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Lithium-Luft- und Fluorid-Ionen-Batterien machen Hoffnung

Akkus werden zehn Mal besser

Technik cgl

Neue Batteriekonzepte mit Lithium-Luft- oder Fluorid-Ionen-Zellen versprechen deutlich höhere Energiedichten, kämpfen in ihrer jetzigen Erpro­bungs­phase aber noch mit teilweise grundsätz­lichen Problemen

Hannover, 08. November 2011 – Der Elektromotor ist älter als der Verbrenner und er war ihm von Anfang an überlegen. Der Verbrenner überholte ihn dennoch rechts, weil Batterien seit über 100 Jahren unterirdische Reichweiten mit langen Ladezeiten und hohen Kosten kombinieren, und daran hat sich bis heute nichts Prinzipielles geändert. Seit die sich wandelnde Gesellschaft jedoch nachdrücklich nach Fahrzeugen mit elektrischen Energiespeichern verlangt, hat ein nie dagewesener Forschungs-Boom auf dem Batteriesektor eingesetzt. Zwei vielversprechende Forschungsprojekte sollen mittelfristig immerhin die zehnfache Energiedichte heutiger Lithium-Ionen-Varianten erreichen.

Doppelt so gut

"Mit allen vorhersehbaren Entwicklungen werden Lithium-Ionen-Akkus vielleicht doppelt so gut werden wie heute", sagt Chandrasekhar Narayan, IBM-Manager für Forschung und Technologie. Das reicht jedoch bei weitem nicht: "Um wirklich eine Veränderung im Transportsystem und im Stromnetz hervorzurufen, brauchen wir eine höhere Energiedichte." Narayan leitet seit 2009 ein Projekt des IBM Almaden Research Center in San Jose, Kalifornien. Ziel ist es, Lithium-Luft-Akkus zur Serienreife zu entwickeln und die Technik dann an die letztendlichen Hersteller zu lizenzieren, denn damit wäre ein Sprung auf die sieben- bis zehnfache Energiedichte möglich.

Lithium-Luft-Schlösser

IBM sind nicht die Einzigen, die in der Luft eine Zukunft für Batterien sehen. Global gesehen gleich ums Eck arbeitet die kalifornische Batteriefirma Polyplus ebenfalls an dieser Technik, und das Batterieforschungszentrum der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diesen Sommer nachgezogen, was das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit zwei Millionen Euro fördert. Dr. Leo van Wüllen von der Universität Münster schlägt dabei in die gleiche Kerbe wie sein Kollege bei IBM: "Die Energieinhalte in Akkumulatoren deutlich zu erhöhen, ist die Voraussetzung für größere Reichweiten und somit auch dafür, die Elektromobilität nachhaltig zur Marktreife zu bringen."

Sauerstoff als Reaktionspartner

Lithium-Sauerstoff-Akkus sind keine neue Idee, sondern wurden in den 1990er-Jahren schon einmal ausprobiert, weil sie schon damals Platz- und damit Gewichtsvorteile gegenüber anderen Speichertechniken versprach. Eine normale Lithium-Batterie sieht sowohl an der Anode als auch an der Kathode Trägermaterial vor, in welchem sich die Lithium-Ionen und -Atome nach ihrer Wanderung durch den Elektrolyt setzen, um Elektronen auszutauschen, die wiederum für den Stromfluss sorgen. Dieses Trägermaterial – Metall, amorphes Silizium oder Graphit – macht den Großteil der Batteriemasse aus. Mit Sauerstoff als Reaktionspartner kann man eines dieser Substrate weglassen und stattdessen eine Reaktionsoberfläche verwenden. Dadurch steigt die Energiedichte pro kg Akku erheblich. Theoretisch sind Werte möglich, die mit Benzin- oder Dieseltanks zumindest vergleichbar sind. Doch selbst die deutlich kleinere, aber praktisch erreichbare Vervielfachung auf knapp das Zehnfache lohnt bereits den experimentalen Aufwand.

Elektrolyten gesucht

Das Problem mit Lithium und Luft: Lithium ist extrem aggressiv, reagiert sogar mit dem vergleichsweise inerten Luftstickstoff. Dafür einen Elektrolyten zu finden, der nicht in kurzer Zeit aufgibt, ist schwierig, und schwierig ist auch, dass Luft ja nicht nur Stickstoff und Sauerstoff, sondern auch Feuchtigkeit enthält. Diese darf auf keinen Fall mit Lithium in Berührung kommen, weil die folgende, heftige Reaktion die Batterie verbrennen würde. Alle aktuellen Forschungsprojekte setzen hier auf Membranen, an denen Lithium mit dem Luftsauerstoff reagieren kann, ohne mit den anderen Bestandteilen der Luft in Kontakt treten zu müssen. Konkret gelöst sind das meistens Kohlenstoffstrukturen, in denen sich Lithiumoxid und Lithiumperoxid bilden. Dieses Material wiederum kann die Membran derart verstopfen, dass keine weitere Reaktion stattfinden kann – eine weitere Herausforderung.

