Windows Mobile als App-Plattform

Seit Einführung von Windows Mobile 6.5 verfügt auch Microsofts Smartphone-Plattform über einen eigenen Onlineshop für Apps. Doch während iPhone und Android einen regelrechten Entwickler-Ansturm erleben, gerät Windows Mobile zunehmend ins Hintertreffen. Mit der Windows Phone 7 Series soll alles anders werden.

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Von
  • Kai Jäger
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Seit Einführung von Windows Mobile 6.5 verfügt auch Microsofts Smartphone-Plattform über einen eigenen Onlineshop für Apps. Doch während iPhone und Android einen regelrechten Entwickler-Ansturm erleben, gerät Windows Mobile zunehmend ins Hintertreffen. Mit der Windows Phone 7 Series soll alles anders werden.

Waren sie früher die treuen Begleiter erfolgreicher Geschäftsleute, haben Smartphones heute den Massenmarkt erreicht. Der Branchenverband Bitkom rechnet für 2010 mit einem Absatz von 8,1 Millionen Smartphones, 2007 waren es noch 1,5 Millionen. Mit der neuen Zielgruppe ändern sich die Ansprüche: Das Smartphone wird zunehmend zu einer Unterhaltungsplattform. Im Zentrum der Entwicklung stehen die "Apps", die seit geraumer Zeit milliardenfach über die virtuelle Ladentheke gehen und App-Store-Betreibern wie Entwicklern zuweilen Rekordgewinne bescheren. Kaum verwunderlich also, dass es mobile Distributionsplattformen für Apps heute für praktische alle Smartphone-Betriebssysteme gibt.

Lange Zeit auf einen App-Shop warten mussten hingegen Nutzer des Betriebssystems Windows Mobile. Erst im Herbst 2009 öffnete der "Windows Marketplace for Mobile" seine Pforten – zunächst mit einem überschaubaren Angebot von rund 300 Apps. Die etwas verhaltene Reaktion der Entwicklergemeinde auf den Microsoft-Marktplatz hält bis heute an, dabei wäre Windows Mobile mit 18,4 Prozent Marktanteil in Deutschland (iPhone 15,2 %) und 15,7 Prozent in den Vereinigten Staaten (iPhone 25,1 %) eine interessante App-Plattform. Der scheinbare Widerspruch zwischen Angebot und Nachfrage ist schnell erklärt: Der Microsoft-Marktplatz ist nur eine von vielen Anlaufstellen, über die Windows-Mobile-Nutzer Apps beziehen können. Laut Microsoft tummeln sich auf Online-Portalen, Hersteller-Websites und Foren heute "über 20.000" Anwendungen für Windows Mobile. Das Fehlen einer zentralen Bezugsquelle ist aus der Historie von Windows Mobile erklärbar: "Durch den starken Business-Fokus war große Flexibilität bei der Verteilung und des Bezugs von Anwendungen über verschiedene Kanäle notwendig. Der "Windows Marketplace for Mobile" ist das Resultat der Neuausrichtung auf den Endverbraucher, die mit Windows Mobile 6.5 eingeleitet wurde", so Frank Prengel, Evangelist bei Microsoft Deutschland.

Windows Mobile zählt zu den ältesten Smartphone-Betriebssystemen am Markt. Für Entwickler bedeutet das vor allem, dass Microsoft genug Zeit hatte, Windows Mobile zu einer stabilen und zuverlässigen Plattform zu entwickeln. Es gibt jedoch auch eine Kehrseite der Medaille: Das System existiert in unzähligen Versionen und läuft auf einer großen Zahl Endgeräte, ein jedes mit einer anderen Hardware-Ausstattung. Da Microsoft, anders als beispielsweise Apple lediglich das Betriebssystem, nicht jedoch die Hardware kontrolliert, müssen sich Entwickler auf ein schwer zu durchschauendes Geräte- und Versionschaos einstellen. Ein Beispiel: Das iPhone läuft in allen Versionen mit einer einzigen Auflösung von 320 x 480 Pixel (HVGA), Windows Mobile hingegen unterstützt zwölf Auflösungen, physikalische und virtuelle Tastaturen sowie Geräte mit und ohne Touchscreen. Wer als App-Entwickler alle Funktionen optimal ausnutzen möchte, sieht sich alsbald mit einer kombinatorischen Explosion konfrontiert. Der bittere Kompromiss, für den kleinsten gemeinsamen Nenner aller Geräte zu entwickeln, ist oft der einzige Ausweg.

Frank Prengel empfiehlt, dem Problem der unterschiedlichen Hard- und Softwarekonstellationen ähnlich wie dem auf dem Desktop zu begegnen: "[Auch] bei mobilen Anwendungen [gibt es] gewisse Mindestanforderungen an die Hardware, die nicht jedes Gerät immer in gleichem Maße erfüllen kann. Entwickler sollten deshalb spezifizieren, welche Hardwarevoraussetzungen ihre Produkte mit sich bringen."

Die Differenzierung zwischen Windows Mobile Standard (für Geräte ohne Touchscreen) und Windows Mobile Professional (für Geräte mit Touchscreen) kann zusätzlich helfen, den Versionsdschungel etwas zu entwirren. Auch der "Windows Mobile Marketplace" leistet seinen Beitrag, Inkompatibilitäten vorzubeugen, indem er sicherstellt, dass ein Produkt nur auf den Geräten erhältlich ist, die die vom jeweiligen Entwickler spezifizierten Anforderungen erfüllen.

Ein weiterer Faktor erschwert jedoch die Nutzung aktueller Hardware-Funktionen zusätzlich: Für Lagesensor und digitalen Kompass bietet Windows Mobile beispielsweise bisher keine eigenen Schnittstellen an. Wer die Funktionen dennoch nutzen möchte, muss stattdessen auf uneinheitliche Hersteller-APIs zurückgreifen, die nicht selten schlecht bis überhaupt nicht dokumentiert sind. Die "Windows Mobile Unified Sensor API", ein Open-Source-Projekt, das unterschiedliche herstellerspezifische APIs auf eine einheitliche .NET-Schnittstelle abbildet, schafft dabei Abhilfe.