Das zweite Atom-Zeitalter

Inzwischen sind etliche Netbooks mit der im Januar vorgestellten zweiten Generation des Atom-Prozessors auf dem Markt. Fast alle punkten mit Laufzeiten jenseits von acht Stunden, zudem sind Besonderheiten wie HD-Display, Videobeschleuniger oder Multitouchscreen vertreten.

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Von
  • Florian Müssig
Inhaltsverzeichnis

Der Atom-Prozessor ist seit seinem Marktstart vor knapp zwei Jahren untrennbar mit den kleinen und günstigen Netbooks verbunden, denn er hat sich mit geringem Stromverbrauch und niedrigen Komponentenkosten als Standardprozessor durchgesetzt. Anfang 2010 stellte Intel die zweite Generation des Atom-Prozessors mit Codenamen Pine Trail vor [1].

Im Vergleich zu den weit verbreiteten Atom-Modellen N270 und N280 hat sich die Systemarchitektur stark verändert: Speichercontroller und Grafikeinheit sind beim N450 in den Prozessor gewandert und machen deshalb eine Chipsatz-Northbridge überflüssig; der Chipsatz NM10 besteht nur noch aus einem I/O-Chip für USB, SATA & Co. Diese Neuorganisation hilft beim Stromsparen: Statt knapp zwölf Watt verbraten CPU und Chipsatz nun maximal siebeneinhalb, und auch die Idle-Stromaufnahme ist gesunken – letztere ist essenziell wichtig für lange Laufzeiten.

Wir haben neun Neulinge getestet: Acers Aspire One 532h, Asus’ Eee PC 1001P, Dells Inspiron Mini HPs Mini 210, Lenovos IdeaPad S10-3t, MSIs Wind U135, Packard Bells dot s2, Samsungs N220 und Sonys Vaio W21. Sie kosten zwischen 260 (Asus) und 470 Euro (Lenovo).

In der Tat können sich die Laufzeiten sehen lassen: Die meisten schaffen zwischen acht und zehn Stunden, nur MSIs Wind U135 fällt mit unter sechs Stunden aus dem Rahmen. Zum Vergleich: Vor einem Jahr gab es zwar auch schon ein paar Atom-Netbooks, die bis zu acht Stunden schaffen, doch das Gros lag nur zwischen drei und fünf Stunden [2]. Außer dem neuen Atom-Prozessor ist diese Entwicklung auch den nun standardmäßig beiliegenden Sechs-Zellen-Akkus zuzuschreiben; früher waren dagegen solche mit halber Kapazität die Regel.

Bei der Performance hat sich hingegen wenig getan: Die Rechenwerke haben sich im Vergleich zum Vorgänger nicht geändert und laufen nun mit 1,66 GHz (N450) statt bisher 1,6 GHz (N270) – das spürt man in der Praxis nicht. Manche speicherintensive Anwendung mag etwas schneller laufen, weil dank integriertem Speichercontroller die Datenwege zum Arbeitsspeicher kürzer und schneller geworden sind, doch generell gilt, dass der Atom weiterhin der mit Abstand lahmste x86-Prozessor ist, den man aktuell kaufen kann: Zwischen seiner Rechenleistung und der des schnellsten Desktop-Prozessors Intel Core i7-980X mit sechs Kernen liegt der Faktor 33 [3]. Dank Hyper-Threading fühlt er sich schneller an, als man aufgrund dieser Zahl vermuten würde, doch schon aufwendige Webseiten bauen sich nur zäh auf.

Die Leistung der integrierten Grafikeinheit namens GMA 3150 ist auf dem Niveau der bisherigen GMA 950 geblieben. Ihre geringe 3D-Leistung spielt bei Netbooks zwar kaum eine Rolle, das Fehlen von HD-Videobeschleunigern dafür umso mehr, denn HD-(Flash-)Videos verkommen zur Ruckelorgie, weil dem Atom dafür schlicht Rechenleistung fehlt. Dell gibt seinem Inspiron Mini 10 deshalb Broadcoms Beschleunigerkarte Crystal HD mit auf den Weg, die dem Prozessor die aufwendigen Dekodierungsroutinen abnimmt.

Allen Testkandidaten gemein ist ein Display mit 10 Zoll Diagonale. Dell und Sony zeigen darauf 1366 x 768 Punkte (156 dpi), Acer bringt 1280 x 720 Pixel (145 dpi) unter. Diese drei Netbooks ermöglichen ein komfortables Arbeiten, weil man deutlich weniger scrollen muss als bei den 1024 x 600-Panels (118 dpi) der anderen Geräte, wenngleich die einzelnen Pixel recht fein dargestellt werden – nichts für schlechte Augen.

