Science-Fiction wird Wissenschaft: Studie untersucht Spuren von Warp-Antrieben

Könnten wir überlichtschnelle Raumschiffe entdecken? Forscher simulierten den Kollaps eines Warp-Antriebs und fanden charakteristische Gravitationswellenmuster.

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kollabierende Warp-Blase (empfunden von Midjourney)

Künstlerische Darstellung einer kollabierenden Warp-Blase

(Bild: Erzeugt mit Midjourney durch heise online)

Lesezeit: 9 Min.

Überlichtschnelle Reisen durch den Weltraum – das ist ein Traum, der nicht nur Star-Trek-Fans seit Jahrzehnten fasziniert. Was als reine Science-Fiction galt, ist seit 30 Jahren Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Denn 1994 entdeckte der Physiker Miguel Alcubierre eine theoretische Lösung der Einstein'schen Feldgleichungen (Alcubierre-Metrik), die einen "Warp-Antrieb" beschreibt.

Das Konzept: Ein Raumschiff erzeugt eine "Warp-Blase", die den Raum vor sich zusammenzieht und hinter sich ausdehnt. Dadurch könnte es sich effektiv schneller als das Licht bewegen, ohne lokal die Lichtgeschwindigkeit zu überschreiten oder die fundamentalen Gesetze der Physik, die Lorentz-Invarianz, zu verletzen. Zwar würde der Antrieb exotische Materie mit negativer Energiedichte benötigen – ein Konzept, das bisher nur in den Gleichungen existiert –, dennoch ist das Thema für physikalische Gedankenexperimente interessant.

Prof. Dr. Tim Dietrich vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam

(Bild: Thomas Roese)

Eine bereits Anfang Juni auf arXiv veröffentlichte Arbeit wirft nun eine faszinierende Frage auf: Selbst wenn die Menschheit noch weit davon entfernt ist, solche Antriebe zu konstruieren – könnte es fortschrittlichere außerirdische Zivilisationen geben, die dies schon geschafft haben? Und falls ja, wären wir in der Lage, die Spuren eines solchen Warp-Antriebs nachzuweisen? Diesen Fragen ist ein Team der Universitäten Oxford, Potsdam und Cardiff mithilfe von Computersimulationen nachgegangen und ermittelt, was passieren würde, wenn ein hypothetischer Warp-Antrieb kollabiert. Die Ergebnisse liefern überraschende Einblicke in die Physik solcher exotischen Raumzeitverzerrungen und deren mögliche Signaturen. Einer der beteiligten Forscher ist Astrophysiker Prof. Dr. Tim Dietrich vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik. Wir haben mit ihm über die Veröffentlichung gesprochen und gefragt, wie viel "Trekkie" in jemandem steckt, der sich wissenschaftlich mit Warp-Antrieben auseinandersetzt.

Details zu den Ergebnissen der Studie finden Sie unterhalb des Interviews.

heise online: Hilft es, als Gravitationsphysiker ein Trekkie zu sein?

Tim Dietrich: Ich kann nicht genau sagen, ob es wirklich hilfreich ist, aber für einige von uns waren Serien wie Star Trek schon eine Motivation, sich mit Themen wie Gravitationswellen, Schwarzen Löchern oder Neutronensternen zu beschäftigen.

Aber ich vermute, nur Trekkies kommen auf die Idee, sich mit Warp-Antrieben zu beschäftigen?

Zwar sind alle, die an dem Artikel gearbeitet haben, Trekkies, aber natürlich kennen viele Kolleginnen und Kollegen (auch einige "Nicht-Trekkies") die Alcubierre-Metrik und sind somit mit den theoretischen Grundlagen gut vertraut. Jedoch ist anzunehmen, dass man schon eine gewisse Affinität zum Thema haben muss, um die nötige Zeit zu investieren, sich damit intensiv zu beschäftigen.

Hängen die Gravitationswellensignaturen stark vom spezifischen Modell und der gewählten Zustandsgleichung für die Materie ab?

Es scheint uns so, dass die qualitative Form des Gravitationswellensignals relativ unabhängig davon ist. Jedoch würde natürlich die genaue Stärke des Signals und auch die Frequenz der Gravitationswellen davon abhängig sein, welche Zustandsgleichung man verwendet und auch welche Metrik angenommen wird. Wir haben hier die Alcubierre-Metrik genutzt, allerdings gibt es auch ähnliche Metriken, die bestimmt zu quantitativ (aber nicht qualitativ) anderen Ergebnissen führen würden.

