"Es darf sich für Social-Media-Plattformen nicht lohnen, das Gesetz zu brechen"

In der aktuellen Folge "Haken dran" spricht Fachanwalt Chan-jo Jun über die Herausforderungen, Tech-Giganten juristisch beizukommen, und den Umgang mit Hass.

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Lesezeit: 76 Min.
Von
  • Redaktion heise online

In "Haken dran" disktutiert Gavin Karlmeier, freier Journalist und Digitalberater, dreimal wöchentlich mit wechselnden Gästen über die Entwicklungen in sozialen Netzwerken. Diese Podcast-Folge zu Gast: Chan-jo Jun, Fachanwalt für IT-Recht, der in dieser Funktion schon Meta oder X vor Gericht zog und dabei Mandanten wie Renate Künast vertrat.

Ein zentrales Thema des Gesprächs sind die teilweise systematischen Rechtsverstöße von Plattformen. Laut Jun analysieren Unternehmen wie Meta genau, in welchen Ländern etwa Holocaust-Leugnung strafbar ist, und unterbinden es nur dort, wo es auch tatsächlich verfolgt wird. Problematisch sei zudem die mangelnde Verfolgung von Rechtsverstößen im Internet. "Wir haben in ganz Deutschland quasi nur zwei Radarfallen", vergleicht Jun. Behörden hätten meist weder die personellen Kapazitäten noch den Willen, proaktiv nach Verstößen zu suchen.

Ein weiteres Thema ist die Zukunft des Urheberrechts angesichts von KI-Trainingsdaten. Jun hält dies für eine Grauzone: Zwar sei das Trainieren mit öffentlich zugänglichem Material derzeit legal, KI-Systeme könnten so aber Urheberrechte umgehen, indem sie Inhalte nicht direkt kopieren, sondern nur als "Inspiration" nutzen. Hier brauche es dringend eine Anpassung des Urheberrechts an das KI-Zeitalter.

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YouTube-Screenshot: Gavin Karlmeier und Chan-jo Jun

(Bild: Gavin Karlmeier)

Transkript des Podcasts

Gavin: Hallo, Chan-jo:.

Chan-jo: Grüß dich, Gavin.

Gavin: Ich stelle dich kurz vor. Ich habe so lange darauf gewartet, das endlich sagen zu dürfen.

Chan-jo: Ich habe so lange darauf gewartet, dass du das mal sagst.

Gavin: Du bist Chan-jo Jun. Du bist Haus- und Hofanwalt von Haken dran. Du bist quasi unser juristischer Beistand. Und da bist du extrem gut drin, würde ich behaupten, weil das genau deine Themen sind. Ja, genau. Weil du da Erfahrung drin hast, weil du dich ja eigentlich mit all diesen Leuten, über die wir hier immer sprechen, schon angelegt hast, oder? Als Rechtsanwalt muss man das sagen.

Chan-jo: Ich habe dich und Dennis wahrscheinlich gezwungen, ab und zu auf X noch nachzugucken, weil ich dort dann die Fragen beantwortet habe, die Podcasts aufgeworfen haben, obwohl ihr da eigentlich nicht mehr sein wolltet.

Gavin: Ja, das ist wahr. Aber du hast doch eigentlich schon gegen alle relevanten Tech-Unternehmen einmal vor Gericht gestanden.

Chan-jo: Außer TikTok. Ich warte noch auf TikTok, aber das kommt bestimmt noch.

Gavin: Ja, ich glaube, das bietet sich jetzt in nächster Zeit an.

Chan-jo: Ja, Meta, Facebook, Twitter, X natürlich. Aber TikTok, Telegram haben wir auch noch nicht vor Gericht gehabt. Das hat noch keiner so richtig geschafft. Muss man vielleicht auch noch mal nachholen. Aber ja, das sind Anliegen. Aber da kommen wir bestimmt in die Details dazu, weil wir werden bestimmt darüber streiten, ob man das durchgehen lassen darf, dass die, die mehr Geld haben, einfach Rechte brechen. Das Thema hast du letzte Woche aufgeworfen. Und dann würde ich gern was dazu sagen.

Gavin: Ja, sag das doch gerne mal, weil ich finde, dass es übrigens... Genau, wir haben ja in der Folge von Freitag mit Casta Maria Müller genau diese Diskussion gehabt. Und sie und ich, wir waren uns da nicht ganz einig. Und viele Hörerinnen und Hörer haben ja auch auf diesen Punkt geantwortet, nämlich auf die Frage, ist es eigentlich legitim, dass es Unternehmen gibt, die sich irgendwie ein Konto einrichten, dass sie irgendwelche Milliarden zurücklegen, weil sie genau wissen, dass wir nächstes Jahr machen, dass wir teuer werden vor Gericht, aber wir machen es, sollten es deswegen nicht lassen.

Chan-jo: Ja, es war eigentlich ganz toll. Du hast gesagt, das ist eine moralische Frage. Dann war es so, ja, sonst muss sich jeder selbst überlegen. Und ich sagte dann, ja, ich habe es mir überlegt, ob man da überall unterschreiben kann. Und als Jurist, ich war beim Joggen, als ich das gehört habe, ich bin stehengeblieben und ich sagte, ah nein, das darf doch nicht sein. Wobei es ist ein Fehlverhalten nicht von den Leuten, die da arbeiten, sondern vom Staat, von den Regulierern, denn die müssen dafür sorgen, dass es teurer ist, dass diese Rücklagen so hoch sind, dass es sich nicht lohnen kann, einfach das Gesetz zu brechen.

Und da sind wir genau beim Thema. Früher war es so, dass sich Unternehmen orientiert haben, was die Regeln sind, und dann halten wir uns so gut wie möglich daran, ohne dass wir jetzt mal nachrechnen, was kostet das denn, wenn wir uns nicht dran halten, vielleicht lohnt es sich. Aber wir wissen ja von Meta, die sagen, wir haben analysiert, in welchen Ländern Holocaust-Leugnung strafbar ist, und wir unterbinden es nur in den Ländern, wo es auch wirklich verfolgt wird. Wenn es woanders strafbar, aber nicht verfolgt wird, ist es uns egal.

Und genauso geht Meta vor, aber noch viel mehr natürlich, X und Twitter. Das heißt, die überlegen sich, was kann ich mir erlauben und ignorieren erst mal das geschriebene Gesetz. Und wir haben von Seiten des Rechtsstaats einfach viel zu lange naiv zugeschaut und nicht realisiert, dass das das Geschäftsmodell ist. Also kann man das eigentlich übersehen. Und entweder macht man es wie bei der DSGVO und auch beim Digital Services Act, dass man die Bußgelder hochsetzt, oder man muss halt natürlich, nee, nicht zusätzlich, man muss natürlich auch flächendeckend regulieren. Und die merken natürlich, dass bestimmte Rechtsverletzungen einfach nicht verfolgt werden. Und die User merken das auch, dass sie nicht verfolgt werden, weil die Pflicht schlicht ignoriert wird.

Gavin: Ja, ich frage mich so ein bisschen, weil diese Diskussion ist ja eigentlich nicht nur eine moralische, also auch vor allem eine moralische, aber in so einem großen Bild gedacht, hängt da auch immer so der Vorwurf der Technologiefeindlichkeit dran, dass man so sagt, also, weißt du, was ich meine, das ist so der Vorwurf, gegen den man sich dann stemmen muss, wenn man sagen muss, das muss schärfer reguliert werden. Dann kommt als Antwort immer, ja, aber dann trauen sich die großen Unternehmen ja gar nicht mehr.

Chan-jo: Das hattet ihr am Freitag aufgebracht, weil ihr habt es als Abwägung aufgebracht, aber ihr sagt, na ja, beim Datenschutz, das kam ein bisschen später als Thema, da sagte ihr, wie viel Datenschutz brauchen wir, und wenn wir Datenschutz machen, dann ist das gegen die Offenheit, die Progression, gegen „move fast and break things“ natürlich.

Und das ist so schade, weil man immer so tut, als wäre das Recht ein Hinderungsgrund, als stünde das Recht im Weg gegen Innovation. Und ja, das kann manchmal so sein, aber jetzt wird es ein bisschen sehr philosophisch, wenn wir sagen, ohne das Recht kommen wir überhaupt nicht weiter und würden sich einfach alle an das Recht halten, dann hätte man auch keinen Vorsprung, wenn man sich nicht dran hält. Dann ist dann ein Nachteil. Und dann müssen wir hinkommen.

Gavin: Ja, und was so diesen philosophischen Aspekt angeht, ich versuche, mich dem während ich spreche, in Gedanken zu nähern. Es gibt ja eigentlich diesen Grundsatz, den du besser kennst als ich, dass es Gesetze eigentlich immer nur an dem Punkt gibt, an dem es ohne Gesetze nicht funktionieren würde. Also, dass eigentlich in der Theorie ein Gesetz idealerweise ja immer nur dann entsteht, wenn es wirklich nötig ist, nicht aber vorausgesetzt einen Gehorsam.

Chan-jo: Man könnte auch sagen, es gibt ja Gesetzmäßigkeiten der Massen und gerade in Social Media gibt es Gesetzmäßigkeiten und jetzt muss man sich überlegen, sind die gut? In den meisten Fällen sind sie nicht gut, dass sich der Stärkere, der Lautere durchsetzt, dass die Algorithmen das pushen, was sauer macht, was Emotionen erregt und eben oft auch illegal ist.

Und deswegen brauchen wir einen starken Staat an der Stelle, das klingt so konservativ, aber es braucht tatsächlich ein Regulativ da drin. Wir können nicht einfach sagen, wir lassen das Ding laufen, weil dann haben wir das, was wir haben, dann haben wir genau das, nämlich dass sich der Stärkere, der Lautere durchsetzt und die anderen sich verkrümeln.

Gavin: Aber das hat mit Technologiefeindlichkeit am Ende ja nicht zu tun, wenn man eher einen Wettbewerb schafft.

Chan-jo: Dankeschön, genau. Das ist nicht technologiefreundlich, wenn wir ein totalitäres, anarchistisches System haben, wo sich nur die mit dem meisten Geld und den besten Morddrohungen und dem dicksten Fell durchsetzen können. Das kann nicht die Demokratie sein. Die Demokratie lebt ja nicht davon, dass sich die Stärksten durchsetzen. Das ist immer so ein Missverständnis, sondern die Demokratie per Prinzip zeigt ja gerade, dass die Schwächeren geschützt werden, dass es eine Balance der verschiedenen Interessen gibt.