Eine matte Oberfläche bekommt man bei Samsung und Asus, doch weil die Hintergrundbeleuchtung des Asus nur knapp 130 cd/m2 schafft, reicht es nur für wenig mehr als Innenräume aus. Das Panel des Samsung-Netbooks erreicht dagegen außentaugliche 180 cd/m2. Die spiegelnden Displays der anderen überstrahlen mit 150 cd/m2 bis 240 cd/m2 zumindest in Innenräumen manche Reflexion – nervig sind sie trotzdem.

Während Asus seinen Eee PC noch mit Windows XP Home ausstattet, haben die anderen bereits Windows 7 an Bord. Lenovo gibt seinem IdeaPad S10-3t sinnvollerweise Windows 7 Home Premium mit, denn es hat einen drehbaren Bildschirm samt Multitouchscreen – und Home Premium enthält sämtliche Tablet- und Touch-Funktionen, die Windows 7 zu bieten hat.

Auf den übrigen Geräten ist Windows 7 Starter installiert [4]. Diese Betriebssystemvariante ist nur für Hersteller erhältlich und kostet im Einkauf deutlich weniger als Home Premium oder höher. Das ist wichtig für das generell niedrige Preisniveau von Netbooks, doch Microsoft brummt den Nutzern einige Einschränkungen auf, um sich den eigenen Markt nicht zu kannibalisieren: Das Media Center fehlt wie auch die schnelle Benutzerumschaltung zwischen mehreren Konten, externe Monitore darf man nicht als erweiterten Desktop nutzen, die schicke teiltransparente Aero-Oberfläche ist nicht an Bord und das Standarddesign samt Hintergrundbild lässt sich nicht ändern.

Mehr als 1 GByte Arbeitsspeicher ist für Starter nicht erlaubt und somit im Testfeld auch nicht zu finden – leider auch nicht bei Lenovo. Bei der Festplattengröße gibt es zwar keine Limits, aber mehr als 250 GByte findet man bei aktuellen Netbooks dennoch nicht; manche haben gar nur 160 GByte.

Eine weitere Beschränkung hat Intel den Pine-Trail-Netbooks auferlegt: Die Grafikeinheit GMA 3150 gibt über ihren VGA-Ausgang maximal 1680 x 1050 Bildpunkte aus – die immer beliebteren Full-HD-Monitore bleiben also außen vor. Einen digitalen Ausgang gibt es ebenfalls generell nicht.

Zur üblichen Schnittstellenausstattung zählen zwei bis drei USB-2.0-Buchsen, LAN sowie Kopfhörerausgang. Ein Audio-Eingang fehlt nur bei HP, FireWire- oder eSATA-Buchsen dagegen bei allen – und mangels ExpressCard-Schächten lassen sie sich auch nicht nachrüsten. WLAN ist bei allen Netbooks an Bord, Bluetooth bei sechs der neuen Kandidaten.

Während die Tasten von Lenovos IdeaPad S10-3t mit 18,5 Millimetern Breite fast die Abmessungen einer Standardtastatur haben (19 Millimeter), sind die des restlichen Testfelds mit bestenfalls 17,5 Millimetern Breite deutlich kleiner und erfordern Eingewöhnung, wenn man flüssig tippen will. Am meisten Konzentration erfordert Sonys W21 mit nur 16,5 Millimeter schmalen Tasten. Dell und HP haben die Funktionstasten standardmäßig mit Sonderfunktionen wie Helligkeitsänderung oder WLAN-Aktivierung belegt; wer die eigentlichen Funktionstasten nicht immer mit einer Fn-Tastenkombination auslösen will, kann das Verhalten im BIOS umdrehen.

Die Touchpads von Acer, HP, Packard Bell und Samsung verstehen Mehrfingergesten und erlauben so ein komfortables Scrollen. Bei Dell, HP und Lenovo muss man für Mausklicks die gesamte Touchpad-Fläche herunterdrücken, weil Maustasten fehlen – gewöhnungsbedürftig.

Dank der stromsparenden Hardware könnte man annehmen, dass kaum Lüfterlärm entsteht, doch das gelingt nicht allen: Lenovo und Packard Bell rauschen selbst bei geringer Systemlast, während die restlichen Lüfter nur unter Rechenlast hörbar sind. Am leisesten ist Dells Mini 10, weil es völlig ohne Lüfter auskommt.

[1] Florian Müssig, Christof Windeck, Atom 1.5, Intel überarbeitet die Netbook- und Nettop-Prozessoren, c’t 1/10, S. 24

[2] Florian Müssig, Klein, bunt, mobil, Netbooks der dritten Generation, c’t 3/09, S. 90

[3] Benjamin Benz, Kernschau, Performance und Eigenschaften aktueller Prozessoren, c’t 7/10, S. 136

[4] Florian Müssig, Abgespeckt, 10-Zoll-Netbooks mit Windows 7 Starter, c’t 26/09, S. 64

Den vollständigen Artikel finden Sie in c't 8/2010. (mue)