Können die Simulationen auf höhere Geschwindigkeiten – und was mich als Trekkie besonders interessiert – überlichtschnelle Geschwindigkeiten erweitert werden? Was würde man in diesen Fällen erwarten?

Höhere Geschwindigkeiten bis zur Lichtgeschwindigkeit (bzw. knapp darunter) sollten ohne große Änderungen im Code möglich sein, brauchen jedoch eine höhere Auflösung und damit mehr Rechenzeit, um genaue Ergebnisse zu liefern. Oberhalb der Lichtgeschwindigkeit kann es einige Probleme an der Warp-Blase geben. Überlichtschnelles Reisen hat das Problem, dass sich eine Art Horizont bildet, welcher es unmöglich macht, die Bubble zu verlassen. Somit ist die Raumzeit innerhalb der Blase und außerhalb der Blase kausal nicht mehr im Austausch. Wir vermuten, dass dies nicht so einfach zu simulieren ist; definitiv nicht mit den Methoden, die wir angewendet haben.

Wie würde sich das Gravitationswellensignal ändern, wenn man längere Simulationen mit höherer Auflösung durchführt?

Für die Konfigurationen, die wir gezeigt haben, haben wir Tests mit unterschiedlichen Auflösungen gemacht und überprüft, dass alles korrekt ist. Somit sind in diesem Bereich eigentlich keine Änderungen zu erwarten. Bezüglich der Laufzeit der Simulation: auch hier haben wir darauf geachtet, die Simulationen so lange laufen zu lassen, bis die Raumzeitänderung gering ist. Aber natürlich ist davon auszugehen, dass - wie oben beschrieben - für andere Parameter längere Simulationen mit höherer Auflösung nötig sind. Natürlich können wir nur spekulieren, wie dann die Simulationsergebnisse aussehen werden, aber ich vermute, dass vor allem die Amplitude der Signale stärker werden wird, wenn die Warp-Blase eine höhere Energie besitzt.

Welche Rolle spielt insbesondere der Gravitationswellen-Memory-Effekt?

Um dies zu untersuchen, müssten wir noch weitere Simulationen durchführen und uns genau auf die Memory-Moden fokussieren. Dies sind normalerweise schwieriger zu berechnen, sodass wir hier nur eine erste Abschätzung durchgeführt haben. Unabhängig davon ist es aber sehr interessant, dass wir beobachten konnten, dass die verbleibende Raumzeit eine höhere Masse besitzt als unsere Anfangsbedingungen, also negative Energie (wie unten beschrieben) auch abgestrahlt wird. Das hatte ich so vorab nicht vermutet, ist aber sehr interessant.

Wie realistisch ist es, dass zukünftige Detektoren tatsächlich solche Signale messen könnten?

Natürlich ist die Antwort auf diese Frage sehr spekulativ, aber trotz aller Liebe zu Star Trek, denke ich nicht, dass wir mit zukünftigen Gravitationswellendetektoren solche Signale sehen werden. Letztendlich ist es aufgrund der nötigen Menge an negativer Energie, um einen Warp-Antrieb zu betreiben, sehr unwahrscheinlich, dass diese Technik wirklich Anwendung findet.

Welche Auswirkungen hätte die Wechselwirkung der "exotischen" Materie des Warp-Antriebs mit normaler Materie, falls eine solche Wechselwirkung über die Gravitation hinaus existiert?

In der Tat ist das nicht bekannt. Wir haben uns innerhalb unserer Gruppe darüber ausgetauscht und vermuten, dass diese Wechselwirkung zu einem möglichen Multimessenger-Event führen könnte, also dass durch die Wechselwirkung auch Neutrinos oder elektromagnetische Strahlung ausgesendet werden kann, allerdings können wir das nicht überprüfen.

Lassen sich die Ergebnisse auf andere "exotische" Raumzeiten und Phänomene verallgemeinern, also Wurmlöcher oder andere Modelle für Warp-Antriebe?

Das ist eine sehr gute Frage und etwas, was wir uns in Zukunft gerne ansehen möchten. Wir vermuten, dass die verwendeten Methoden eine allgemeinere Anwendung möglich machen, jedoch muss dies auch genau getestet werden.

Die Forscher simulierten erstmals, was passieren würde, wenn die Warp-Blase eines Raumfahrzeugs instabil wird und kollabiert. Dazu entwickelten sie ein numerisches Modell, das die komplexen Einstein'schen Feldgleichungen für diesen Fall löst.

