"Gravierender Messfehler": Die Zahl "disruptiver" Patente nimmt gar nicht ab

Vor einem Jahr machte eine Studie die Runde, laut der die Innovationskraft von Wissenschaft und Technik abnimmt. Sie war fehlerhaft, meinen jetzt drei Forscher.

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Glühbirne über einer Hand

(Bild: Dilok Klaisataporn/Shutterstock.com)

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Eine viel zitierte Studie, laut der technischer und wissenschaftlicher Fortschritt in den vergangenen Jahren immer weniger disruptive Durchbrüche erbracht hat, weist an entscheidender Stelle einen "gravierenden Messfehler" auf. Zumindest für Patente könne man nach der Korrektur festhalten, dass die Forschung nichts von ihrer Innovationskraft verloren hat, haben drei Wissenschaftler jetzt ermittelt. Ganz im Gegenteil habe die Zahl der disruptiven Patente langfristig sogar zugenommen, schreiben sie. Ihre Arbeit beweise jetzt außerdem, "dass die Selbstkontrolle der Wissenschaft funktioniert". Fehler, wie der jetzt entdeckte, könnte immer wieder passieren, wichtig sei der Umgang damit. Der Abgesang auf die Innovationskraft hat im Januar 2023 viel Aufmerksamkeit bekommen.

Wie die Gruppe um Jeffrey Macher von der Universität Georgetown jetzt in Erinnerung ruft, war für die ursprüngliche Arbeit untersucht worden, wie häufig in wissenschaftlichen Arbeiten und bei Patenten auf vorherige Werke Bezug genommen wurde. Wenn ein Patent besonders häufig zitiert wurde, vorherige aber nicht, galt es als "disruptiv". Die Forschungsgruppe habe dabei aber nur Patente ab dem Jahr 1976 einbezogen und auch Verweise auf frühere nicht berücksichtigt. Wenn aber bei Patenten aus den frühen 1980er-Jahren alle Verweise auf solche aus den Jahren 1975 und davor ignoriert würden, erschienen viele der damaligen Patente disruptiv: "Aber nicht, weil sie es wirklich sind, sondern weil viele Zitate zu den Vorgängerpatenten unberücksichtigt bleiben", erklärt Christian Rutzer von der Universität Basel.

Dass diese Einschränkung das Ergebnis "enorm verzerrt", hat das Team nun nachweisen können. Sobald man ältere Patente einbeziehe, liege die durchschnittliche Disruptivität von Patenten aus dem Jahr 1980 nicht mehr bei 0,39 – wie vor einem Jahr behauptet – sondern nur noch bei 0,09. Bis 2005 sei sie dann auch nur noch geringfügig auf 0,04 gesunken. Parallel dazu habe die Zahl stark disruptiver Patente sogar zugenommen. Die Korrektur gilt dabei aber nur für Patente, für die Messung der Innovationskraft von wissenschaftlichen Arbeiten war das ursprüngliche Forschungsteam anders vorgegangen. Die Richtigstellung ist jetzt im Fachmagazin Research Policy erschienen.

(mho)