Retro Computer Festival – Zwei Tage Computergeschichte pur

Vergangenes Wochenende fand im Heinz Nixdorf Museumsforum in Paderborn das Retro Computer Festival statt – es war eine Reise in die Pionierzeit der Computer.

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Commodore 64 mit angeschlossenen Robotarm SVI-2000, der sich automatisch per Computer oder über zwei Joysticks steuern ließ.

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Zum dritten Mal lud am 13. und 14. April das Paderborner Heinz Nixdorf Museumsforum (HNF) in Kooperation mit dem Dortmunder Retro Computer Treffen (DoReCo) zum Retro Computer Festival ein. Laut dem Veranstalter stellten über 60 Aussteller ihre Sammlerstücke aus – von wegweisenden Computern vergangener Jahrzehnte bis zu exotischer Hardware wie Telex-Geräten. Neben den prägenden Maschinen der Homecomputer-Ära wie C64, Commodore Amiga und Atari ST waren auch verschiedene Apple-Geräte und weitere Systeme nebst einiger Exoten und Nachbau-Rechner zu sehen.

Das Titelbild des dritten Retro Computer Festivals. Schwerpunkt diesmal: Grafische Benutzeroberflächen, wie hier beim Amiga 500.

(Bild: Markus Will)

Es war ein Bälleparadies für Nerds: Die meisten Exponate der zum Teil wertvollen Retro-Hardware waren betriebsbereit und durften genutzt werden. Dabei war nicht nur die reine Hardware interessant: Wie die Besucher auch, die in einigen "guck mal, Schatz"-Momenten den Angehörigen ihre Erinnerungen zum ausgestellten Gerät erzählten, wussten die Aussteller neben den technischen Fakten auch so manche Geschichte zu erzählen. Etwa berichtete ein Besitzer eines IBM-XT von 1987, dass er das Gerät von einem Ingenieur erhielt, der ihm eine Bedingung stellte: Entweder gehe der Rechner in gute Liebhaberhände, oder er schmeiße das Gerät weg. Zum Glück konnte der XT gerettet werden, welcher älter war als der Besitzer selbst.

Der Stand von Harzretro wurden einige Raritäten ausgestellt, die selbst versierte Sammler eher selten sehen: Unter mehreren alten Ostblock-Rechnern befand sich ein Tesla-Computer, aber gänzlich Elon-Musk-frei: Der Tesla PMD 85-1 war ein 8-Bit-Rechner aus tschecheslowakischer Produktion, der 1986 auf den Markt kam. Ein spannendes wie seltenes Gerät war auch der PDC-Clipper: Ein Commodore 64 im wuchtigen Koffer, inklusive Tastatur, Mäusekino-LCD und Akustikkoppler für die Datenfernübertragung. Mit 18.000 D-Mark Grundpreis war der 1983 erschienene tragbare C64-Umbau nicht gerade preiswert. Dem wenige Tage zuvor 40 Jahre alt gewordenen Schneider CPC 464 konnte man auf dem Stand gratulieren: Zwei Exemplare der vom britischen Hersteller Amstrad entwickelten Computerreihe waren ausgestellt.

Impressionen des Retro Computer Festivals 2024 (30 Bilder)

Am 13. und 14. April trafen sich Retroliebhababerinnen und Retroliebhaber in Paderborn. Das HNF zeigte schon von außen: Hier seid ihr richtig.

Am Sonntag fanden neben der Ausstellung noch einige Fachvorträge statt: Für C64 wurde "The Great Giana Sisters 30th Anniversary" vorgestellt. Das kultige Jump'n'Run erhielt neue Level und weitere Spielfeatures: So können die Spielfiguren nun auch schwimmen und auf bewegliche Plattformen springen. Wann das Spiel erscheint, ist noch offen, da man sich noch in Gesprächen mit den Rechteinhabern befinde, aber eine Demoversion ist herunterladbar. Der Fujinet-Netzwerkadapter ist ein offenes System, mit dem man Retrosysteme auf einfachem Wege (etwa über den Laufwerks-Anschluss) um WLAN oder SD-Karten-Funktionen erweitert. Das System existiert bereits für die Atari-8-Bit-Familie sowie Coleco Adam und Apple II. Eine Portierung für den Commodore C64 sei in Arbeit. Amiga-Nerds bekamen Informationen über die Vampire-Turbokarte. Im Vortrag "Discuss with a Vampire" konnte man dem Amiga selbst Fragen stellen: er war mit ChatGPT verbunden. Für Atari ST wurde die Twister-Karte gezeigt: Sie verwandelt einen Atari STE von den Features her in einen Mega STE. Für Sammler alter Hardware war der Retro Chip Tester (RCT) sehr interessant: Eine vielseitige Platine mit der man verschiedenste Bausteine testen kann.

Eine spannender Bereich waren die Telex-Maschinen: Verschiedene Fernschreiber wurden ausgestellt. Sie waren vor dem Computerzeitalter wichtige Kommunikationsmittel für Firmen, Behörden und Redaktionen. Mit i-Telex, einem über das Internet simulierten Telex-Netz, sind verschiedene Geräte angebunden, die miteinander kommunizieren oder Nachrichten empfangen können. Es wirkte wie früher in den Redaktionen, wenn etwa eine heise-online-Meldung einging und lautstark tippend und klickend auf Papier gebracht wurde. Natürlich waren nicht nur Nachrichten möglich: In ASCII-Art wurden verschiedene Motive erzeugt wie Snoopy oder der Kölner Dom.

Zwei heise online-Meldungen liefen über den Newsticker dieses Telexes: heise online ist als Quelle im i-Telex-Netz vertreten.

An einem Stand wurde es besonders geschichtsträchtig, wurden dort gleich drei ikonische Systeme der 1970er ausgestellt: Neben einem Nachbau des Apple 1, der als erster PC der Welt gilt, waren noch mit dem Altair 8080 und IMSAI 8080 zwei Selbstbau-Computer dabei. Auf den Altair 8080 wurde ein junger Student namens Bill Gates aufmerksam. Er entwickelte zusammen mit Paul Allen das Altair Basic, aus dem dann Microsoft Basic entstand.

Das diesjährige Retro Computer Festival war ein Treffen in entspannter Atmosphäre und sehr familienfreundlich: Kids konnten an mehrere Spielekonsolen spielen, die das Museum ohnehin für die jüngeren Besucher bereithielt. Zudem gabs an beiden Tagen mehrere Führungen durch das Computermuseum. Außerdem war der Besuch kostenfrei. Das Angebot wurde gern genutzt: Der Veranstalter zählte an beiden Tagen insgesamt über 2700 Besucher. Der Termin des nächsten Retro Computer Festivals steht noch nicht fest, geplant ist allerdings die Veranstaltung in den Herbst zu legen.

(mawi)