Dreamcast wird 25: Warum sie Segas letzte Spielkonsole blieb

Am 14. Oktober 1999 erscheint die letzte Spielkonsole von Sega. Dreamcast ist mit Blick auf die Verkaufszahlen ein Misserfolg, genießt aber heute Kultstatus.​

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 62 Kommentare lesen
Dreamcast neben Dreamcast-Spielen

(Bild: RenĂ© Meyer)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • RenĂ© Meyer
Inhaltsverzeichnis

Dreamcast ist die erste Konsole, die bereits mit Bordmitteln online gehen kann. Und die erste Konsole, ĂĽber die man sich im Web informiert und austauscht: Wer ein paar Jahre zuvor etwa ĂĽber die Playstation oder das Nintendo 64 schwatzen will, tut es allenfalls ĂĽber heute vergessene Online-Dienste wie AOL und CompuServe. Oder ĂĽber eine FidoNet-Mailbox.

Und worüber man sich alles freuen kann: Über aufregende Grafik in VGA-Auflösung, über viele exklusive Spiele – und Nachfolger bekannter Titel. Über Sonic in 3D. Über originelle Gimmicks wie eine Speicherkarte mit Display für kleine Spiele, einen Angel-Controller. Dass man mit der Konsole mit anderen über die Konsole chatten kann. Vom Surfen im weltweiten Netz ganz zu schweigen.

Das Super Nintendo und das Sega Mega Drive dominieren in den frühen Neunzigerjahren die 16-Bit-Landschaft. Doch mit dem Nachfolger Saturn steht Sega plötzlich von allen Seiten unter Druck, nicht nur durch Nintendo. Eine Vielzahl von CD-Konsolen strömt auf den Markt. Wie 3DO, Amiga CD 32, Atari Jaguar (mit CD-Aufsatz), Philips CD-i und Commodore CDTV. Multimedia ist das Zauberwort.

Vor 25 Jahren kam die Dreamcast in Deutschland auf den Markt.

(Bild: Sega)

Das Rennen allerdings macht ein Gerät, das sich ganz Spielen verschreibt. Ein neuer Player. Die Playstation. Zu sehr schielt Sega auf Nintendo und nimmt Sony zunächst nicht ernst genug. Ein fataler Fehler. Saturn und Playstation erscheinen fast gleichzeitig; doch Sony ist in allen Punkten überlegen: beim Preis, beim Werbebudget, bei der 3D-Grafik und bei der Entwickler-Software. Und bei den Spielen. Zu guter Letzt erscheint zusätzlich 1996 das Nintendo 64 mit dem bezaubernden "Super Mario 64".

Am Ende stehen 11 Millionen verkauften Sega Saturn 102 Millionen Sony Playstation gegenüber. 1 zu 10. Keine gute Ausgangslage für Sega, doch das weiß man zunächst noch nicht. 1997 verbündet sich Sega für das Betriebssystem mit Microsoft: Windows CE wird die Grundlage von Dreamcast. Sega verspricht sich dadurch eine leichtere Entwicklung von Spielen und eine einfache Portierung von Spielen zwischen Konsole und PC: Das Tafelsilber, "Sonic" und "Virtua Fighter", bietet Sega bereits für Windows an.

Am 27. November 1998 kommt Dreamcast in Japan auf den Markt. Am 9. September 1999 in den USA: "9/9/99 for 199$". Am 14. Oktober 1999 folgt schlieĂźlich Europa. Dreamcast ist eine gute Konsole mit frischen Ideen und exklusiven Spielen. Sie verkauft sich prima; dank Spielen, denen man ansieht, dass sie eine Generation weiter sind als die Playstation.

Doch nach einem Jahr macht sich Ernüchterung breit. Sega muss im Geschäftsjahr 1999/2000 das dritte Mal in Folge hohe Verluste einräumen: 400 Millionen Dollar. Es rechnet sich nicht, viele Konsolen zu verkaufen, wenn man einen Preis aufruft, mit dem man nichts verdient. Für die kommenden Titel ist kaum Werbebudget für Zeitschriften-Anzeigen und TV-Werbung vorhanden. Und: Die Playstation 2 ist da. Rasch holt sie Sega ein.

Gegenüber Dreamcast hat die Playstation 2 vier unschlagbare Vorteile. Erstens ist sie abwärtskompatibel zur Playstation 1 mit ihren vielen tausend Titeln. Bereits das Startangebot an neuen Spielen ist attraktiv, zumal sich Electronic Arts von Sega abgewandt hat. Zweitens hat sie ein DVD-Laufwerk und ist nicht nur eine Spielkonsole, sondern auch ein (günstiger) DVD-Player für Spielfilme – für viele Haushalte der erste. Drittens passt ein Mehrfaches an Daten auf eine Scheibe im Vergleich zu Dreamcast, und das zu einer Zeit, in der Video-Sequenzen immer wichtiger werden. Um die DVD-Lizenz zu sparen, entscheidet sich Sega für eine spezielle CD-ROM mit einer Kapazität von einem Gigabyte, die man folglich GD-ROM nennt. Da die Konsole auch Spiele von CD-R abspielt und sich der Schutz leicht überlisten lässt (ohne die Konsole manipulieren zu müssen), verbreiten sich rasch Kopien. Das ist zwar nicht schlecht für den Verkauf einer Konsole; aber vor allem verdient Sega an den Spielen.

Und viertens sind der 64-Bit-Prozessor von Hitachi mit 200 MHz mit dem PowerVR-grafikchip von Videologic und 16 MB RAM in Dreamcast alles andere als schlecht, reichen aber nicht an die Playstation 2 heran. Die hat nicht nur eine schnöde CPU und eine GPU, sondern eine "Emotion Engine", 300 MHz, und einen "Graphics Synthesizer". Und doppelt so viel RAM. Und mit der Microsoft Xbox, die im November 2001 erscheint, liegt eine weitere Bedrohung in der Luft.

Sega wirft das Handtuch. Bereits im März 2001 wird die Produktion der Konsole eingestellt; anderthalb Jahre nach dem Start in Europa – und ein halbes Jahr vor dem Start von Nintendo GameCube und Microsoft Xbox. Auch bedingt durch die kurze Lebensdauer verkauft sich Dreamcast noch schlechter als der Saturn: nur 9 Millionen Stück. Die Playstation 2: mehr als 150 Millionen Stück. Sega zieht sich aus dem Hardware-Markt zurück und entwickelt fortan Spiele für alle drei Plattformen der vormaligen Konkurrenz. Für Playstation 2 und GameCube erscheinen zahlreiche Umsetzungen und Fortsetzungen bekannter Dreamcast Spiele. Vor allem die Xbox wird eine Art spiritueller Nachfolger.