Die Mehrheitsabstimmung ist nur ein Teil davon und die Menschen, die sich verstanden von den Leuten, die sagen, wir sind laut, wir sind das Volk, wir wollen uns durchsetzen und alles andere beiseite trampeln.

Gavin: Was mich in den letzten Wochen so doll beschäftigt, weil es ja so mehrere Fälle von gab, ist diese Tech-Unternehmen, also Microsoft in Form von LinkedIn oder Meta, die sogar in der Summe von 1,4 Milliarden Dollar. Also dass Tech-Unternehmen, wenn sie so merken, okay, wir können hier vor Gericht nichts mehr reißen, aber dass sie einem Vergleich zustimmen, damit es das Verfahren nicht gibt. Sie eine Summe bezahlen und am Ende aber sagen können, na ja, unsere Schuld wurde ja nie bewiesen, wir haben alles richtig gemacht.

Chan-jo: Ja, macht Sinn, ne? Also als Unternehmensberater könnte man sagen, genau richtig gemacht, genau abwägen, wie viel lässt man zu, wenn es schlimm wird, vergleicht man sich irgendwo. Und die anderen Sachen lässt man so durchlaufen. Und die andere Seite des Rechtversuchs durchzusetzen, denen geht die Puste irgendwann aus. Diejenigen, die angefangen hatten, mit Facebook vor Gericht zu streiten, haben sie noch auf dem falschen Fuß erwischt. Da wussten die nicht, dass es in Deutschland Gesetze gibt und dass die ganz anders sind. Da kam Mark Zuckerberg nach Berlin zum Townhall-Meeting und versuchte das zu erklären und zu beschwichtigen mit so Roundtables.

Mittlerweile haben sie die Rechtsabteilungen. Und hast du es ja auch selbst erlebt? Die sind clever, die wissen ganz genau, die analysieren das. Und der Gesetzgeber rennt immer hinterher. Vielleicht ist die Kommission diesmal schlauer mit dem DSA, das haben die so noch nicht ganz ausgestanden. Da könnte es vielleicht zum ersten Mal sein, dass da jetzt mal eine Power dahintersteht, die denen wirklich auch Einhalt gebieten kann. Aber ich bin mir noch nicht sicher.

Gavin: Aber müsste man nicht, wenn du sagst, wir brauchen einen starken Staat, starke Regulierer und so, ist es dann nicht eigentlich total kontraproduktiv zu sagen, wir stimmen dem Vergleich als Staat zu, auch wenn das jetzt hier im Fall von Texas zum Beispiel wie bei Meta 1,4 Milliarden Dollar einbringt und die größte Zahlung eines Unternehmens an einen Staat überhaupt in so einem Vergleich? Oder wäre es nicht viel geschickter zu sagen, dass es bis zum Ende geht, um auch der Welt zu zeigen, hier hat es einen Rechtsverstoß gegeben? Weil eine Vergleichszahlung bedeutet ja nur, es gab keinen Prozess, keiner ist schuldig am Ende, oder?

Chan-jo: Also ich glaube, bei 1,4 Milliarden würde ich sagen, okay, das hat auch ein Zeichen gesetzt. Schlimm ist es, wenn die Sachen viel billiger eingestellt werden. Also insofern, die Sachen werden verfolgt. Wenn sie mit einem Vergleich am Schluss enden und der Vergleich wirklich auch ein Zeichen setzt, kann ich damit auch ganz gut leben.

Schlimm ist aber, dass ganz viele Sachen gar nicht verfolgt werden, weil sie nicht die Kapazitäten haben. Allein das, was du am Freitag diskutiert hast, mit diesen 48 Stunden, was ist das für ein Wahnsinn, dass Fälle nach 48 Stunden einfach von selbst geschlossen werden? Das ist ein systematisches Versagen. Da müsste man im Grunde genommen sagen, wenn ihr diese Regel auch nur einen Tag länger habt, muss jeder Tag davon 500 Millionen Euro kosten, weil so eine Regel darf man nicht etablieren. Fälle, die nach 48 Stunden offen sind, müssen automatisch sich auf die Seite des Users legen und nicht auf die andere Seite.

Und irgendjemand hat das ja so ausgedacht, wenn es das wirklich gab, dass man sagt, oftmals nach 48, wenn wir nicht reagiert haben, wird das Ding einfach geschlossen. Was für ein Wahnsinn. Und da sieht man einfach, das System hat systematische Schwächen. Früher gab es im Netzwerkdurchsetzungsgesetz Bußgeldtatbestände bei so einem systematischen Versagen bis zu 50 Millionen Bußgeld. Jetzt gibt es das nicht mehr. Jetzt sortieren wir das alles nochmal neu und dadurch bilden sich ganz viele Schlupflöcher.

Gavin: Das verstehe ich. Zu dieser Höhe der Strafzahlungen, weil das so abstrakt ist, auch so um 1,4 Milliarden und so. Man kann das ja auf sich selber ummünzen und kann es überlegen, du hast jedes Mal diese Kosten-Nutzen-Abwägung, wenn du einen Blitzer siehst. Wenn du dir überlegst, okay, da ist jetzt ein Blitzer, fahre ich jetzt 10 km/h zu schnell, kostet mich das 20, 30 Euro oder so, naja, du kriegst 30 Euro, dann fahre ich da halt durch. Also solange du halt nach meinem Ermessen, mein dem Rechtsempfinden sagt, solange alle dasselbe zahlen, ist es nicht gerecht, weil nicht alle dieselben Möglichkeiten haben.

Chan-jo: Es ist ja so eine spieltheoretische Formel im Grunde, um wie oft wird man erwischt, wie viel wird kontrolliert. Wenn man selten erwischt wird, dann muss die Strafe entsprechend höher sein, damit derjenige, der sich überlegt, ob er den Verstoß begeht, kalkulieren muss mit einem höheren Eintrittsrisiko.

Weil auf der anderen Seite sind eben auch Unternehmensberater, Mathematiker, die sich das durchrechnen. Wenn sie sagen, okay, wir werden nur jedes hundertste Mal erwischt, aber es kostet dann tausendmal so viel, wie wenn wir es einfach durchlaufen lassen, danach richtet man sich aus, ob man das bezahlt oder nicht, ob man eine Haftpflichtversicherung überlegt, prüfen wir die kleinen Fälle oder bei einem Kundensupport, der sich sagt, wir ignorieren die Leute, weil die klagen ja nicht. Wir ignorieren sie einfach, das ist immer noch billiger, und wir reagieren erst dann, wenn ein Anwalt oder ein Gericht oder irgendwie die nächste Instanz dort tätig wird.

Das ist für mich mal sehr lässig, weil ich schreibe den Leuten als Privatperson, und danach das Gleiche nochmal als Anwalt, dann kriege ich, was ich haben will. Das ist zwar irgendwie befriedigend, aber dann wiederum total frustrierend. Warum muss man erst dieses Theater machen, könnt ihr nicht gleich auf die Argumente reagieren? Und so funktioniert es im Social Media. Also jetzt mal ein bisschen abgekommen.

Gavin: Das ist schon in Ordnung, das ist ja unser Podcast.

Chan-jo: Es geht sogar über einen Podcast. Ich bin es beim Video so gewohnt, dass die Leute ja nach drei Minuten nicht mehr zuhören, also fällt ja so die Zuhörer, die hören alle bis zum Ende.

Gavin: Also bei „Haken dran“ hast du eine wahnsinnig hohe Durchhörquote. Also auch im Vergleich zu vielen anderen Podcasts, sehr erstaunlich. Und das, obwohl wir ja dreimal die Woche und teilweise inzwischen eine Durchschnittslänge von einer Stunde haben, würde ich sagen.

Chan-jo: Das heißt, wir können jetzt totquatschen. Wir können jetzt über Belanglosigkeiten reden. Und dann hören trotzdem zu, weil sie beim Gassi gehen, keinen anderen Podcast dabei haben.

Gavin: Sie hören zu, werden wir das nachher dich aber wissen lassen, dass wir uns ein bisschen verquatscht haben.

Chan-jo: Ist okay, nicht die Spotify-Kommentare angucken.

Gavin: Wobei ich die ja noch händisch freischalten muss.

Chan-jo: Ach so, dann schalten nur die netten frei.

Gavin: Es gab übrigens ein paar Fragen aus der Community an dich.

Chan-jo: Von Discord. Ich habe gestern geschaut, ob da was drin war. Ich habe den richtigen Kanal wahrscheinlich nicht gefunden.

Gavin: Genau, aber es gab ein paar. Und eine der Fragen war, ist der größte Unterschied zwischen online und offline Unternehmen oder Verstößen, dass man online Verstöße viel schlechter verfolgen kann oder anders gesagt Gesetze, die vor allem online stattfinden, viel schlechter durchsetzen kann als offline?

Chan-jo: Puh, das ist eine schlimme Frage. Also das setzt man erst mal voraus, die Annahme, dass es tatsächlich schlechter funktioniert und dann die Frage, warum ist das eigentlich so?

Ich glaube, ein Punkt ist die Internationalität. Wir haben es online damit zu tun, dass wir mit Unternehmen zu tun haben, die aus einem anderen Rechtssystem kommen. Allerdings, wir haben diese Internationalität auch bei Amazon. Und wenn wir uns anschauen, wie gut hält sich Amazon eigentlich an Fernabsatzverbraucherrechte? Ziemlich gut.

Warum eigentlich schafft es Amazon bei Verbraucherrechten jede nationale Rechtsprechung und Gesetzgebung einzuhalten und Meta sagt, oh, das geht nicht, Datenschutz ist ja überall unterschiedlich. Natürlich, die werden das argumentieren, ja, die Plattform hat einheitliche Regelungen, wir können ja keine Grenzen setzen, weil die Meinungsäußerungen so international sind. Aber in Wirklichkeit sehen wir, sie kümmern sich nicht drum und jetzt kommt die eigentliche Antwort, weil wir schlecht sind, es durchzusetzen. Weil wir im Grunde genommen für ganz Deutschland nur zwei Radarfallen haben.

