zurück zum Artikel

Prototyp eines befahrbaren Roboter-Systems in Japan demonstriert

Better Place stellt Wechselstation für Antriebsbatterien vor

Technik ssu

Das US-Unternehmen zeigt den Prototyp einer Batterie-Wechsel­station in Japan. Für die Praxis geplant ist ein Mix von Wechsel- und Ladestationen, Schnelllade-Systemen erteilt Better Place eine Absage

Yokohama (Japan), 19. Mai 2009 – Das Start-up Better Place hat in Japan eine vollautomatische Wechselstation für Batterien von Elektroautos präsentiert. Das Unternehmen zeigte das nach eigenen Angaben weltweit erste System dieser Art im Rahmen einer Machbar­keitsstudie des japanischen Umweltministeriums, zu der Better Place als einziges nicht-japanisches Unternehmen eingeladen worden sei.

Ein bisschen wie beim TÜV

Auf dem von dem US-Unternehmen veröffentlichten Bild- und Videomaterial ist zu sehen, wie ein Nissan-Prototyp mit Einschub für Wechselbatterien auf eine Rampe fährt, die – ähnlich wie eine Bühne in der Werkstatt oder die "Grube" beim TÜV – einen Zugang zum Fahrzeugboden ermöglicht. In der Better-Place-Wechselstation übernimmt ausschließlich ein Robotersystem den Austausch der Akkueinheiten, der dem Unternehmen zufolge in rund einer Minute absolviert sein soll. Während des Vorgangs könne der Fahrer im Auto sitzen bleiben.

Robotersystem mit zwei Batterieschlitten

Das System arbeitet mit zwei Schlitten (Battery Shuttles), die sich auf einem automatischen Schienensystem bewegen. Ein Schlitten hält die vollgeladene Batterie bereit, die in das Fahrzeug eingesetzt werden soll, während das andere zuvor die im Auto vorhandene Batterie entfernt. Zum Ende des Vorgangs sendet das Schienensystem die entfernte Batterie in einen Lagerbereich, wo sie aufgeladen und für den Einsatz im nächsten Fahrzeug vorbereitet wird. Der in einem Firmenvideo [1] gezeigte Batteriewechsel dauert 1 Minute und 13 Sekunden, hinzu kommt die Zeit für Auf- und Abfahrt von der Wechselbühne.

Für verschiedene Batterie-Formen konzipiert

Better Place hat die Batterieschlitten für "viele verschiedene Größen und Formen von Batteriegehäusen" konzipiert, um unterschiedliche Elektrofahrzeuge bedienen zu können. Das System setzt voraus, dass die Akku-Einheit vom Fahrzeugboden aus zugänglich ist (Unterflur­bauweise) und durch den Roboter ent- und verriegelt werden kann.

Better Place stellt Wechselstation für Antriebsbatterien vor

Geplante Infrastruktur

Ahnlässlich der Demonstration in Japan wiederholte Better Place seine Ankündigung, gemeinsam mit dem Autokonzern Renault-Nissan ab 2011 in Israel ein landesweites Mobilitätskonzept auf Basis von Elektrofahrzeugen aufzubauen. In diesem Zusammenhang sei die Batteriewechsel-Technik von ebenso großer Bedeutung wie ein breites Angebot an Fahrzeugen, die über austauschbare Batterien verfügen. Die in Yokohama vorgestellte Technik soll für die kommerzielle Produktion von Wechselstationen weiterentwickelt werden. Diese sollen weltweit in allen Märkten zum Einsatz kommen, in denen Better Place aktiv ist – abgesehen von Israel will das Unternehmen auch in Dänemark [2] und in in Australien [3] zu Beginn des kommenden Jahrzehnts eine Infrastruktur für Elektromobilität errichten.

Auch Ladestationen im Angebot

Für den Aufbau seines Mobilitätskonzepts setzt Better Place nicht ausschließlich auf Wechselbatterien. Vielmehr will das vom früheren Vorstand des Software-Riesen SAP, Shai Agassi, gegründete und geleitete Unternehmen auch Batterieladestationen für Elektrofahrzeuge "auf Basis erneuerbarer Energien" aufbauen. Geplant sei der Aufbau von Ladestationen auf Parkplätzen, vor Geschäften oder Restaurants sowie in Gewerbegebieten – sprich an Plätzen, wo sich die Insassen während des Ladevorgangs die Zeit vertreiben können. Die Batterie-Wechselstationen hingegen sollten insbesondere für längere Fahrten eingesetzt werden.

