Epigenetik: Lebenswandel von Vätern beeinflusst Gesundheit ihrer Nachkömmlinge

Münchner Forscher haben Zusammenhänge zwischen der Ernährung werdender Väter und der langfristigen Gesunderhaltung ihrer Kinder nachgewiesen.

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Babyfüße in einer Hand

Babyfüße in einer Hand.

(Bild: paulaphoto/Shutterstock.com)

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Es ist bereits bekannt, dass die Fruchtbarkeit von Männern in den letzten Jahrzehnten immer stärker abnimmt. Über die möglichen Gründe dafür gibt es widersprüchliche Theorien – von Hormonen und hormonwirksamen Stoffen in der Umwelt über Bestrahlungseffekte durch Technik wie Handys bis hin zur Ernährung.

Letztere ist es auch, die sich nun eine Gruppe von Forschern des Helmholtz-Instituts in München (Helmholtz Munich) und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) in Oberschleißheim angesehen hat – und zwar nicht ihrer Wirkung auf die Fortpflanzungsfähigkeit wegen, sondern im Hinblick auf die Gesundheit der Kinder werdender Väter. Dabei zeigte sich, dass die Ernährung der Väter offenbar einen direkten Einfluss auf die spätere Gesundheit ihres Nachwuchses haben kann.

Das Team um Raffaele Teperino, Chef der Forschungsgruppe "Umwelt-Epigenetik" bei Helmholtz Munich, konnte dazu auf Daten aus dem LIFE-Child-Experiment der Universität Leipzig zurückgreifen, das die Entwicklung von Zivilisationskrankheiten erfassen soll. Es läuft bereits seit 13 Jahren und erfasste den Gesundheitszustand von mehr als 4500 Kindern und Jugendlichen sowie von über 1000 Schwangeren. Es werden dabei neben körperlichen Untersuchungen und Tests auch Fragebögen erfasst sowie Proben entnommen. Für die Teperino-Studie wurden Informationen von mehr als 3000 Familien aus dem Life-Child-Datensatz verwendet.

Im Fokus der Untersuchung, die in Nature publiziert wurde, standen winzige RNA-Moleküle in den Spermien, die als mitochondriale tRNA-Fragmente (mt-tsRNAs) bezeichnet werden. Diese Moleküle scheinen eine Schlüsselrolle bei der Übertragung von Gesundheitsmerkmalen von einer Generation zur nächsten zu spielen, da sie regulatorisch in die Genexpression eingreifen.

Die Forschungsergebnisse zeigten einen Zusammenhang zwischen dem Körpergewicht des Vaters und dem seiner Nachkommen. Es wurde festgestellt, dass das väterliche Gewicht nicht nur Auswirkungen auf das Gewicht der Kinder hat, sondern auch deren Prädisposition für Stoffwechselerkrankungen beeinflusst.

Bemerkenswert ist, dass dieser Einfluss unabhängig von anderen potenziell beeinflussenden Faktoren beobachtet wurde. Weder das Gewicht der Mutter, noch die genetische Veranlagung der Eltern oder Umwelteinflüsse konnten diesen Zusammenhang erklären. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Bedeutung des väterlichen Gesundheitszustandes für die metabolische Gesundheit der Nachkommen und weisen auf einen bisher möglicherweise unterschätzten Aspekt in der Entwicklung von Stoffwechselerkrankungen hin.

Zur Verifikation der Analyse wurden von Teperino & Co. auch Experimente an Mäusen durchgeführt, denen eine Hochfettdiät verabreicht wurde. Das habe Auswirkungen auf die Geschlechtsorgane der Tiere gehabt, auch auf die Nebenhoden. Dort reifen die frischen Spermien heran. "Unsere Studie zeigt, dass Spermien, die im Nebenhoden der Mäuse einer Hochfettdiät ausgesetzt sind, zu Nachkommen mit erhöhter Neigung zu Stoffwechselerkrankungen führen", so Raffaele Teperino. "Dies ist das erste Mal, dass wir eine solche molekulare Verbindung über Generationen hinweg beobachten konnten."

Martin Hrabe de Angelis, ebenfalls Helmholtz Munich und Co-Autor der Studie, ergänzt, dass sich die Hypothese bestärkt habe, dass im Laufe des Lebens erworbene Eigenschaften wie Diabetes oder Adipositas über Generationen mittels epigenetischer Mechanismen weitergegeben werden könnten. "Die Epigenetik dient hierbei als molekulare Schnittstelle zwischen Umwelt und Genom, auch über Generationengrenzen hinweg. Dies geschieht nicht nur über die mütterliche, sondern – wie unsere Forschungsergebnisse zeigen – auch über die väterliche Linie."

Die Forscher empfehlen, bei Kinderwunsch auch an die Gesundheit der Väter zu denken. Es sei ratsam, Programme zu entwickeln, beispielsweise mit Blick auf die Ernährung. "Damit lässt sich das Risiko von Erkrankungen wie Adipositas und Diabetes bei Kindern verringern", sagt Teperino. Hinzu kommt, dass bereits bekannt ist, dass Männer mit Übergewicht erhöhte Schwierigkeiten haben, Kinder zu zeugen.

(bsc)