25 Jahre ÖPNV-Tick.et: Als Berlin ganz vorne mit dabei war

1999 pilotierte die Berliner BVG das Tick.et, das es mit Suica, Octopus oder Oyster aufnehmen sollte. Heise online geht der Frage nach, was davon übrig blieb.​

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Eine Chipkarte als Ticket für die Eisenbahn in den Niederlanden

Eine Bezahlschranke an einem Bahnhof in den Niederlanden

(Bild: Ton Hazewinkel / Shutterstock.com)

Lesezeit: 13 Min.
Von
  • Andreas Sebayang
Inhaltsverzeichnis

Im Oktober 1999 wagten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) in Deutschland ein innovatives Experiment im Nahverkehr: die Einführung eines kontaktlosen, chipbasierten E-Ticket-Systems, auch als Smartticket bekannt. Ziel war es, die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs zu vereinfachen. Das System erhielt den Namen "Tick.et" (Eigenschreibweise tick.et).

Berlin war weit vorn. Solche Systeme waren auf dem Globus noch recht selten zu sehen. Ein paar Jahre zuvor startete Busan (Südkorea) mit einem E-Ticket-System. In Hongkong gab es die Octopus-Karte und Japan bereitet sich gerade auf IC-Systeme vor. Nach Recherchen von heise online waren diese Kartensysteme bereits damals kontaktlos, obwohl beispielsweise ein 2016 erworbenes E-Ticket aus Busan noch eine – zu diesem Zeitpunkt nicht mehr genutzte – Chipkontaktfläche aufwies.

In Europa ist vermutlich die Oyster-Karte am bekanntesten, die seit 2003 Fahrten im Nahverkehr des Großraums London vereinfacht. Die Nutzung ist denkbar einfach: Das Ticket wird an den Leser im Bus gehalten (Tap), und die Fahrt kann beginnen. In Bahnen ist ein erneutes Tappen beim Aussteigen erforderlich, in seltenen Fällen auch beim Umsteigen.

Das E-Ticket-System ist so alt, dass es bereits an seine Grenzen gekommen ist, wie Geoff Marshall im Jahr 2019 sehr gut in einem YouTube-Video zur "Contactless Only"-Station Brookmans Park erklärte und auch in der Payg-Map (Pay as you go) von Transport for London erkennbar ist. (PDF). Dann braucht es etwa eine Kredit- oder Debitkarte mit EMV-Contactless-Funktion (erkennbar an dem Wellensymbol auf der Karte) oder ein Smartphone mit NFC, um EMV zu emulieren.

In all diesen Städten sind E-Ticket-Systeme heutzutage selbstverständlich. Die Bevölkerung konnte sich langsam daran gewöhnen, als es noch keinen allzu starken Zwang zur Digitalisierung gab. Am weitesten sind dabei die Systeme in Ost- und Südostasien, denn sie entwickelten sich mitunter zu Bezahlsystemen, lange bevor in Deutschland Contactless EMV-Karten (Visa, Mastercard usw.) in Mode kamen.

Dazu gehören die Suica-IC-Karte in Japan, die als Zahlungsmittel in sehr vielen Gegenden Japans benutzt werden kann, als Nahverkehrsticket aber eingeschränkt ist.

Japan-Karte mit den Gebieten, in denen Suica genutzt werden kann

(Bild: East Japan Railway Company)

Ebenfalls sehr weit verbreitet als Zahlungsmittel ist die Octopus-Karte in Hongkong, Taiwans Easycard und Südkoreas T-Money.

Vor rund 25 Jahren versuchte Berlin ein ähnliches Konzept umzusetzen. Die Nutzung als Bezahlsystem war zwar kaum vorstellbar, aber zumindest als einfach zu nutzendes Ticketsystem auf Guthabenbasis mit Entfernungstarif hätte es funktionieren können. Tick.et stand unter guten Voraussetzungen, und die Pilotphase war erfolgreich – dennoch wurde das Projekt letztendlich eingestellt.

Im Oktober 1999 wurden die ersten Freiwilligen für das System gesucht. 26.000 Fahrgäste erhielten auf diesem Wege eine Tick.et-Karte, wie es in einem Abschlussbericht vom 10. Oktober 2000 heißt. Dabei wollten damals schon sehr viel mehr Fahrgäste ein Tick.et: 45.000 Bewerbungen gab es.

Der Feldversuch endete nach sieben Monaten am 30. April 2000. Das System wurde von den Testfahrgästen positiv aufgenommen. Trotz anfänglicher Herausforderungen, die sich in einer Zufriedenheitsquote von lediglich 80 Prozent widerspiegelten, verbesserte sich die Akzeptanz deutlich. Zum Ende des Versuchs stieg die Zufriedenheitsquote auf 96 Prozent.

Das System war gut ausgestattet. Es gab Tick.et Punkte als Anlaufstelle. Tick.et Start und Stop für das Check-in und -out, ein "tick.et tip" als Infoterminal für die Karten, eine "tick.et box" für das Aufladen mit Bargeld und schließlich sogar persönliche Lesegeräte.