Heilung fürs Herz

Ein Start-up hat eine neue Methode entwickelt, mit der Schädigungen des Herzmuskels durch wachstumsstimulierende Peptide therapiert werden sollen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Emily Singer

Ein Start-up hat eine neue Methode entwickelt, mit der Schädigungen des Herzmuskels durch wachstumsstimulierende Peptide therapiert werden sollen.

Lange Zeit nahm die Wissenschaft an, dass es dem menschlichen Herzen nicht möglich sei, sich selbst zu regenerieren. Nun mehren sich die Anzeichen dafür, dass auch die "Pumpe" eines Erwachsenen noch neue Zellen wachsen lassen kann – wenn auch sehr langsam. Roger Hajjar, Direktor des Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung an der Mount Sinai School of Medicine in New York, hat nun zusammen mit dem Kardiologen Bernhard Kuhn vom Children's Hospital in Boston eine Methode entwickelt, die dieses Wachstum anregen soll. Ziel sind neue Optionen bei der Behandlung verschiedener Herzerkrankungen. Kuhn und Hajjar haben dazu ein Start-up namens Cardioheal gegründet, das Medikamente auf Basis spezieller Wirkstoffe herstellen will.

Dabei kommen Peptide zum Einsatz, von denen bereits zwei identifiziert wurden, die bei Nagern, denen im Tierversuch ein Herzinfarkt zugefügt wurde, das Zellwachstum stimulieren und die Herzfunktion verbessern. Aktuell testet Hajjars Labor in New York einen der Stoffe, das Peptid Periostin, an Schweinen. Da diese Tiere eine ähnliche Herzgröße haben wie der Mensch, stellen sie einen guten Modellorganismus dar, bevor es zu klinischen Studien mit Versuchspersonen kommt. Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass die Injektion des Peptids in den Herzbeutel besonders wirksam ist. "Die Schweine, bei denen ein künstlicher Herzinfarkt eingeleitet wurde, sind danach zwar nicht wieder völlig gesund, ihr Zustand verbessert sich aber deutlich", sagt Hajjar.

Die Forscher hoffen, dass die als wirksam identifizierten Moleküle eines Tages zu einer alternativen Behandlungsform bei schweren Herzerkrankungen werden könnten. Aktuell erhalten Menschen, die einen Infarkt hatten, Medikationen wie Betablocker, die es dem Herz leichter machen, weiter im Takt zu schlagen. Parallel wird versucht, mittels chirurgischer Eingriffe die blockierten Arterien wieder frei zu bekommen. Neues Herzmuskelgewebe, das das beschädigte ersetzen könnte, lässt sich dagegen nicht erzeugen. Die Herzschwäche bleibt. Kuhn zufolge liegen ihm viele Anfragen von Patienten vor, die die Peptid-Therapie gerne ausprobieren würden. Das sei einer der Gründe, warum er mit Hajjar nun die Firma gegründet habe. Doch bis zu ersten klinischen Studien werde es wohl noch dauern.

Cardioheal konkurriert mit seinem Verfahren unter anderem mit Stammzell-Therapien, die bereits am Menschen getestet werden. Forscher arbeiten an verschiedenen Methoden, Stammzellen zu ernten und sie dann Menschen zu injizieren, die unter schweren Herzkrankheiten leiden. Bislang halten sich die Behandlungserfolge allerdings noch in Grenzen.

Transplantierte Zellen scheinen Probleme zu haben, in der neuen Umgebung des Herzmuskelgewebes zu überleben und sich zu akklimatisieren. Dabei liegt der Vorteil einer solchen Stammzell-Therapie wohl hauptsächlich darin, dass es das Zellwachstum anregt. Würde sich dieser Prozess mit Peptiden einleiten lasse, "wäre das eine einfachere Methode, bestimmte Krankheiten zu behandeln", meint Amish Raval, Kardiologe an der University of Wisconsin, der Hajjars und Kuhns Ideen kennt. Das gelte immer dann, wenn das Problem fehlende oder geschwächte Herzmuskelzellen seien.

Cardioheal muss vor ersten klinischen Studien am Menschen allerdings noch einige entscheidende Fragen beantworten. Die Wichtigste: Wie gelangen die Peptide am besten zum Herzen des Menschen, ohne dass es zu invasiv wird? Zudem, sagt Hajjar, sei noch unklar, wann die Therapie am besten angewendet werde: "Sollte es sofort nach dem Herzinfarkt sein oder etwas später? Dann, wenn der Patient erste Anzeichen für eine gefährliche Entwicklung zeigt?"

Immerhin: Bislang wurden bei den Versuchstieren noch keine signifikanten Nebenwirkungen festgestellt. Doch das entbindet Cardioheal nicht von intensiven Sicherheitstests. "Tumorbildung, das Wachstum von nicht zum Herz gehörenden Muskelgewebe oder die Gefahr von Herzrhythmusstörungen sind Dinge, die man systematisch ausschließen muss. Auch sollte am Tiermodell mit einer großen Breite unterschiedlicher Dosierungen gearbeitet werden", meint Kardiologe Ravel. Wie die neuen Herzmuskelzellen mechanisch und elektrisch arbeiten, ist auch noch nicht ganz klar. "Ich würde gerne wissen, ob sie sich mit den vorhandenen Zellen verbinden oder unabhängig kontrahieren." (bsc)