Graf Typo

Von den ersten Bildergeschichten, die unsere Vorfahren auf Höhlenwände gemalt haben, bis zur gedruckten iX war es ein weiter Weg – der mittlerweile mit diversen Schriften gepflastert ist.

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Von
  • Diane Sieger

Über Jahrtausende hinweg hat sich Schrift als Kommunikationsmittel entwickelt, dank des Buchdrucks gelang der Wandel der Handschrift zur einheitlichen Druckschrift, und mithilfe des Computers öffneten sich weitere Türen für Typografie. Ein Blick ins Netz hilft, sich mit der Geschichte der Schrift auseinanderzusetzen, und den Überblick über Trends zu behalten.

Einen guten Einstieg in die Entstehung der Schrift gibt das Typolexikon. Hier findet sich ein umfangreicher Zeitstrahl, der im Jahre 5300 v. Chr. mit Inschriften auf transsylvanischen Tontafeln beginnt und bis ins Jahr 2000 und zur Eroberung des virtuellen Raums durch die Schrift reicht. Wer die visuelle Darstellung der Schriftentwicklung einer Zeitleiste vorzieht, dem sei das Referat „Die Geschichte der Schrift“ der Studierenden Daniela Schwarzer, Marc Tönsing und Philipp Anders aus dem Sommersemester 2005 nahegelegt. Das PDF-Dokument enthält viele anschauliche Abbildungen und Beispiele, im zugehörigen Handout gibt es einen Schriftenbaum mit Musterschriften.

Ob mit Eintritt ins Schulalter eine Schreib- oder Druckschrift als Schulausgangsschrift gelehrt wird, ist in Deutschland heute Ländersache. Doch das war nicht immer so. Von 1915 bis circa 1940 sowie später noch einmal in den frühen 1950er-Jahren haben alle deutschen Schulen die Sütterlinschrift unterrichtet. Viele Leser kennen sie sicherlich aus Briefen und Postkarten von ihren Großeltern, den jüngeren Generationen fällt das Lesen dieser Dokumente jedoch zunehmend schwer. Wer gern in Omas Erinnerungskiste stöbern möchtet, findet Kursmaterial zum Erlernen der Sütterlinschrift heutzutage online.

Wendet man sich nun der Typografie am Computer zu, zeigt sich, dass bereits mit frühen Versionen gängiger Textverarbeitungs- oder Desktop-Publishing-Software die Unterstützung verschiedener Schrifttypen eine wichtige Rolle spielte. Mit Betriebssystemen wie Windows oder Mac OS wurde WYSIWYG (What you see is what you get) für Text- und Layoutprogramme zum Muss.

Eine vielfach in Print und Web verwendete Schrift heißt Helvetica. Wie der Name vermuten lässt, kommt sie aus der Schweiz, entwickelt 1957 von den Schriftdesignern Max Miedinger und Eduard Hoffmann. Allerdings ist Helvetica nicht der originale Name der Schrift, sondern der drei Jahre später eingeführte Markenname zur besseren internationalen Vermarktung. Helvetica ähnelt Schrifttypen wie Akzidenz-Grotesk und Folio, unterscheidet sich aber deutlich von diesen in Zeichen wie G, J, Q und einigen Ziffern.

Der Font ist so berühmt, dass Bücher über ihn geschrieben und publiziert wurden; der bekannteste Titel dürfte Lars Müllers „Helvetica: Homage to a Typeface“ sein. Überraschend ist allerdings, dass der Filmemacher Gary Hustwit einen abendfüllenden Dokumentarfilm über Helvetica produziert hat. Er wurde 2007 zum 50. Geburtstag der Schrift uraufgeführt und beinhaltet neben ihrer Geschichte und Interviews mit Designern Ausflüge in die reale Welt und zeigt auf, wo Helvetica allgegenwärtig im Alltag zu finden ist.

Nicht zufällig belegt Helvetica Platz eins der Hitliste von "Die hundert besten Schriften aller Zeiten". Dabei handelt es sich um eine Übersicht, die eine Jury nach Verkaufszahlen, historischer Bedeutung und ästhetischer Qualität zusammengestellt hat. In ausführlicher Form steht sie auch als PDF-Dokument zur Verfügung.

Auf dieser Liste findet man Comic Sans übrigens nicht – die wohl umstrittenste Schrift in Web und Print. 1994 von Vincent Connare für Microsofts Windows Plus Pack und Comic Chat entwickelt, trifft man auf Comic Sans vielfach in Kontexten, in denen ihre Verwendung nicht angemessen erscheint. Die Webseite ban comic sans beschäftigt sich mit diesem Phänomen und bietet eine Sammlung von Beispielen für die schlechte und unpassende Verwendung der Schrift. Auf Vimeo findet man einen vom bereits erwähnten Helvetica-Film inspirierten achtminütigen ironischen und sehenswerten Kurzfilm über Comic Sans.

Schriftsatz muss jedoch nicht immer dem Mantra WYSIWYG folgen, was TeX-basierte elektronische Satzsysteme bewiesen haben. Die Nutzung von TeX und LaTeX wird vielfach durch spezielle Anforderungen im Formelsatz und den Naturwissenschaften gerechtfertigt, allerdings findet man Anwender dieser Techniken auch unter Journalisten, Buchautoren und Hobbyisten. Dario Taraborelli beschäftigt sich in seinem Artikel „The Beauty of LaTeX“ mit feinen Details hinsichtlich der Unterschiede zwischen einem WYSIWYG-System wie Microsofts Word und LaTeX.

Die Darstellung von Schriften am Bildschirm stellt üblicherweise andere Anforderungen als die Druckaufbereitung eines Dokumentes. Elektronische Schrifttypen basieren in der Regel auf Vektorinformationen zur besseren Skalierung. Der Prozess der Rasterung für die Bildschirmdarstellung beschreibt die Umwandlung der Vektorinformationen in Bitmap-basierte Daten. Im Allgemeinen erfolgt die Darstellung von Text am Bildschirm mit einer vielfach geringeren Auflösung als die Druckausgabe, sodass bei bestimmten Schrifttypen oftmals Artefakte entstehen oder die Darstellung generell pixelig erscheint.

An dieser Stelle kommen die auf Fourier-Transformationen fußenden, mathematischen Optimierungsverfahren des Antialiasing ins Spiel. Ein bekanntes Beispiel ist Microsofts ClearType, aber auch Grafikwerkzeuge wie Adobes Photoshop verwenden Antialiasing zur Darstellung von Text.

Wenn es um aktuelle Trends und Entwicklungen im Bereich der Typografie geht, lohnt sich stets ein Blick auf TypeTHEORY. In seinem englischsprachigen Blog beschäftigt sich der Designer und Typomanic Ty Wilkins mit Neuigkeiten aus der Welt der Typografie und interviewt Experten. Eine gute Quelle, um stets informiert zu bleiben. Wer sich lieber mit deutschsprachigen Schriftfreunden und -gestaltern vernetzen möchte, sollte dies im Onlineportal typeFORUM tun.

Sollte sich jemand zutrauen, sowohl populäre als auch weniger bekannte Schriften anhand ihres Namens zu erkennen, sollte er vielleicht eine Runde Cheese or Font spielen. Bei dem Onlinespiel geht es lediglich darum zu bestimmen, ob es sich beim angegebenen Namen um eine Bezeichnung für einen Käse oder um eine Schriftart handelt. Manche Begriffe wie Dolchelatte klingen sogar eher nach Süßspeise oder Kaffeespezialität, als nach Käse oder Schrift. Ein kurzweiliges Spielchen, das sicher manchen ins Grübeln bringt. (ka)