Hochmut kommt vor dem Fall

3D-Filme wie Avatar oder Alice im Wunderland füllen wieder Kinosäle und lassen an die Auferstehung der bereits totgesagten Lichtspiel-Zunft glauben – vorausgesetzt die Branche beweist Kreativität anstatt Gier.

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Von
  • Gordon Bolduan

Dass die Traumfabrik Hollywood ein Problem hat, dürfte inzwischen auch dem letzten Kino-Zuschauer aufgefallen sein. Zu plump waren in den vergangenen Jahren die Kunstgriffe, mit denen bereits erfolgreiche Film-Reihen künstlich verlängert wurden.

Mussten beispielaweise für den vierten Teil von Indiana Jones die Hinterlassenschaften von Außerirdischen als Vorlage dienen, wurde für den sechsten Teil um Box-Rentner Rocky Balboa gar künstliche Intelligenz bemüht. Eine Computersimulation hatte ermittelt, dass ein Boxer mit Rockys Eigenschaften wahrscheinlich gegen den amtierenden Weltmeister Mason Dixon gewinnen würde. Die Aussagekraft des theoretisch ermittelten Ergebnisses wurde dann später im Verlauf des Films wissenschaftlich vorbildlich durch einen „realen“ Kampf zwischen Box-Veteran und Weltmeister verifiziert.

Ebenfalls oft bemüht wurde auch der Ansatz, die Kindheit bekannter Protagonisten in Szene zu setzen. 1999 funktionierte da noch. George Lucas entzückte das Kinopublikum mit dem kleinen, blauäugigen Anakin Skywalker und erweiterte die bisherige Star-Wars-Trilogie um gleich drei Episoden, um die Wandlung des jungen Jedi-Ritters Skywalker zum bösen Darth Vader zu erzählen. Die Jugendjahre von Spock und Co. ernteten in „Star Trek“ jedoch nur das Kopfschütteln selbst eingefleischter Fans.

Nun besitzt Hollywood jedoch eine neue Waffe für die wundersame „Content-Vermehrung“. Filme in der dritten Dimension füllen nicht nur die Kinosäle trotz unglaublicher Preise von über zehn Euro, sie lassen auch die gesamte Branche hoffen, wie Technology Review in seiner April-Ausgabe berichtet.

Hollywood scheint die Chance auf schnelles Geld erkannt zu haben. Denn besonders computergenerierte Filme lassen sich schnell um die dritte Dimension erweitern, da man Gehilfe Computer lediglich ein zusätzliches Mal rechnen lassen muss, einmal für das rechte Auge und einmal für das linke Auge.

So soll George Lucas planen, seine Star-Wars Filme nochmals in 3D in das Rennen um die Gunst des Zuschauers zu schicken. Auch Warners Brothers denkt darüber nach, das 2007 verfilmte Kriegsepos „300“ um die dritte Dimension zu erweitern. Die räumliche Tiefe soll den Kampf der rund 300 Spartaner gegen die Übermacht unter Perserkönig Xerxes noch realistischer machen. Eine Reihe weitere 3D-Blockbuster sollen noch dieses Jahr erscheinen, angefangen von „Kampf der Titanen“ am achten April bis hin zu „Alvin und die Chipmunks“ gegen Ende dieses Jahres.

Um „Tron“ neues Leben einzuhauchen, verwendet Walt Disney gleich zwei Kunstgriffe, nämlich Fortsetzung (Sohn taucht auf) und 3D. Der 1982 produzierte Kultfilm gilt als eines der ersten Leinwandspektakel, in dem längere per Computer generierte Sequenzen eingesetzt wurden: Sie stellen das Innenleben eines Computers als virtuelle Arena da, in der sich Computerprogramme in menschlicher Gestalt bei Motorradrennen und „Disc“-Kämpfen duellieren. Der Programmierer Kevin Flynn wird in diesen virtuellen Raum hineingezogen und muss sich nun gegen das diktatorische Master Control Programm zu Wehr setzen.

In der Fortsetzung betritt nun Flynns Sohn ein mit aktueller 3D-Technologie realisiertes Cyber-Universum, um seinen darin verschollenen Vater zu suchen. „Tron Legacy “ soll Ende dieses Jahres in den deutschen Kinos zu sehen sein, im gerade veröffentlichten Trailer sind bereits jetzt atemberaubende Datenwelten und Programm-Kämpfe zu sehen.

Allerdings wecken diese auch die Befürchtung, dass sich Walt Disney lediglich auf dreidimensionale Effekt-Hascherei konzentriert und dabei nicht das Potenzial des Stoffes ausschöpft. Denn nicht nur 3D-Technologie, auch die gesamte Informationstechnologie hat sich weiterentwickelt. Für den Film liefert sie Ort und Handlung zugleich. Es bleibt daher zu hoffen, in der Fortsetzung beispielsweise auch Trojanisch Pferde und anderer bösartiger Programme im Cyber-Universum ihren Platz finden, sie nicht mehr um Rechenkraft eines, sondern mehrerer Prozessoren kämpfen oder im Falle einer Niederlage in die dunkle „Cloud“ verbannt werden. Solche Ideen mögen lächerlich klingen, jedoch ließen sie immerhin den Versuch erkennen, sich nicht nur auf dreidimensionale Effekthascherei zu verlassen, sondern räumliche Tiefe mit inhaltlicher Tiefe zu verbinden.

Ansonsten wird 3D nicht nur wieder aus den Lichtspielhäusern verschwinden, die Traumfabrik wird auch eine echte Chance verspielen, sich gegen die Aufrüstung im heimischen Wohnzimmer und dreiste Raubkopierer zu behaupten. Auch gegen solche Piraten bietet 3D Schutz -- noch, da sich die entsprechenden Filme nicht einfach mit der Videokamera abfilmen lassen. Aber auch dieser Vorsprung ist nur eine Frage der Zeit, wenn man beobachtet, welche Vielzahl elektronischer Geräte gerade mit dem Präfix 3D auf den Markt gelangen. Hollywood sollte ihn daher für mehr nutzen, als lediglich die optischen Sinne seiner Zuschauer zu täuschen. (wst)