Wenn wir mal bei deinem Beispiel mit den Verkehrsüberwachungen bleiben, wir haben eine Internetwache pro Bundesland. Ungefähr so, als hätten wir eine Polizeidienststelle für Verkehrsverstöße und das für das ganze Bundesland. Und auch personell ist das einfach die Größenordnung. Wir kommen nicht nach, weil wir es nicht ernst nehmen.

Gavin: Ja, und weil die Leute, die da auch sitzen, und das ist also wahrscheinlich ein großes Vorurteil, aber leider auch wahr, das sind jetzt nicht die Leute, die sich seit Jahren im Internet rumsurfen und sich da auskennen. Also ich habe das Gefühl, wenn du mich eine halbe Stunde ins Internet lassen würdest, würde ich dir wahrscheinlich eine dreistellige Anzahl von Rechtsverstößen nach Hause bringen.

Und frage mich, warum machen das nicht alle anderen so? Also du musst ja nur auf einschlägige Websites gehen und findest Leute, die Straftaten gestehen. Du musst auf ganz normale soziale Netzwerke gehen und findest wahnsinnig viele, ich habe das hier schon mal erzählt, Werbungen für Telegram-Chats von Leuten, die dort Waffen verkaufen, Falschgeld verkaufen, getürkte Spiele in südamerikanischen Ländern als Sportwetten anpreisen.

Chan-jo: Ich kann sagen, warum das nicht aufgedeckt wird, weil keiner danach sucht. Die Behörden, die dafür zuständig sind, reagieren erst auf Anzeige. Kein Mensch ist unterwegs und betreibt eine Fahndung oder Bestreifung des Netzes. Was verrückt ist. Als würde man sagen, Geschwindigkeitsverstöße ahnden wir erst dann, wenn sie auffallen durch einen Unfall oder wenn irgendein Privat-Sheriff anzeigt. Aber selbst gucken, was da los ist, wo kommen wir da hin?

Das können wir ja gar nicht verarbeiten, weil dann passiert genau das, dann ist man in drei Stunden voll mit der Ermittlungskapazität für den ganzen Monat.

Gavin: Das heißt aber, man müsste eigentlich digital Streife fahren?

Chan-jo: Ja, natürlich. Das wissen eigentlich auch die Regierungen, dass das Polizeiaufgabengesetz entsprechend anzupassen ist. Die Innenminister zeigen auf die Justizminister, die Justizminister zeigen auf die Bundesjustiz oder runter auf die Landesjustizminister. Keiner will zuständig sein, weil sich keiner zuständig fühlen will für das Problem. Dann weinen wir alle, wenn irgendwas ganz, ganz schlimm schiefgeht, wenn jemand so lange gedoxt und drangsaliert wird, dass nur noch ein Suizid für die Person als Ausweg möglich erscheint. Und dann sind wir nachher ganz betroffen.

Ich komme jetzt gerade mit diesem Beispiel Kellermeier, weil ich habe gerade die Ermittlungsakte hier aus Wien und wir schlagen die Hände über dem Kopf zusammen, was da alles schiefgelaufen ist, aber dazu kommen wir noch. Also ich habe die Akte deswegen da, weil ich ja selbst Betroffener war und jetzt an mich Zeit wird zu entscheiden, ob man das Ding jetzt ergebnislos einstellt oder ob man noch einen Ermittlungsansatz sieht. Aber zurück zum Thema, wir haben da einen Missstand. Wir sehen die Sachen nicht und selbst wenn sie gemeldet werden, werden sie kaum verfolgt.

Gavin: Das Docking, was du gerade angesprochen hast, schließt genau eine andere Frage aus der Community an, wie du das sozusagen für dich selber sortierst. Also zum Beispiel, ob du viel Hetze erlebst in deinem Umfeld, ob du viel Hass online erlebst, dadurch, dass du diese Arbeit machst, auch Arbeit gegen Rechts machst. Also stellst du dich selber auch schon in die Öffentlichkeit, bei der Leute auch sagen könnten, das gefällt mir jetzt nicht, was er macht.

Chan-jo: Ja, das findet statt und ich trage es nicht in die Öffentlichkeit, jedenfalls meistens nicht konkret und zeitnah, weil ja natürlich die Leute, die mir mal wieder eine Morddrohung schicken, genau warten, ob ich darauf reagiere, ob es funktioniert, ob sie noch mehr davon brauchen. Und ja, das ist unfein, aber ich mache trotzdem weiter, wie man sieht. Ja, das gehört zum Business dazu. Also es ist leider so, aber ich denke mir bei solchen Sachen häufig, wie gut, dass ich nicht in der Politik bin, gut, dass ich nicht ein echtes, wichtiges öffentliches Amt habe. Das muss man sich wirklich gut überlegen. Das sollte man nicht machen, wenn man einen niedlichen Hund hat und noch am Main Gassi gehen will. Das ist schon krass und wir sehen ja immer wieder die Nachrichten von Kommunalpolitikern und anderen, die sagen, ich mache nicht mehr weiter und ganz, ganz viele gehen gar nicht erst rein. Also ich würde gar nicht erst in die Politik gehen.

Gavin: Ja, verstehe ich. Aber eine Frage habe ich noch, bevor wir jetzt in die Themen gehen. Wir haben noch Themen auf der Liste heute. Ich habe auch Themen auf der Liste heute, aber ich kann auch nochmal mit Ihnen notiert, aber erst mal die Frage. Ich kann stundenlang mit dir reden. Wie oft bringst du denn selber Dinge, wie Morddrohungen auf der einen Seite? Klar, aber auf der anderen Seite Dinge, bei denen du das Gefühl hast, da passiert jetzt gerade Unrecht, dass du siehst. Bringst du das dann selber zur Anzeige oder bist du jemand, der sagt, ich kann das nicht ertragen, dass so etwas passiert?

Chan-jo: Selten, tatsächlich selten. Ich twittere oft, ich sage mal noch Twitter dazu. So was, wie ich werde mal gefragt, ist das strafbar? Und wenn ich dann jedes Mal sage, ich mache die Strafanzeige, dann würde ich nichts anderes machen als Strafanzeigen schreiben. Ich schreibe mir manchmal dazu, okay, das würde eine Staatsanwaltschaft prüfen, wenn sie davon Kenntnis bekäme und den Wink verstehen meistens genug Leute und dann kümmert sich jemand anders darum.

Gavin: Also ich habe das, ich habe schon früher in Redaktionen, häufig in Redaktionen gearbeitet, bei denen ich dann immer auch darauf hingewiesen habe oder hingearbeitet habe, dass man doch zumindest so Dinge wie direkte Gewaltandrohungen oder auch Holocaust-Leugnung in den eigenen Kommentarspalten nicht einfach nur löschen muss, sondern dass man das tatsächlich auch zur Anzeige bringen kann, um auch einfach ein Zeichen für sich selbst zu setzen, empfinde ich so.

Chan-jo: Ja, absolut. Also dort, wo man selbst betroffen ist, dann ist man am nächsten dran, dann sollte man solche Sachen auch anzeigen. Es gibt manchmal auch interessante Anzeigen. Gut, manchmal werden wir als Anwälte auch beauftragt. Zum Beispiel gestern war die Nachricht, dass wir eine Anzeige in Thüringen gegen die Thüringer AfD-Spitze erstattet haben wegen der Werbung für Nationalsozialismus aufgrund eines Gedichts, welches selbst eigentlich ganz unverfänglich ist und aus dem 19. Jahrhundert stammt.

Und das ist eine interessante Rechtsfrage, die wir auch öffentlich diskutieren wollen, weil die Verschiebung des Fensters, des Overton-Fensters des Sagbaren, ist natürlich genau die Strategie, die betrieben wird. Und die Frage ist, wann der Staat eine Grenze aufzeigt und sagt, bis hier und nicht weiter. Und dazu muss man die Sachen an die Ermittlungsbehörden geben und ihnen auch argumentativ darlegen, warum das Unverfängliche vielleicht doch strafbar sein könnte oder sollte. Und das sind so Sachen, wo es tatsächlich darum geht, das Recht auch fortzubilden.

Gavin: Oh, das ist super spannend. Und du hast auch Themen mitgebracht, hast du gerade gesagt?

Chan-jo: Ja, im Grunde nur, ich habe mir die Folge von Freitag nochmal angehört und die Stellen nochmal herausgenommen, wo ich beim ersten Hören stehen geblieben bin und mir dann eine Notiz daraus gemacht. Aber ein paar von den Sachen haben wir schon abgearbeitet, also die moralische Frage, ob man sich für Geld über das Gesetz stellen darf. Und ganz klar nochmal, das darf nicht sein, wir müssen das teurer machen. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Rückstellungen so teuer sind, dass die Manager sich überlegen, vielleicht halten wir uns doch lieber ans Gesetz. Und das ist so meine Mission. Ich bin leider ziemlich alleine damit, weil für die Einhaltung von Gesetzen oder die Unantastbarkeit der Menschenwürde zu kämpfen, das hat keine Lobby.

Es gibt ganz viel Lobby und da kommen wir zum anderen Thema vom Freitag. Die Bundesliga, die Sportverbände, die regen sich über ihre Urheber- und Übertragungsrechte auf, weil die verletzt werden. Bei solchen Sachen ist immer Geld und Lobbyismus und Interessenverbände da. Da wird sowas angehalten und wir kennen das schon aus den Nullerjahren, als eBay zum ersten Mal irgendwelche Markenfälschungen verkauft hat. Das wurde ganz schnell eingestellt, weil da Geld dahinter ist. Aber Urheberrechtsverletzungen wurden auch gut auf Filesharing, Napster und so weiter verfolgt, du kennst dieses Zeug. Das wurde verfolgt, aber Verleumdungen, Falschnachrichten, Desinformationen werden nicht verfolgt, weil da kein industrielles Interesse dahinter steht. Und das ist schlimm, weil das eigentlich viel wichtiger ist, als ob jetzt Fußballrechte irgendwo im Netz stehen. Jedenfalls mir wäre das jetzt nicht so wichtig.

