Die Robotergefährten der Zukunft

In Leicester ging das Symposium über Mensch-Roboter-Interaktion zu Ende.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
  • Gernot Goppelt

Zunächst eine Entwarnung: Niemand muss befürchten, demnächst im Supermarkt von einem autonomen Einkaufswagen zu den Produkten geführt zu werden, die er eigentlich gar nicht kaufen will. Nachdem Cristian Bogdan vom Royal Institute of Technology in Stockholm gestern am ersten Tag des zweitägigen Symposiums New Frontiers in Human-Robot Interaction in Leicester berichtete, wie ein Roboter-Einkaufswagen durch gezielte Verlangsamung die Aufmerksamkeit der Kunden auf bestimmte Artikel lenken konnte, musste er in einem weiteren Vortrag am zweiten Tag einräumen: "Das Design von Bewegungsabläufen ist sehr viel komplexer als das Design der ersten Bewegung."

Manche Nutzer, so Bogdan, hätten sich gegen die Bewegungen des Roboters gewehrt und ihn auf den alten Weg zurück gedrängt. Überhaupt sei die Interaktion zwischen Mensch und Roboter während des Laufens schwierig: Das Laufen selbst lenkt ab, der Touchscreen ist schwierig zu bedienen, Sprachkommunikation wird durch Motorgeräusche und Vibrationen gestört.

Die Übernahme der Herrschaft durch Roboter steht also nicht unmittelbar bevor. Das ist ein Resümee, das sich auch aus anderen Vorträgen ziehen lässt. Mohammadreza Asghari Oskoei (University of Hertfordshire) etwa schilderte, wie einem Roboter beigebracht werden kann, einen angemessenen Abstand zu Menschen einzuhalten. Auf die Frage, wie sich verhindern ließe, dass der Roboter ständig zurückweicht, wenn man ihm etwas übergeben möchte, hatte er jedoch noch keine Antwort. Das erfordere weitere Studien zum Verständnis der menschlichen Körpersprache. Nach so einem Vortrag fürchtet niemand die Attacke eines Terminators hinter der nächsten Straßenecke.

Andere Ängste sind realistischer – etwa die, als alter Mensch einem Pflegeroboter ausgeliefert zu sein. Amanda Sharkey von der University of Sheffield behandelte in ihrem Vortrag ethische Fragen des Einsatzes von Robotern in der Altenpflege. Sie unterschied drei Technologien: Assistenzroboter helfen bei der Verrichtung alltäglicher Prozeduren, können einen Menschen etwa füttern oder aus dem Bett in den Rollstuhl heben. Andere Systeme haben vorrangig Überwachungsfunktionen und können gegebenenfalls Hilfe rufen. Eine dritte Kategorie schließlich sind die Robotergefährten, zumeist gestaltet wie kleine Tiere, die alten Menschen Gesellschaft leisten. Es sind wohl vor allem diese mechanischen Kuscheltiere, die bei vielen Beobachtern das Gefühl hervorrufen, die Alten würden damit hinters Licht geführt und in ihrer Würde verletzt.

Sharkey wies allerdings darauf hin, dass solche Roboter in Altenheimen auch zur Intensivierung von Kontakten der Bewohner untereinander geführt haben. Studien deuteten zudem auf eine Verbesserung der Lebensqualität hin. Es mag auch schlicht eine Frage der Zeit sein: Die heutigen Prototypen werden schließlich an Menschen erprobt, denen die Technologie weitgehend fremd sein dürfte. Wer dagegen heute mit Spielzeugrobotern im Kinderzimmer aufwächst, dürfte im Alter weniger Probleme haben, sich von einem Roboter helfen zu lassen.

Mit der Gestaltung künstlicher Gefährten beschäftigt sich das EU-Projekt Companions, das Yorick Wilks von der University of Sheffield zu Beginn seines Vortrags erwähnte. Er hob hervor, dass es dabei nicht um Chatbots oder Internetagenten für spezifische Aufgaben ginge. Ohne eine zentrale Aufgabe sollten solche Gefährten die Konservation mit dem Menschen vielmehr möglichst ein Leben lang durchhalten und eine angemessene, vielleicht emotionale Beziehung aufbauen.

Eine Fülle von Fragen stelle sich in diesem Zusammenhang, etwa zum Ausmaß der Zuwendung, die der Robotergefährte aufbringen sollte. Studien hätten gezeigt, dass Menschen höfliche Maschinen mögen, sagte Wilks. Sie dürften aber nicht zu höflich sein. Die äußere Erscheinung ist ebenfalls nicht einfach zu wählen. Braucht der Gefährte ein Gesicht? Es könne besser sein, so Wilks, ihm keinen Mund zu geben statt eines schlecht mit der Rede synchronisierten. Er brauche zudem Ziele, die darüber hinaus gingen, nur nett zu seinem Nutzer zu sein.

Vielleicht sollte er noch nicht einmal ständig nett sein. Unter Umständen ist es zweckmäßig, den Gefährten mit mehreren Persönlichkeiten auszustatten, sodass er zum Beispiel als Sporttrainer strenger und fordernder auftritt, als wenn sein Nutzer von einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause kommt.

Ein ganz wichtiger Aspekt ist die Sicherheit. Ein Robotergefährte speichert mit der Zeit mehr und mehr Wissen über seinen Nutzer. Mit wem darf er darüber sprechen? Wilks verwies auf das historische Beispiel der „Victorian Ladies Companions“: Die Eigenschaften, die von solchen Begleiterinnen vornehmer Damen erwartet wurden, böten eine gute Richtschnur für Robotergefährten.

Die Erwartungen an Roboter hängen indessen stark vom kulturellen Hintergrund ab. Laurel Riek von der University of Cambridge stellte eine Studie vor, die in den Vereinigten Arabischen Emiraten durchgeführt wurde. In einem Einkaufszentrum in El Ain stellten die Forscher einen Roboter auf, dessen äußere Erscheinung an den bekannten islamischen Philosophen Ibn Sina (geboren 980) angelehnt war und der in der Lage war, in begrenztem Rahmen Dialoge zu führen. Besucher des Einkaufszentrums wurden aufgefordert, mit dem Roboter zu sprechen und wurden hinterher dazu befragt.

Insgesamt seien die Reaktion positiver gewesen als erwartet, sagte Riek. Menschen aus der Golfregion hätten den Roboter jedoch mehr gemocht als solche aus afrikanischen Ländern. Leute mit höherem Bildungsgrad seien ablehnender gewesen als weniger Gebildete. Den Forschern zufolge war dies die erste Studie, die sich mit der kulturellen Einbettung von Robotern im mittleren Osten beschäftigte. Für zukünftige Experimente soll der Fragebogen weiter verfeinert werden.

Die Präsentation von vorläufigen Ergebnissen noch laufender Studien war einer der Vorzüge des Symposiums, das von Kerstin Dautenhahn und Joe Saunders (beide University of Hertfordshire) mit viel Raum für Diskussion organisiert wurde. Es bot anregende Einblicke in ein sehr dynamisches Forschungsfeld, in dem Wissenschaftler aus sehr verschiedenen Disziplinen zusammenkommen. Dabei kommt es gelegentlich auch zu Reibereien: So berichtete Astrid Weiss (Universität Salzburg), dass sie bei der Verteidigung ihrer Dissertation vor zwei Wochen von einem Professor gefragt worden sei, wie sie es wagen könne, den Begriff „sozial“ auf das Verhältnis zwischen Mensch und Roboter anzuwenden. Was sie geantwortet hat, hat Weiss leider nicht verraten. Vielleicht sollte sie den Professor einfach zum nächsten Symposium einladen. (ggo)