Absage an Akku-Schnellladung

Nicht begeistern kann sich Better Place hingegen beim jetzigen Stand der Technik für Schnelllade-Stationen, die es ermöglichen sollen, auch fest eingebaute Auto-Batterien binnen weniger Minuten so weit aufzuladen, dass ihre Reichweite zumindest Großstadtbewohner für das tägliche Fahrpensum genügt. "Das Konzept von Batteriewechsel­stationen ist aus unserer Sicht derzeit die schnellste und sicherste Lösung, wenn es darum geht, ein Elektrofahrzeug effizient wieder mit neuer Energie zu versorgen. Die Alternative einer Hochgeschwindig­keitsaufladung (Fast Charge) wirkt sich bei aktuellem Stand der Batterietechnik negativ auf die Lebensdauer der Akkumulatoren aus, da das Material sehr hohen Belastungen ausgesetzt wird", zitiert Better Place Dr. Günter Hörcher vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA [4]).

Better Place stellt Wechselstation für Antriebsbatterien vor

Renault fährt zweigleisig

Ausgerechnet die von Renault jüngst gezeigte seriennahe Studie eines elektrischen Kangoo be bop Z.E. [5] führt jedoch vor Augen, dass die Franzosen sowohl den Akku-Wechsel als auch die Schnellladung als Optionen sehen. Einerseits bietet sich der Wagen dank der Positionierung der Batterie unter dem Fahrzeugboden für die automatische Wechselstation an, andererseits soll das Serienmodell für dem Anschluss an eine Ladestation mit dem neuen siebenpoligen Stecksystem [6] ausgerüstet, das für die Durchleitung von 400-V-Drehstrom mit bis zu 63 A – entsprechend 25,2 kW – ausgelegt ist – eine 15-kWh-Ladung wäre also in rund 36 Minuten erledigt. Die Lithium-Ionen-Batterie des Kangoo be bop Z.E. wird von dem Nissan-Partner AESC entwickelt und produziert. Renault attestiert der Batterie über den gesamten geplanten Lebenszyklus von sechs Jahren einen relativ geringen Verfall der Ladekapazität auf 80 Prozent des Ausgangswertes – anstelle 15 kWh bei der neuen Batterie wären demnach noch 12 kWh verfügbar – entsprechend einem Rückgang der Reichweite von 160 auf 128 km. Dass Renault sich mehrere Türen offen hält, was Standards und Partnerschaften angeht, wird auch darin deutlich, dass die Franzosen zu den Gründungsmitgliedern der branchenübergreifenden Initiative ELAN 2020 [7] zählen.

Kaufen oder mieten?

Die Preis-Frage für den Verbraucher lautet, wie viele Schnelllade-Zyklen die Batterie in seinem Auto tatsächlich übersteht – zumindest bei den derzeitigen Kosten für Li-Ion-Akkus treten die Kosten für den Ladestrom gegenüber den Kosten für den Batterieverschleiß in den Hintergrund. Die von Better Place gezeigte Wechselstation würde es begünstigen, den Verbrauchern Wechsel-Akkus zur Miete oder als Austauschteil anzubieten. Auch der Anbieter des Elektroautos vom Typ Think City im norwegischen Oslo führte aus einem Kongress zur Elektromobilität im Frühjahr 2008 den Erfolg seines Angebots wesentlich darauf zurück, dass sein Unternehmen und nicht der Besitzer des Elektroautos das Kostenrisiko für defekte Akkus übernimmt [8].


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-453277

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.betterplace.com/company/video-detail/better-place-battery-switch-technology-demonstration/
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Daenemark-strebt-Fuehrungsrolle-bei-Elektroautos-an-446455.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Australischer-Stromkonzern-und-Better-Place-wollen-Infrastruktur-fuer-E-Mobile-schaffen-476109.html
[4] http://www.ipa.fraunhofer.de/
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Renault-Kangoo-be-bop-Z-E-Seriennahe-Elektro-Studie-452481.html
[6] https://www.heise.de/autos/artikel/Neue-Steckverbindung-auf-dem-Weg-zur-Norm-451521.html
[7] https://www.heise.de/autos/artikel/Elektroautos-Branchenuebergreifende-Initiative-gegruendet-452405.html
[8] http://www.heise.de/autos/Elektroauto-Klimaretter-oder-Feigenblatt--/artikel/s/5679/2