Gavin: Ja, deswegen steige ich direkt mal mit dem Thema ein, weil das führt uns gerade dahin. Du hast gerade Urheberrechte angesprochen und ich finde, dass die Frage des Urheberrechts und der Nutzungsrechte von Inhalten vermutlich, das sage ich jetzt als Rechtslaie, eine kulturelle Überarbeitung benötigt, wenn wir uns anschauen, wie gerade mit Urheberrechten auf der Welt gearbeitet wird. Denn es ist jetzt gerade eine Recherche veröffentlicht worden von VICE Media, die ich auch in die Show Notes packe, weil es ein wahnsinnig spannender Text ist. Es gibt wahnsinnig viele geleakte Slack-Nachrichten aus dem Hause Nvidia, dem größten Unternehmen für KI-Chips, die selber offenbar gerade an Modellen arbeiten und selber ein Tool starten möchten mit dem Namen OmniVerse, ein 3D-Weltgenerator. Und das Spannende ist, dass sie in dieser Recherche herausgearbeitet haben, dass Nvidia ein Scraping betreibt von etwa 80 Jahren an Videomaterial pro Tag. Das heißt, da wird ein Menschenleben, wie sie schreiben, an Videos jeden Tag in eine KI reingefüttert, damit diese trainiert werden kann.

Es sind wahnsinnig interessante Screenshots in diesem Artikel, der wie gesagt in den Show Notes ist, weil du so siehst, wie das Modell Figuren erstellt hat, als Anweisung erstelle einen Alien, der durch New York läuft und du siehst einfach, dass er offensichtlich von Gollum und Avatar trainiert wurde. Das heißt, auch Hollywoodfilme wurden ja verwendet. Es wurden aber auch YouTube-Videos verwendet und zwar 130 Millionen YouTube-Videos wurden hier verwendet, um die KI zu trainieren.

Also es gibt einen ganz großen Datensatz und das erste Mal auch, dass sie so ein bisschen tatsächlich Einblicke bekommen, was alles in so eine Video-KI hier gefüttert wird und genutzt wird, um sie zu trainieren. Und Nvidia selber sagt, aber das Urheberrecht schützt nur Ausdrücke, nicht aber Fakten, Ideen, Daten oder Informationen. Jedem steht es frei, sich Fakten, Daten oder Informationen aus einer anderen Quelle anzueignen und sie für eigene Äußerungen zu verwenden. Was eine wahnsinnig interessante Lesart ist, wenn es jedoch tatsächlich um produziertes Material geht, um Content, der genutzt wird.

Chan-jo: Das Trainieren mit allem, was verfügbar ist, ist im Augenblick legal. Deswegen sollten sie sich auch alle beeilen, bevor jemand da einen Riegel vorschiebt. Weil das Urheberrecht daran ansetzt, die Idee ist frei, das, was man menschlich wahrnehmen und dadurch lernen und dann später vielleicht reproduzieren kann, dass es zunächst einmal erlaubt. Man darf sich inspirieren lassen. Damals hat man nicht damit gerechnet, dass das Inspirierenlassen durch trainierte Modelle erfolgen wird und dass auf diese Weise natürlich eine Reproduktion stattfinden kann, dass das Urheberrecht umgangen werden kann. Übertragen wir das mal kurz auf Computerprogramme.

Du kannst Open-Source-Programme oder andere Software, die im Quelltext vorhanden ist, auch Closed-Source lesen, trainieren und einfach umschreiben lassen. Du kannst das Urheberrecht umgehen, indem du einfach sagst, ich habe doch nur die Inspiration genommen und daraus dann eine neue Ausprägungsform produziert, die dann wiederum keine Urheberrechtsverletzung darstellt. Und jetzt müssen wir überlegen, weil du hast die Frage aufgeworfen, wir brauchen eigentlich neues Urheberrecht. Wollen wir, dass es so weitergeht, dass alles frei ist oder brauchen wir ein strengeres Urheberrecht? Und da sind beide Möglichkeiten denkbar. Hast du eine Idee? Soll das verboten sein? Oder setzen wir woanders an?

Gavin: Ja, ich glaube, es ist eher eine kulturelle Frage. Denn ganz oft bin ich fast wieder bei diesem Rechtsgrundsatz, den ich eben schon reingeworfen habe, nämlich die Frage, wann braucht es schärfere Gesetze? Immer dann, wenn wir kulturell an eine Grenze stoßen, glaube ich. Die Frage ist, ist die kulturelle Grenze damit erreicht, dass wir sagen, okay, wir kommen nicht weiter, wir müssen das jetzt gesetzlich zum Beispiel verbieten?

Damit würdest du de facto fast Technologie einschränken, weil du sagst, wir können diese künstliche Intelligenz so, wie wir gerade aufgestellt sind, nicht nutzen, sondern wir müssen die KI aus sich selbst speisen lassen, was gerade noch nicht geht und so weiter. Oder aber müssen wir nicht eigentlich kulturell anders darauf schauen und müssen sagen, eigentlich ist alles, was in der Welt besteht, auch digital auslesbar und nutzbar. Also müssen wir nicht eigentlich nicht gesetzlich dagegen anarbeiten, sondern eben in unserem eigenen Gerechtigkeitsverständnis.

Chan-jo: Und wir kommen da an einen Punkt, an den ich ansetzen wollte aus der Freitagsfolge, nämlich als ihr darüber gesprochen habt. Ich glaube, für diese Folge muss man sich die Freitagsfolge nochmal anhören. Gute Gelegenheit.

Hast du ja sowieso gesagt, wir sollen mal in der Woche hören, um zu sehen, ob dann die Kommentare funktionieren. Ihr habt nach Freitag darüber gesprochen, dass die Meta-KI nichts wusste von dem Attentat auf Donald Trump. Und da ging es um die Frage, haben die sich eigentlich beim Trainieren beschränkt oder bei der Ausgabe? Und deshalb muss man wissen, eine KI kann an drei Stellen beschränkt werden. Das eine ist, was gebe ich ihr zu fressen? Das andere ist, welchen Prompt akzeptiere ich? Und das Letzte ist, welche Ausgabe akzeptiere ich? Dafür gibt es quasi mehrere verschiedene Prozesse.

Das heißt, wenn ich bei Midjourney reingebe, mache mir eine nackte Frau, dann fängt er mir das sofort schon auf der Ebene ab. Wenn ich aber sage, mache mir ein Instagram-Model am Strand und dann kommt was Nacktes raus, wird es später von der KI abgefangen. Aber in allen Fällen gibt es eine Constitutional AI, also ein Regelwerk, das bestimmte Ein- und Ausgaben verhindert. Und damit würde man Trumps Attentat, je nachdem, wie man es haben will, ob man es drin haben will oder nicht, falls es zu politisch ist, aber nicht abfangen, ohne dass man das Lernprogramm, ohne dass man das Training beschränken muss.

Denn wie du da auch schon richtig gesagt hast, die KI muss ja, um das überhaupt einordnen zu können, wissen, dass es politisch ist. Das bedeutet wahrscheinlich, dass ein Ansatz darin besteht, lass sie erst mal alles fressen und lernen, aber verbiete bestimmten Output. Das könnte funktionieren und das ist mir zum Beispiel immer noch wichtig, wenn eine KI Fake News produziert. Dürfen wir uns nicht damit abspeisen lassen, dass sie sagt, naja, wir sind ja nur ein Abbild des Internets, wir haben einfach nur den Bias übernommen, der schon da draußen ist. Nein, eine KI muss gesteuert werden.

Und jetzt bin ich wieder der Regulierer, der sagt, wir dürfen nicht zulassen, dass die KI das abbildet, was sie gerne ansonsten mit ihren Algorithmen ausspuckt, sondern sie braucht Regeln.

Gavin: Und jetzt sind wir da aber auf einer gesetzlichen Ebene und du sagst im Urheberrecht, es ist bislang gar nicht verboten, zum Beispiel YouTube komplett abzugreifen. Aber jetzt gibt es ja noch die Nutzungsrechte dieser Plattformen, die ja zum Beispiel das für sich selbst verbieten. Also YouTube hat das in den AGB stehen, dass es ein Verstoß wäre, Daten abzuziehen, um damit eine KI zu trainieren. Netflix, die auch hier groß abgezogen wurden, um die KI bei Nvidia zu trainieren, verbietet eigentlich Scraping in ihren AGBs. Und auch diese ganzen Datenpakete, die hier genutzt wurden, also diese Datensätze, die eigentlich aus akademischen Gründen bestehen, also zum Beispiel dieser YouTube-Datensatz und 130 Millionen Videos, selbst dieses Paket hat in der eigenen Nutzungslizenz stehen, dass das nur zur akademischen Verwendung vorgesehen ist.

Chan-jo: Und dann könnten wir sagen, dass wir solche Schranken zulassen oder nicht zulassen, in der Tat. Also jetzt habe ich dich unterbrochen, aber vielleicht beantworte ich die Frage, die du stellen wolltest, sonst musst du es noch mal sagen.

Also man könnte jetzt entweder sagen, prima, das ist ein Ansatz und wir kennen das Scraping-Problem ja auch vom Europäischen Gerichtshof, aus der Ryanair-Entscheidung, also darum ging es, ob eine Seite Ticketpreise von der Ryanair-Seite abscannen darf. Und dann sagt man, urheberrechtlich ist das erlaubt, aber die Nutzungsbedingungen der Ryanair-Seite müsste man auch noch mal anschauen. Also genau der Ansatz, gesetzlich zunächst einmal kein Verstoß, aber die Hausregeln der Seiten, wo man Scraping unterwegs ist, die könnten das verbieten. Aber man könnte natürlich auch sagen, du darfst es nicht verbieten. Du musst so etwas zulassen. Das Urheberrecht sieht ja an bestimmten Stellen zum Beispiel beim Zitatrecht oder bei Parodien, bei verschiedenen Kunstformen, Fair Use in Amerika, Schranken der Schranken vor.

Das bedeutet, dass bestimmte Sachen erlaubt sein müssen. Da könnten jetzt die einen sagen, ihr dürft den Datenschatz nicht verstecken, alles, was öffentlich zugänglich für Menschen ist, muss auch für eine KI zugänglich sein. Ich habe da jetzt keine definitive Meinung, das könnte eine Position sein, das zu liberalisieren, oder man kommerzialisiert das, indem man sagt, Zugriff kann gegen Lizenz begrenzt werden.