Die Ergebnisse sind überraschend: Beim Kollaps der Warp-Blase werden charakteristische Gravitationswellen ausgesandt. Anders als bei bekannten astrophysikalischen Quellen wie verschmelzenden Schwarzen Löchern, zeige das simulierte Gravitationswellensignal einer kollabierenden Warp-Blase ein einzigartiges Muster, so die Forscher. Demnach beginnt es mit einem plötzlichen Ausbruch ("Burst"), gefolgt von einer oszillierenden Phase mit einer charakteristischen Frequenz in der Größenordnung des Kehrwerts des Blasenradius.

Für eine Warp-Blase von 1 km Durchmesser (Anm. d. Red.: das Raumschiff muss vollständig umhüllt sein: die größte Enterprise NCC-1701-E wird eine Länge von 685 m haben) würde dies einer Frequenz von etwa 300 kHz entsprechen – deutlich höher die Frequenzen, die derzeitig eingesetzte, erdgebundene Detektoren erfassen können. Doch die Amplitude wäre beachtlich: In einer Entfernung von einer Megaparsec (etwa 3,26 Millionen Lichtjahre) würde das Signal noch eine Dehnung der Raumzeit ("Strain") von 10-21 verursachen – eine Größenordnung, die prinzipiell messbar wäre, wenn es Gravitationswellendetektoren für die entsprechende Frequenz geben würde.

"Strain" (Dehnung, Streckung, Belastung) einer Gravitationswelle

Die Dehnung ("Strain") einer Gravitationswelle ist der Betrag, um den Abstände durch eine vorbeiziehende Gravitationswelle im Verhältnis zur ursprünglichen Länge gedehnt oder gestaucht werden. Sie ist eine dimensionslose Zahl und liegt bei Ereignissen wie dem Verschmelzen zweier Neutronensterne in einer Entfernung von 130 Millionen Lichtjahren in der Größenordnung von 10-21. Zum Vergleich: Der Durchmesser eines Protons beträgt 1,7 × 10-15 m, sodass die Dehnung weniger nur einem Zehntausendstel der Größe eines Protons entspricht.

Das Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory (LIGO) – mit dem die ersten Gravitationswellenmessungen gelangen – kann Dehnungen in der Größenordnung von 10-22 registrieren; an einer noch größeren Empfindlichkeit wird derzeit gearbeitet.

In der Arbeit wurde auch die Abhängigkeit der Ergebnisse von der Geschwindigkeit der Warp-Blase untersucht. Sie konnten stabile Simulationen für Geschwindigkeiten bis zu 50 Prozent der Lichtgeschwindigkeit durchführen, wobei höhere Geschwindigkeiten eine wesentlich höhere numerische Auflösung erfordern. Das Team vermutet, dass bei Annäherung an die Lichtgeschwindigkeit neue Phänomene auftreten könnten.

Ein besonders interessanter Aspekt der Simulationen ist laut den Forschenden der Energiefluss während des Kollapses: Während die Gravitationswellen wie erwartet positive Energie aus dem System tragen, zeigt die exotische Materie der Warp-Blase ein komplexeres Verhalten. Sie sendet abwechselnd Wellen positiver und negativer Energie aus. Insgesamt erhöht sich dadurch sogar die Gesamtenergie des Systems – was bei "normaler" Materie nicht möglich wäre.

Dieses Verhalten erinnere an frühe theoretische Arbeiten von Hermann Bondi (Entwickler der Steady-State-Theorie) über die Wechselwirkung von positiver und negativer Materie. Das Verhalten werfe interessante Fragen zur Dynamik von Raumzeiten auf, die die Null-Energie-Bedingung verletze. Die Autorin und Autoren betonen, dass weitere Untersuchungen nötig sind, um den Einfluss verschiedener Zustandsgleichungen auf das Gravitationswellensignal und die Materieflüsse zu verstehen.

Auch wenn Fragen, wie man eine Warp-Blase erzeugt oder gar kontrolliert (und was ein Pendant für die laut Star-Trek-Kanon zur Flusskontrolle der Materie-Antimaterie-Reaktoren benötigten "Dilithium-Kristalle" wäre, Anm. d. Red.), zunächst nach Science-Fiction klingen, fördern solche Gedankenexperimente und Simulationen mitunter spannende wissenschaftliche Erkenntnisse zutage.

(vza)