwenden können. Voraussichtlich würde ein "Rumpfparlament" dann in Eile den Entwurf – höchstens versehen mit einzelnen Streichungen – durchwinken. Damit rechnet auch die Musikindustrie. So zeigte sich Richard Mollet, Cheflobbyist des British Phonographic Institute (BPI), Ende vergangener Woche in einer ins Internet gewanderten E-Mail (PDF-Datei) siegessicher: Die Parlamentarier haben sich seiner Ansicht mit der Situation abgefunden, dass sie den Entwurf nicht mehr "detailliert prüfen" könnten. Allerdings hätten just Geheimdienstkreise noch Bedenken gegen die geplanten Websperren vorgebracht.

Die Regierung drängt derweil zur Eile. Sie möchte das Vorhaben vor den Wahlen verabschiedet wissen. Letzte Korrekturen können ihr zufolge im sogenannten Wash-up-Verfahren durchgeführt werden. Dieser "Spülungsprozess" bezeichnet in Großbritannien die Phase der letzten parlamentarischen Aktivitäten vor dem Ende einer Legislaturperiode, in der Gesetze gebündelt noch auf den Weg gebracht werden. Der schottische Earl of Errol sieht darin die Gefahr eines "Missbrauchs des parlamentarischen Prozesses". (jk)