Gavin: Ich habe da auch keine finale Meinung zu. Ich glaube, ich bin auch nicht der Richtige, um eine Meinung zu haben am Ende. Aber abgesehen davon, als Kreativer sage ich, ich bin mir nicht sicher, ob das so... Also selbst da bin ich hin und her gerissen als Kreativer. Weil ich auf der einen Seite sage, es ist doch jedem selbst überlassen, ob er seine Daten jetzt weitergibt oder nicht oder eben auch benutzen lässt durch eine KI. Sollte man also durchaus ermöglichen, dieses Hausrecht einzuschränken. Auf der anderen Seite kann man als Kreativer auch mit einer gewissen Eitelkeit und einem gewissen Stolz auftreten und sagen, naja, das, was ich mir ausgedacht habe, das kann ich mir immer wieder ausdenken, weil keine Idee ist die Ultima-Ratio-Idee.

Auf der anderen Seite, also ich bin ja in der Lage, mir immer wieder neue Ideen auszudenken. Das ist, was ich sagen möchte. Und diese Eitelkeit, diesen Stolz, kann man sich durchaus erlauben und sagen, soll die KI das doch nehmen? Die Ideen werden nie so gut wie meine.

Chan-jo: Bis zu dem Punkt, wo die KI dann doch kreativ wird, weil sie ein bisschen mit Variationen würfelt und dann doch zu Sachen kommt, auf die man selbst gekommen wäre. Und dann fragt man sich als Kreativer wirklich, hätten wir das nicht früher verhindern müssen, hätte man nicht früher einen Schutz implementieren müssen?

Ich glaube, es ist nicht verkehrt, dass wir an dieser Stelle gar nicht sagen, so und so muss es sein, sondern einfach nur dafür sorgen, dass jeder sich eine Meinung bilden kann, und zwar auf einer informierten Grundlage, die zum Beispiel lautet: Urheberrechtlich ist das momentan erlaubt, aber der Gesetzgeber könnte das anders gestalten.

Also der Bayerische Justizminister läuft immer rum und sagt, das Urheberrecht steht gerade vor dem Ende mit KI, wenn wir nichts unternehmen. Also der möchte eine eher restriktivere Regelung. Und ich glaube, die meisten Leute wissen noch nicht, was es bedeutet. Deswegen ist es eigentlich auch okay, erst einmal neutral die Sachen zu präsentieren und zu sagen, überlegt euch, weil die Kreativen dürfen nicht glauben, dass sie in ihrer Kreativität einfach nur durch menschliche Überlegenheit immer geschützt werden.

Gavin: Ja, vielleicht ist das der richtige Satz zu meinem Stolz. Sorry.

Chan-jo: Also immer wenn man Leute hört, seid ihr erfüllt euch bedroht von KI, glauben die Leute, das was ich kann, das kann nur ich, wie zum Beispiel Juristen. Also alle außer Juristen wissen, dass Juristen ersetzbar sind. Wir Juristen glauben aber, nee, da braucht man ein sieben Jahre Studium und Intuition und das menschliche, die Emotionalität, aber ehrlich gesagt, die Emotionalität zu verstehen, was will der Mensch wirklich? Das kann die KI am Schluss besser als der Mensch, als jedenfalls der juristisch gebildete Mensch.

Also tatsächlich gibt es verschiedene Herausforderungen beim Anwaltsberuf. Die juristische Rechtslage zu ermitteln, das machen die Studenten und Referendare, also das braucht man auch nicht so viel Erfahrung. Aber zu verstehen, was der Mensch will, ist schwieriger. Aber das ist eigentlich die Stärke von Large Language Models, Kontext zu verstehen und rauszulesen, was ist eigentlich wirklich das, was den Menschen bedrückt. Will er gar nicht nur Geld haben, sondern nur gehört werden?

Gavin: Ich stelle mir das immer so vor, also ich bin ja irgendwie schon mehrfach heute wahrscheinlich durchschimmern lassen, kein Jurist. Aber ich stelle mir das immer so vor wie dieses Trolley-Problem, also dieses, du stehst an der Weiche am Zug und würdest du das eine Leben opfern, um vier zu retten. Das ist natürlich sehr groß, aber ich stelle mir die Arbeit vor Gericht ehrlicherweise immer so vor. Abwägung, Entscheidung. Ja, weil ich habe das Gefühl, Dinge, in denen die Rechtslage klar ist, da bräuchte es wahrscheinlich wirklich keine Menschen mehr. Also jemand, der jetzt vor versammelter Mannschaft jemand anderem eine Ohrfeige gegeben hat und der andere zeigt ihn an wegen Körperverletzung. Da ist in meinem Blick die Sache klar.

Chan-jo: Ja, Gavin, sorry, muss ich leider enttäuschen. Die meisten Fälle sind auch klar, wie zum Beispiel, wenn Meta sich weigert, KI-generierte Revenge Porn von Leuten zu löschen, wo die Sache doch eigentlich klar ist und trotzdem brauchen die den Oversight Board und trotzdem wird das Ding erst vor Gerichten verhandelt. Also wenn man sich dagegen wehrt, ist das total frustrierend, weil Leute kommen zu mir und sagen, guck mal, das wird hier über mich verbreitet, behauptet, ist das nicht illegal? Ich sage, na klar ist das illegal, da brauchen wir keine fünf Minuten zu nachzudenken. Aber um die Illegalität festzustellen, musst du bitte 10.000 Euro mitbringen, um Facebook durch alle Instanzen zu verklagen. Wenn du das Geld nicht hast, sorry, dann hilft dir dein Recht leider nicht. Das ist frustrierend.

Also und so sieht es natürlich auch bei Gericht aus, dass dort Fälle manchmal aufkommen, die eigentlich klar wären und schnell zu entscheiden sind, aber eine Seite ist halt nicht bereit, das Recht zu akzeptieren. Wenn du eine Elon Musk auf der anderen Seite hast, geht es nicht darum, dass er das Recht nicht verstanden hat, sondern einfach zur Seite ist es mir egal.

Gavin: Ist das eine Werbung für Rechtsschutzversicherung?

Chan-jo: Es ist eine Werbung, also tatsächlich, wie du richtig erkannt hast, man muss Geld haben, um das Recht durchzusetzen. Was das Problem ist, die Rechtsschutzversicherung bezahlt diese Prozesse auch nicht mit den tatsächlichen Kosten, denn die würden meine Stundensätze nicht bezahlen. Diejenigen, die zum Beispiel sehr viel vor Gericht sind, nämlich diejenigen, die gelöscht wurden und ihre Accounts wiederherstellen wollen, diejenigen, die vielleicht auch mit Hetze ihr Geschäftsmodell betreiben, die haben in der Regel auch das Geld, teure Kanzleien mit den 10.000 Euro zu bezahlen, während die Rechtsschutzversicherung sagt, wir bezahlen davon nur 1.000 Euro. Sorry, das ist ja nur eine Kleinigkeit.

Gavin: Ja, ich verstehe.

Chan-jo: Da sind wir jetzt nicht nur in Plattformen, sondern auch bei den Beteiligten in der Situation, dass sich manche Leute das Recht leisten können und damit auch leisten können, am Meinungsdiskurs teilzunehmen oder nicht. Manche Leute können sich eben leisten, auch mal daneben zu hauen und dann mit einem Prozess Meta, Twitter oder wen auch immer dazu zu bringen, den Account wieder freizuschalten. Denn das haben wir nämlich auch, denn Meta gibt dort nach, wo es unter Druck gesetzt wird. Also wenn dann jemand kommt mit einer großen Klage und sagt, ich prozesse das durch, dann schalten die auch Accounts wieder frei, die vielleicht gar nicht unbedingt freigeschaltet werden müssten. Also eine Geldfrage, das ist unromantisch und frustrierend mal wieder.

Gavin: Aber es ist so die Nachrichtenlage heute. Als hätten wir es uns gewünscht, wenn du hier bist, dass wir so Geschichten haben, von denen man von Hölzken auf Stöcksken kommt und das Ganze in deinem Sinne. Denn in den USA hat Google einen wichtigen Prozess verloren, in dem es ums Kartellrecht geht und dabei wurde Google als Monopol festgelegt. Also ein Richter in Washington hat geurteilt, dass Google ein Monopol im Bereich der Suchmaschinen hat und bislang auch wie ein Monopolist gehandelt habe, um dieses Monopol zu bewahren. Und es wird jetzt vermutet, dass das Konsequenzen haben könnte für die weitere Durchsetzung der Arbeit, die Google so macht, aber nur im Bereich der Suchmaschinen, nicht etwa im Bereich der Werbeplatzierung.

Interessant ist nämlich der Auslöser. Es geht hier um die Exklusivverträge, die Google mit Handyherstellern hat, wie zum Beispiel Apple oder Samsung. Also Google hat 2023 26 Milliarden Dollar gezahlt, um die vorausgewählte Suchmaschine in Webbrowsern zu sein und davon eben offenbar den größten Teil an Apple. Und es sieht ganz danach aus, als wäre das auf Dauer kein mögliches Modell für Google. Das können Sie so rechtlich nicht durchziehen.

Interessant finde ich daran, aber um meine Einschätzung direkt mitzugeben, dass das in den USA passiert, weil solche ähnlichen Verfahren wir ja eigentlich eher vom DMA, dem Digital Markets Act, in der EU kennen, um eben dieses Wettbewerbsrecht irgendwie in den Griff zu bekommen.

Chan-jo: Also erstaunlich und schön, dass da nicht mehr was passiert. Kartellrecht ist so etwas, diese Nachrichten kommen immer so überraschend und groß, weil man sie nicht kommen sieht. Und dann kommt da die Nachricht, die EU oder Amerika hat im Kartellrecht mal wieder zugeschlagen, weil es da Behörden gibt, die dafür zuständig sind, das zu überwachen. Solche Behörden sollten wir auch bei anderen Themen haben, systematische Bekämpfung von Fake News zum Beispiel, aber es gibt sie nicht.

Also da sind wir im Kartellrecht noch besser aufgestellt. Und das Google-Problem ist größer, als wir denken. Also man fängt an mit den Suchmaschinen, wo es offenkundig ist. Bei den Handybetriebssystemen haben wir genau das Gleiche. Android steht ja unter der Android Open Source Lizenz, aber Google hat trotzdem ein ziemlich starkes Händchen drauf, um durchzusetzen, dass die Handys, die mit Android rauskommen, natürlich auch alle den Google-Lizenzvertrag haben und all die Google-Apps drauf haben. Und diejenigen, die versuchen, ein Android mal ohne Google zu betreiben, stellen dann doch fest, dass die Betriebssysteme ziemlich viele Google-Lizenzen haben, die man eben nicht ganz frei benutzen kann. Also es ist wahnsinnig schwer oder fast unmöglich, ohne Zustimmung von Google ein Handy rauszubringen, also ein Handybetriebssystem.

