IPv6-Pläne der ITU wenig beliebt

Die Ambitionen der Internationalen Fernmeldeunion auf eine eigene Registry für die Vergabe von IP-Adressen stoßen bei Mitgliedsländern und Unternehmen weiter auf massive Vorbehalte.

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Von
  • Monika Ermert

Der alte Streit um eine größere Rolle der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) bei der Vergabe von IP-Adressen geht in eine neue Runde. In Genf diskutieren derzeit knapp 100 Vertreter von ITU-Mitgliedsstaaten, Unternehmen und der fünf regionalen Internet-Registries (RIR) die Pläne, nationale IPv6-Vergabestellen sowie eine sechste RIR unter dem Dach der ITU zu etablieren. Zahlreiche Mitgliedsstaaten treten in der eigens ins Leben gerufenen IPv6-Arbeitsgruppe der ITU allerdings auf die Bremse. Sie verlangen einen Nachweis, dass es mit dem existierenden System der IP-Adressvergabe Probleme gibt.

Ein wiederkehrendes Argument der ITU und einzelner Mitgliedsstaaten für Veränderungen ist die "ungleiche" Verteilung von IPv4-Adressen zu Ungunsten der Entwicklungsländer. Asien verfügt inzwischen über mehr Adressressourcen als Europa und der Mittlere Osten. Nordamerika liegt aus historischen Gründen nach wie vor deutlich an der Spitze. Afrika holt mit dem jüngsten der RIRs, AfriNIC, nur im Schneckentempo auf. Bei den neuen IPv6-Adressen solle eine derartige ungleiche Verteilung vermieden werden, sagen die Befürworter einer der ITU untergeordnetet RIR.

Die Vergabe eines großen Adress-Blocks an eine Institution, welche die Adressen dann ihrerseits vergibt und nicht selbst nutzt, könnte nach Ansicht der nordamerikanischen Registry ARIN dagegen zu Problemen beim Routing der Adressen führen. Wenn neue Regeln nicht konsistent mit dem existierenden System seien, bestehe "sogar eine gewisse Gefahr für die Stabilität des Gesamtsystems der IP-Adressvergabe", warnte Leo Debecker vom Verband der europäischen Telekommunikationsprovider (ETNO). Auch der Dachverband der regionalen Adressvergabestellen (NRO) sowie die Internet Society (ISOC) zeigen sich skeptisch, was erneute Vorstöße der ITU anbelangt.

Unterstützung bekommen die Kritiker von einer ganzen Reihe westlicher Regierungen, die erst untersucht haben möchten, ob es überhaupt ein Problem mit dem derzeit praktizierten RIR-System gibt. Offen seien unter anderem Fragen bezüglich der Finanzierung einer ITU-RIR und der Umgang mit von den RIR vergebenen Adressen unter dem Regime nationaler Registries. Die australische Regierung fürchtet gar um die Möglichkeiten der Straverfolger, IP-Adressen zu lokalisieren, wenn statt der regionalen die nationalen Registries am Werk sind. ITU-Mitglieder und Unternehmen befürworten dagegen eine stärkere Rolle der ITU bei der Information über den Umstieg auf IPv6 gerade auch in Entwicklungsländern.

Während über die in Genf noch laufenden Diskussionen kaum etwas nach außen dringt, hatte sich ICANN-CEO Rod Beckstrom im Vorfeld wenig diplomatisch zum IPv6-Programm der ITU geäußert. Wer in Afrika die schlicht falsche Geschichte verbreite, dass es nicht genügend IPv6-Adressen gebe, der sei kaum ein vertrauenswürdiger Regulierer für die IP-Adressvergabe. (vbr)