Probleme mit der Alterung

Die Technik kämpft also mit einigen grundlegenden Schwierigkeiten. Dennoch laufen bereits Prototypen mit Membranen an der Luft und sogar welche, die Sauerstoff aus Salzwasser verwenden. Die Prototypen zeigen ein weiteres Problem: Derzeit verschwendet die Ladung eines Lithium-Luft-Akkus rund 60 Prozent der eingehenden Energie als Abwärme, und selbst dabei kann die Reaktion von Lithium zu Lithiumoxid und Lithiumperoxid nur teilweise rückgängig gemacht werden, der Akku altert also rapide. Die Uni Münster sieht diese das Laden betreffenden Dinge dann auch als Priorität Nummer eins an.

Hohe Energiedichte

Das Karlsruher Institut für Technologie [1] (KIT) geht mit einem ebenfalls neuartigen Batterieprototyp einen ganz anderen Weg. Anstatt Lithium für den Ladungstransfer in gewichtsträchtigen Trägermaterialien zu platzieren, reagiert in einer neuen Art Batterie Fluorid mit Metallen. Die entstehenden Stoffe sind pro gespeicherte Ladungseinheit kompakter als Metallstrukturen voller Lithium-Ionen. Daraus resultiert eine theoretisch sehr hohe Energiedichte. Zudem sind je nach Einsatzzweck viele verschiedene Materialien als Reaktionspartner denkbar, darunter auch das häufig vorkommende Kalzium.

Schmutzige Schneebälle

Die Reaktionsmaterialien an den Elektroden kann man sich laut Dr. Maximilian Fichtner, Leiter der Gruppe Energiespeichersysteme am KIT, vorstellen wie einen "schmutzigen Schneeball": Außer dem mit Fluorid reagierenden Material sind dort Bindemittel und natürlich Leiter vorhanden, um die elektrische Ladung an die Batteriepole zu führen. Die chemische Reaktion führt hier zu einer Volumenänderung, die wiederum die sorgfältig vermischten metaphorischen Schneebälle in ihrer Funktion beeinträchtigt, wenn sie die feinen Leiter verschiebt. Zudem beträgt die Ladezeit des ersten Versuchsaufbaus einen ganzen Tag für eine sehr kleine Batterie, die nach diesem Ladevorgang bereits stark an Kapazität verliert.

Für ein Röhrchen, in das drei Pulver per Hand eingepresst werden (denn so sieht die Testbatterie aus), ist das dennoch schon ein äußerst vielversprechendes Ergebnis. "Ich bin wirklich optimistisch", sagt Dr. Fichtner. Der Optimismus kommt daher, dass es bei der Fluorid-Ionen-Batterie, anders als bei Lithium-Luft, keine prinzipiellen Probleme gibt, keine "Showstopper", wie der Forscher es ausdrückt. Die nächsten Schritte sind Tests mit anderen Materialien, zum Beispiel für den Elektrolyt. Derzeit verwendet das KIT einen 150° C heißen Feststoffelektrolyt, der durch einen ersetzt werden soll, der bei Temperaturen um 20 Grad arbeitet. Von den in der Praxis erreichbaren Energiedichten her verspricht das Konzept ähnliche Werte wie Lithium mit Luft.

Gut, aber nicht gut genug

Realistisch betrachtet reicht jedoch auch eine zehnmal bessere Batterie als heute üblich nicht aus, um sie in einem Alltagsfahrzeug zu verwenden, das auch Langstrecken beherrschen soll. Beide neue Konzepte machen zudem keine Hoffnung für die Ladeproblematik: Alle bekannten Konzepte mit Energiedichten, die man für ein Fahrzeug verwenden kann, altern beim Laden signifikant, vor allem beim schnell Laden, und die neuen Konzepte deuten eher auf eine Verschärfung des Problems hin als auf dessen Lösung.

Teuer bleibt es

Da obendrein nicht erkennbar ist, dass die Preise massiv sinken, drohen auch in Zukunft noch regelmäßige, viele tausend Euro teure Tausche ständig benutzter Akkupacks. Positiv gesehen reicht jedoch eine zu erwartende etwa zehnfache Akkuleistung aus, um Elektrofahrzeuge vernünftig in Ballungsräumen einzusetzen und für die Langstrecke in immer besser werdende intermodale Mobilitätskonzepte [2] zu integrieren. Es gibt ja heute schon technische Vorreiter, die nur ein Elektroauto haben, das sie für den Urlaub auf den Autoreisezug laden.


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https://www.heise.de/-1371797

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.kit.edu
[2] https://www.heise.de/hintergrund/Intermodal-reisen-1283763.html