Gavin: Merrick Garland, das ist der Justizminister in den USA, der hat gesagt, dieser Beschluss des Gerichts sei ein historischer Sieg für das amerikanische Volk. Ist es nicht, geht es nicht noch mal kleiner, habe ich mich da gefragt. Ist es so, dass das Suchmaschinenmonopol, dass das, also dass jetzt viel verändern wird, dass das Gericht das festgestellt hat?

Chan-jo: Also irgendwie, ich benutze Google und ich fühle mich damit nicht verschandelt, ich bin nicht zu naiv und habe mich schon damit abgefunden. Ich sehe irgendwie schlimmere Kartelle als das der Suchmaschinen, aber vielleicht hat uns Amerika gerade gerettet und wir wissen es nur nicht zu schätzen. Aber was wir auch sehen daran an dieser pathetischen Formel, Politiker brauchen einen Anreiz, um mit etwas zu glänzen. Und einen großen in die Knie zu zwingen, lohnt sich immer, das habe ich auch gemacht, schafft viel Publicity. Das Thema Fake News zu bekämpfen, ist eines, mit dem man keinen Blumentopf gewinnt, weil du meistens genauso viele Leute hast, die die Fake News verteidigen wollen, wie diejenigen, die sich freuen, dass sie begrenzt werden.

Deswegen lassen die Leute die Finger davon, so wie Dorothee Bär, erinnerst du dich noch, die CSU-Digitalisierungsministerin, die wollte ja gegen Fake News mal vorgehen und die hat sofort den Schwanz eingezogen, nachdem sie eigentlich ein Bundesamt und eine Bundesstelle dafür einrichten wollte gegen Desinformation, da traut sich keiner ran, das sind unpopuläre Themen. Du kriegst nämlich den Ärger von zwei Seiten, du kriegst den Ärger sowohl von den Leuten, die von Fake News und Hetze leben, als auch von denen, die meinen, dass dadurch die Meinungsfreiheit sehr eingeschränkt wird. Das heißt, du hast nur eine relativ kleine Lobby auf deiner Seite und kein Geld. Deswegen wird das Problem nicht gelöst.

Gavin: Google hat übrigens eine ganz interessante Lesart, die gehen zwar gegen die Entscheidung in Berufung, sagen aber, dass das Urteil eigentlich zeigt, dass Google die beste Suchmaschine der Welt ist, aber dass man leider nicht die Erlaubnis hat, diese leicht zugänglich zu machen.

Chan-jo: Also als wäre das ein Argument für ein Kartell zu sagen, aber wir sind gut, weil wir sind immerhin der größte. Wenn wir der größte sind, dürfte man uns nicht verbieten. Ja. Okay, der Zirkelschluss ist offenkundig.

Gavin: Ich finde das brillant, dass aber da offenbar ein PR-Team sich überlegt hat, wie können wir diese Entscheidung, die vom Justizminister als historischer Sieg des Landes gefeiert wird, so uminterpretieren, dass es eigentlich für uns das Gute ist? Und gar nicht schlecht gemacht, oder?

Chan-jo: Ja. Also zu sagen, wir sind gut, lasst uns in Ruhe, kann man auch so sehen. Ich finde auch. Weil der Maßstab, wofür Kartelle und Begrenzungen da sind, darauf geht man gar nicht ein. Warum sollte man auch, weil da würde man ja verlieren. Also kannst dich nicht verteidigen mit dem, womit du dich vor Gericht verteidigst, so sagen, wir sind gar nicht so gefährlich, sondern du nimmst einfach irgendwas anderes, das so argumentiert von heutzutage.

Chan-jo: Derailing heißt es dann.

Gavin: Ich habe noch ein Rechtsthema heute. Du hast die Folge quasi gebacken. Die EU hat das erste Mal ein DSA-Verfahren, wie sie selber sagen, abgeschlossen. Da würde ich gleich mit dir darüber diskutieren, ob das tatsächlich so ist. Denn TikTok, das Unternehmen, das sich noch nicht von dir verklagen ließ, hat sich verpflichtet, das TikTok Light-Programm aus der EU zurückzuziehen. Und wir haben darüber gesprochen, es gibt ein paar Länder, Frankreich, Italien gehören dazu, in denen TikTok Light eingeführt wurde. TikTok Light war ein Tool, bei dem du TikTok-Videos guckst und dafür mit Rewards, also mit so Punkten belohnt wirst. Diese Punkte konntest du in de facto Geld umwandeln, also Amazon-Gutscheine zum Beispiel.

Und sie haben dieses Modell angekündigt, kurz nachdem die EU das DSA-Verfahren wegen TikTok, wegen Kindesvorgefährdung eingeleitet hat oder Sorge, dass es eben Suchtmittel oder Suchtförderung durch TikTok geben könnte.

Jetzt hat TikTok gesagt, okay, wir werden dieses Ding hier einstellen, woraufhin die EU die Untersuchung dieses Tools TikTok Light jetzt eingestellt hat. Thierry Breton, der Binnenmarkt-Kommissar der EU, sagt, die verfügbare Gehirnzeit junger Europäer ist keine Währung für soziale Medien und wird es nie sein. Wir haben erreicht, dass das TikTok Light Belohnungsprogramm, das sehr süchtig machende Folgen hätte haben können, dauerhaft eingestellt wurde.

Chan-jo: Tja, wir haben das Grundproblem damit nicht gelöst. Eigentlich ist Thierry Breton am Anfang des Jahres losgerannt und sagte, guck mal, wir haben jetzt eine Untersuchung eingeleitet wegen des Suchtpotentials, wegen der Algorithmen. Jetzt sieht es so ein bisschen so aus, als hätte er dort nichts erreicht, aber wenigstens Schlimmeres mit dem Light-Programm verhindert.

Denn das war noch gar nicht unser Problem, das Light-Problem, das ist noch gar nicht da. Wir haben ja ein anderes TikTok-Problem, das sie erkannt haben und es freut mich, hat er sich abspeisen lassen. Was wird aus dem Problem, mit dem die Untersuchung eigentlich eingeleitet wurde? Ist die jetzt auch tot? Ist das jetzt hier der faule Kompromiss? Weißt du das genauer, was aus dem Ursprungsthema wurde?

Gavin: Nein, das kann ich dir nicht sagen. Also es gibt offenbar ja auch mehrere öffentliche Verfahren gegen TikTok. Ich möchte nicht ausschließen, dass das am 22. April öffentliche Verfahren gegen TikTok Light nicht dasselbe Verfahren ist, das das Algorithmusverfahren war.

Chan-jo: Es könnte sein, dass noch anderes läuft. Und er arbeitet hier eins nach dem anderen ab. Ich habe von ihm gesagt, ich bin noch nicht sicher, ob das Rennen schon, also ob das nicht doch noch was wird, weil die EU-Kommission hat mehr Wumms, die hat die Zuständigkeit für die Very Large Online-Plattforms, die sind also nicht mehr in nationaler Hand, sondern da kümmert sich die Kommission drum. Und von allem, was ich so höre, auch von deutschen Behörden, da sind Leute, die kapieren zumindest ein Problem, die sind ausreichend ausgestattet und die könnten jetzt zum ersten Mal wirklich einem Herrn Musk auch mal klarmachen, Leute oder lieber Elon. Die Gesetze sind hier nicht zur Zierde da, die müssen wirklich eingehalten werden und ansonsten kostet es 4 Prozent vom Jahresumsatz.

Wir warten auf den Moment, wo man sagt, komm mir nicht mit dem Quatsch mit 48 Stunden. Also hier ist ein ganzer Katalog an Quatschregeln, die ihr euch erlaubt habt, rauszunehmen, die aber ganz offenkundig systematisch gegen Gesetze verstoßen. Ich warte aber noch sehnsüchtig darauf und wir sehen so ein bisschen, in welchen Bereichen man zuerst durchkommt.

Jetzt kommen wir ein bisschen vom Thema ab und ich hoffe, dass es jemanden interessiert. Wenn ich mit deutschen Regulierungsbehörden spreche, dann sehen die zum Beispiel, dass die Unternehmen unterschiedlich kooperativ sind. Und jetzt kommt die große Überraschung. Was glaubst du, Gavin:? Welches Unternehmen ist am kooperativsten, die Sachen zu entfernen, die von Behörden gemeldet werden?

Gavin: Soll ich raten? Ich würde behaupten, dass es inzwischen Meta ist.

Chan-jo: Und es ist nicht Meta, sondern X.

Gavin: Oha.

Chan-jo: So, Meta hat Mitarbeiter, die die Sachen prüfen und sagen, da gebe ich euch recht, da gebe ich euch nicht recht. X löscht einfach alles. Und das steht jetzt natürlich im krassen Widerspruch zu dem, was User erleben, deswegen vorausgeschickt. Das geht nur für die Meldungen, die wegen Jugendschutz von deutschen Behörden kommen. Das Zeug löschen die. Aber sobald sie Beifang haben und sagen, hier haben wir noch ein bisschen Holocaust-Leugnung, dann sagt X dafür, dass sie nicht zuständig sind. Das darf nicht stehen. Das wäre illegal, aber es geht euch nichts an, also lassen wir es stehen.

Das heißt, das, was sie machen, das, was wir uns hier erzogen haben, ist: X hat keine Kapazitäten. Wir wissen, die haben ja ihre Moderationsteams rausgeworfen. Also überlegen die sich eher betriebswirtschaftlich, wie reagieren wir? Naja, wenn eine Behörde zuständig ist für etwas und uns hässlich kommen kann, dann löschen wir einfach alles ohne jegliche Prüfung. Und Meta prüft die Sachen genauer. Deshalb sind die für Jugendschutzbehörden sogar schwieriger, weil man mit denen diskutieren muss.

Das kann ich glauben. Ich habe das auf X neu gebracht. Die sagen, alles Lüge und so weiter, weil natürlich das Erleben ein anderes ist. Auch natürlich das öffentliche Auftreten, weil ihr nochmal sagt, ja, wenn du hier gekanzelt wirst, dann zahlen wir deine Kosten. Aber in Wirklichkeit sind die total angepasst, wenn es um Behörden geht. Dummerweise nicht für Falschnachrichten.

Gavin: Ja, was aber so ein bisschen auch in das Bild passt, das Elon Musk ja auch so auf öffentlicher Bühne zeichnet, dass er sich ja selber als sehr rechtschaffend bezeichnet oder gesetzestreu. Das ist womit er argumentiert hat, warum in der Türkei irgendwelche Twitter-Accounts von Oppositionellen kurz vor der Präsidentschaftswahl zugemacht wurden, weil er gesagt hat, das ist das Gesetz dort. Wir müssen uns daran halten. Also es sind so ein bisschen immer nur Halbwahrheiten, die man über X austauscht. Aber man erinnert sich dann an eine andere Halbwahrheit und hat immer das Gefühl, na, so in dieser passt es jetzt aber doch.

Chan-jo: Ja, das werden wir dem nachvollziehen, was Elon Musk angekündigt hat, was später daraus geworden ist und was soll dabei rauskommen, dass er sich nicht daran hält, dass er nicht konsistent ist und lügt. Welche eine Überraschung. Aber anscheinend ist das in Ordnung. Man darf das.

Gavin: Aber kommen wir doch mal kurz zu TikTok Light. Wenn TikTok sagt, wir gehen jetzt nicht den ganzen Weg mit euch. Wir warten jetzt nicht, bis wir hier 15, 20 Prozent unseres Jahresumsatzes zahlen müssen, sondern wir stellen das Ding einfach ein. Ist es tatsächlich ein Sieg der Kommission an der Stelle oder ist es das europäische Pendant der 1,3 Milliarden Dollar Vergleichszahlung, um eben dieser tatsächlichen Verurteilung als kindeswohlgefährdende Plattform oder süchtigmachende Plattform zu entgehen? Weil das hat die EU ja am Ende gar nicht ermitteln können.

Chan-jo: Ja, ein Vergleich hat immer auch einen Vorteil für denjenigen, der sich unterwirft, weil er erspart sich damit die Urteilsbegründung. Ich habe ja auch ein Verfahren im Zusammenhang mit der Korrektivrecherche gegen einen Teilnehmer dadurch gewonnen, dass er im Grunde seinen Antrag zurückgenommen hat. Und das ist nicht so schön, weil ich hätte lieber eigentlich statt diesem kurzen dreizeiligen Vermerk eine ausführliche Begründung, warum ich im Recht war. Aber jeder hat die Möglichkeit meistens irgendwie das Spielfeld trotzdem noch zu verlassen oder sich zu einigen. Und darauf kann sich die andere Seite einlassen oder auch nicht.

Und du hast völlig recht. Schöner wäre es natürlich gewesen, man hätte es durchgezogen und hätte dann eine Entscheidung, aber das hätte halt auch länger gedauert. Und effektiver ist es natürlich, wenn die sagen, wir kriegen, was wir haben wollen, nämlich dass sie das Programm zurückziehen. Insofern, das Ergebnis zählt. Wir haben keine Begründung. Breton schlachtet das dann mit seiner Litigation PR aus. Ich finde die Formulierung schön, dass die Aufmerksamkeit der jungen Menschen keine Währung ist, nicht käuflich ist, hat was für sich.

Gavin: Ja, ich stimme zu. Und es gibt noch eine Klage gegen TikTok. Und wir haben ja eben schon mal kurz über das amerikanische Justizministerium gesprochen. Die haben jetzt auch Klage eingereicht und zwar geht es hier um die Privatsphäre von Kindern. Also auch hier wird vorgeworfen, dass TikTok nicht so gut mit den Daten der Kinder umgeht, um damit nicht zu sagen, überhaupt nicht auf diese Daten aufpasst. Es geht ja um Menschen unter 13, die in den USA nach Gesetzeslage theoretisch dieses Netzwerk gar nicht verwenden dürfen. Das Justizministerium hat aber gesagt, seit 2019 werden diese Regeln bereits verletzt und das startet jetzt gerade sozusagen dieses Verfahren.

Chan-jo: Es ist erstaunlich, dass man das so lange laufen lässt, obwohl man es eigentlich weiß. Also warum wird so etwas nicht einfach abgeschaltet? Wieso sagt man nicht einfach, guck mal, die lassen Minderjährige zu, haben keinen tauglichen Jugendschutz? Bei Pornoseiten haben wir Age-Verification-Systeme und so weiter. Und ansonsten hat man Strafbarkeit bei Online-Spielen. Hat man das theoretisch, gut, das ist auch lächerlich, wissen wir auch, wenn du nicht in Schleswig-Holstein wohnst, meinst du. Und hier lässt man im Grunde genommen alles einfach laufen. Eigentlich muss man sagen, wisst ihr was, wir schalten euch ab, kommt wieder, wenn ihr ein taugliches System habt.

Bei AI-Regulierungen scheint man vorsichtiger zu sein. Also der Grund, das hattest du ja auch als Thema, dass die sich zurückhalten mit dem europäischen Markt ist, dass das Umfeld heute ein anderes ist. Also wir hatten die DSGVO 2018. Wir haben jetzt den AI-Act und die großen Unternehmen in ihrer Abwägung stellen gerade fest, jetzt einfach mit einem Rechtsverstoß mit einem neuen Produkt rauszukommen, ist vielleicht heutzutage keine gute Idee. Man kann nicht einfach sagen, wir haben das doch schon immer so gemacht. Und deswegen sind die vorsichtiger geworden. Das heißt, hier wirkt Regulierung zum ersten Mal wirklich präventiv.

Und vor allem, also 2019 ist ja hier die Zahl, die genannt wird, seitdem TikTok gegen diese Regeln verstoßen soll. Interessant ist der Zeitpunkt 2019. 2019 wurde Musically, was die Vorgängerplattform von TikTok ist, also de facto dieselbe Plattform, wurde diese Plattform...

Chan-jo: Guter Punkt, mal Werbung zu machen. Man hat einen Mehrwert von YouTube, wenn man hier das Bild dazu sieht. Also hier sind meine Füße und dahinter ist der Pudel. Der ist aber wie immer im Podcast-Modus, nämlich einfach hinlegen und nichts tun.

Gavin: So wie ich.

Chan-jo: Und das ist die Technikkamera mit dem fiesen Setup hier. Wahnsinn. Nimm mal lieber das aufgeräumte Bild.

Gavin: Naja, auf jeden Fall wurde Musically 2019 wegen Datenmissbrauchs bereits verurteilt und es wurden Auflagen erlassen, um Kinderdaten stärker zu schützen. Aber eben in der Klageschrift heißt es, TikToks Internetsysteme zur Identifizierung und Löschung von Kinderkonten sind ungenügend.

Chan-jo: Ja, und jetzt könnte man sich immer fragen, was ist zumutbar an Kontrolle? Und jetzt können wir ja sagen, es wäre ja möglich. Man könnte sagen, wir können wirksam Kinder von Social-Media-Plattformen fernhalten, wenn man einfach nur eine wirksame Altersverifikation mit Post-Ident-Verfahren und Hardware-Dongle macht. Also das ist natürlich brutal und das ist vielleicht nicht zumutbar, aber was haben sie im Augenblick? Gar nichts. Also kannst du dich mit irgendeiner Wegwerf-Email-Adresse anmelden und anscheinend haben wir viel Respekt vor Plattformbetreibern und deren Interesse, ihre Plattformen grenzenlos ohne große Beschränkungen auszuweiten.

Und das können wir durchaus anders sehen. Warum muss das so sein? Ich würde deswegen plädieren, also man müsste es über Geld regeln. Also wenn sich herausstellt, da ist ein Minderjähriger und ihr habt das nicht verhindert, dann kostet einfach jede Nutzung des Minderjährigen euch 100 Euro pro Tag und das ist ein Schmerz des Geldes, den ja die Minderjährigen geltend machen können. Hey, wenn die 18 werden, können sie dann einfach für die fünf Jahre minderjähriger Nutzung oder wenn sie 13 werden für das Alter bis dahin Schadensersatz geltend machen. Das klingt ein bisschen verrückt, aber da wollte ich vorhin noch ansetzen. Ich habe ja gesagt, es muss teurer sein, gegen die Rechte zu verstoßen. Und das Problem ist, bei Urheberrechtsverletzungen hat man teure Rechnungen. Eine Urheberrechtsverletzung kostet Lizenzanalogie. Wenn ich Falschnachrichten oder Racheporn zulasse, dann sind die Schmerzensgelder lächerlich. Das lohnt sich in Deutschland nicht. Es sei denn, ich bin Alex Jones und da habe ich dann 900 Millionen Schmerzensgeld. In Deutschland kriegt man nicht mal 1.000 Euro für massenhaft verbreitete falsche Informationen, weil unser Rechtssystem aus dem Jahr 1890 eben sagt, Schmerzensgeld gibt es nur in Ausnahmefällen.

Und deswegen ist es billiger für eine Plattform, Falschbehauptungen über jemanden zuzulassen, als sie zu löschen, weil es kostet ja nichts. Und das sollten wir ändern. Das müsste anders sein. Das muss eigentlich so sein, dass man wenigstens das Geld abschöpft, was die Plattform damit verdient, dass eine Falschnachricht verbreitet wird. Man kann ja im Grunde den Wert, die Monetarisierung eines Views beziffern. Und wir können sagen, jeder View ist ein Euro-Wert oder jeder hundertste View für so ein Like. Das kann man ablesen und sagen, so und so viel Prozent vom Umsatz, vom Werbeumsatz muss hier als Schadensersatz bezahlt werden, weil du hier illegal mit Falschnachrichten Werbung oder Geld verdient hast. Das müsste abgeschöpft werden.

Gavin: Ich könnte den ganzen Tag zuhören, wenn du dich so aufregst.

Chan-jo: Ich kann auch ganz sachlich sein.

Gavin: Nein, bitte nicht. Ja, vielleicht wirst du jetzt sachlich, denn wir haben eine X-Meldung heute zumindest der Vollständigkeit halber dabei.

Chan-jo: Okay, was ist das?

Gavin: Es ist eine Kleinigkeit, aber sie wird jetzt quasi dringlich. Und zwar gibt es schon länger die Pläne von X, Kalifornien den Rücken zu kehren. Grundlage war eigentlich ein vom Gouverneur erlassenes Gesetz, bei dem Kinder, die ihre Geschlechtsidentität ändern wollen, dazu das Recht haben und damit in dem Moment, wo sie diesen Wunsch äußern, bei ihren Lehrern und Eltern einen Prozess auslösen. Also sehr kompliziert, ich will es jetzt nicht so verkomplizieren. Das allein aber hat Elon Musk dazu gebracht, zu sagen, damit sind Kinder, Eltern und Familien in Gefahr und deswegen ziehen wir uns aus Kalifornien zurück. Das ist deswegen interessant zu wissen, weil wir kommen jetzt gleich dazu. X hat ja im Moment ihren Hauptsitz in San Francisco. Übrigens interessant, weil ich war ja vor einem Jahr da, ich habe ein Foto vor diesem Hauptsitz gemacht. Und jetzt ungefähr ein Jahr später schließen sie das. Ich habe vielleicht das Gefühl, vielleicht habe ich da auch ein bisschen was auslösen können.

Na jedenfalls, X wird dieses Büro schließen und mittelfristig eben in Texas diesen neuen Hauptsitz eröffnen, auf diesem gleichen Campus, auf dem auch SpaceX sitzt und andere Unternehmen von Elon Musk. Sie haben aber gleichzeitig angekündigt in einer Mail von Geschäftsführerin Linda Yaccarino an die Belegschaft, dass es bestehende Büros in San Jose in Kalifornien noch gibt, die erstmal genutzt werden können und ein neues Büro in Palo Alto eröffnet wird. Und Palo Alto ist wo? In Kalifornien. Also ich finde, damit ist ja auch dieser komplette pseudo-moralische Überbau, den Elon Musk dem verliehen hat, völlig hinfällig. Interessant ist aber, dass die New York Times recherchiert hat, dass seit der Übernahme durch Musk 2022 an das Unternehmen Shorenstein, was der Besitzer des Gebäudes ist, ein Immobilienunternehmen, keine Miete mehr gezahlt wurde.

Dass sie seitdem keine Miete mehr bekommen haben. Also dass X immer noch keine Miete für den Sitz in San Francisco zahlt. Und jetzt könnte man ja theoretisch zu einem Schluss kommen, dass es vielleicht auch andere Gründe gibt, warum sie diesen Sitz schließen und nicht diesen wohinigen.

Chan-jo: Also sie haben eine Räumungsklage und sagen jetzt, sie ziehen aus, nicht weil sie keine Miete bezahlt haben, sondern weil sie irgendein politisches Statement damit verbinden wollen.

Gavin: Das hast du jetzt gesagt, aber könnte so sein, ja.

Chan-jo: Und das ist eine Schlussfolgerung, die auf Fakten basiert und deswegen auch zulässig ist. Jetzt können wir abschweifen dazu, was darf man eigentlich sagen, was sind Meinungen, was sind Tatsachenbehauptungen? Wenn ich jetzt nach dieser Geschichte zur Schlussfolgerung komme, Elon Musk geht es gar nicht um Politik, weil sonst würde er ja wirklich Kalifornien verlassen, sondern es geht nur darum, dass er verklagt wurde und einen Räumungstitel hat oder keine Miete bezahlen will, jedenfalls das Gebäude nicht mehr mag. Anscheinend hat er kein so gutes Verhältnis zum Vermieter in San Francisco.

Das kann man definitiv sagen. So profan ist es, aber er schafft es trotzdem und Anerkennung dafür, das zu verbinden mit einer transfeindlichen politischen Äußerung und ein Statement damit zu machen, weil die Leute, die vielleicht sogar genau durchschauen, dass das Quatsch ist, aber die zugänglich sind oder die gleiche politische Position vertreten, werden dann sagen, super gut gemacht. Die hinterfragen das gar nicht, weil Wahrheit, jetzt können wir uns wieder aufregen, nicht der Maßstab daran ist, welche Aussage valide ist oder legitim verbreitet werden darf. Ganz solange sie in mein Konzept passt, ist es mir egal, dass sie falsch ist und auch erkennbar falsch ist. Ich trommel trotzdem dafür.

Gavin: Ja, wir alle, wir geben nicht auf. Chan-jo, bevor wir hier aufhören, hast du noch etwas zu bewerben? Wo sollen die Leute hingehen, um mehr von dir zu sehen, zu hören, zu bekommen?

Chan-jo: Also ich bin ja stolz darauf, dass ich am YouTube-Kanal noch nie gesagt habe, bitte drückt die Glocke oder danke für ein Abo oder lasst ein Like da. Ich dachte, die Leute wissen das selbst und ich glaube, die finden mich auch selbst. Also der Handle ist @anwaltjun auf X. Ich habe da eigentlich damit gerechnet, dass du mich grillst, für die Frage, warum ich noch auf X bin. Hab mir eine Antwort bereitgelegt, aber habe sie schon wieder vergessen.

Gavin: Sonst hätte ich jetzt gefragt, was die zurechtgelegte Antwort war.

Chan-jo: Nein, da muss ich mir eine neue ausdenken. Wobei, du hattest ja die Diskussion mit Threads und da habe ich dann rausgehört, du bist ja auch noch nicht so glücklich mit. Also könnte man sagen, weil ich Threads noch nicht so gut finde. Und tatsächlich, also jetzt reden wir nicht über X, sondern über Threads. Ich war früh auf Threads, also mit alten Workarounds auf Android, bevor es für die EU freigegeben war. Das hat am Anfang Spaß gemacht und dann haben sie uns rausgeworfen. Aber ich habe gesehen, dass der Userzuwachs oder die Reichweite, die man auf Threads bekommt, mit politischen Inhalten viel, viel schlechter ist als bei Blue Sky und natürlich auf X, wenn man schon den Vorsprung hat.

Deshalb fand ich es einfach zu mühsam, bisher auf Threads mir diese Userbasis aufzubauen. Ich weiß nicht, Gavin, kann man das überhaupt aufbauen? Bekommen wir diese Netzlage, wie sie früher auf Twitter war, auf Threads hin?

Gavin: Nein, das nicht. Einfach weil Twitter viele, viele Jahre Zeit hatte, um dort verschiedene Communities sich ansiedeln zu lassen. Ich erlebe aber, dass ich bei Threads ein viel durchmischteres und in Teilen auch größeres Publikum für Beiträge bekomme, als ich das bei Twitter zur besten Zeit hatte. Das ist schon eine sehr subjektive Wahrnehmung, aber ich habe das Gefühl, damit erreicht man schon viele Leute gerade und den großen Mainstream. Ich persönlich benutze immer noch gerne Bluesky, weil da meine ganze Twitter-Bubble irgendwie hingegangen ist.

Aber der Schluss ist immer derselbe, wenn man dieses Gespräch führt. Das alte Twitter fehlt uns allen und wir suchen eigentlich die ganze Zeit nur nach einem Substitut. Ein bisschen davon habe ich eben bei Threads und ein bisschen davon bei Bluesky und eben auch im Fediverse bei Mastodon. Auch da finden Dinge davon statt.

Chan-jo: Jetzt weiß ich, was meine bereitgelegte Antwort war und jetzt merkt man, wenn man danach sucht und sie konstruiert ist, ist sie vielleicht nicht so wahrheitsgemäß. Also die bereitgelegte Antwort war, auf Bluesky vermisse ich die rechten Trolle und die Gegner. Auf Blue Sky ist es zu bequem, zu freundlich. Da schreibt man etwas, man bekommt Zustimmung und ich gehe gern dorthin, wo es weh tut, wo man die kontroversen Diskussionen führt, wo man beleidigt wird. Jetzt merkt man eigentlich, das ist Quatsch, was ich erzähle.

Also könnten wir ganz heroisch sagen, wir gehen dorthin, wo es weh tut, wir gehen dorthin, wo die andere Seite auch unterwegs ist. Das führt natürlich zu mehr Interaktion. Also die kleine Reichweite ist auf X viel, viel höher und zwar gerade mit den Themen, wo auch die andere Seite mitdiskutiert, das retweetet und in den Diskurs einsteigt. Das Unternehmen heißt ja immer Twitter International Unlimited.

Gavin: Vor allem auch in Europa ist es auch immer noch Twitter.

Chan-jo: Ja, das ist Twitter. Also nennen wir es auch so. Das ist ein Twitter-betriebenes Portal, wo X drüber steht, aber das ist immer noch Twitter.

Gavin: Deadnaming, nein danke, außer bei Twitter.

Chan-jo: Was haben wir noch? Jetzt gehe ich mal meine Liste noch durch, was aus deinem Freitags-Podcast, die Schutzrechte überall.

Gavin: Ich muss leider mit Blick auf die Uhr. Stimmt, wir haben keine Zeit mehr. Weißt du, was wir machen? Du kommst einfach nochmal wieder.

Chan-jo: Ja genau, wir legen das alles in Backlog und schauen, was bis dahin aufgelaufen ist.

Gavin: Und das dauert jetzt nicht zwei Jahre, bis du wieder kommst.

Chan-jo: Du musst mich einfach anrufen oder schreib mir auf X.

Gavin: Ja, schreib mir auf X.

Ein Ding der Unmöglichkeit. Aber ich habe jetzt deine Mailadresse, Chan-jo. Ich lasse dich nicht mehr los, das dauert jetzt nicht 315 Folgen.

Chan-jo: Dann sehen wir uns.

Gavin: Ja, ich freue mich aber sehr, dass du heute da warst. Ich wünsche dir eine wundervolle Restwoche. Allen Hakis da draußen auch. Wenn ihr euch über diese Folge austauschen wollt, könnt ihr das tun in den Spotify-Kommentaren, im Haken-dran-Discord, der nichts kostet, aber sehr viel bringt, haken-dran.org oder bei YouTube unter diesem Video hier. Überall diskutiert mit uns, streitet mit uns. Und wenn ihr Fragen an Chan-jo habt, es gibt im Discord ein Thread, die sammeln wir fürs nächste Mal und dann machen wir das jetzt so im Quartalsrhythmus oder so.

Chan-jo: Prima, danke. Wie ist die Abschlussformel?

Tschüss. Tschüss, einfach nur. Tschüss. Nix mit drückt die Glocke oder so.

Gavin: Oder sagst du so was wie mit rechtlichen Grüßen oder so?

Chan-jo: Oder so was wie bleibt gesund.

Gavin: Okay, dann bleiben Sie uns gewogen. Tschüss.

Chan-jo: Bis dann. Tschüss. (mond)