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Mit IntelliLink setzt Opel einen neuen Trend bei preisgünstigen Infotainment-Systemen

Adam and the Apps

Technik Gernot Goppelt
Das IntelliLink-System wirkt wie ein fest verbauter Tablet-PC. Die Bedienung erfolgt direkt per Touchcscreen, über darunter angeordnetet Bedienelemente oder das Lenkrad. Ein Sprachbedienung über Apples "Siri" soll später folgen.

Mit IntelliLink setzt Opel einen neuen Trend bei preisgünstigen Infotainment-Systemen. Das System kann sowohl mit iOs-Smartphones (Apple) verbunden werden, als auch Geräten, die Android als Betriebssystem nutzen

München, 26. November 2012 – Auf den ersten Blick verblüfft der neue Opel Adam durch seine schier unendlich anmutende Varianten- und Farbenvielfalt. Auch im Inneren geht es farbenfroh zu, bis hin zum Infotainment-System namens "IntelliLink", das im Stile eines kleinen Tablet-PCs in der Mittelkonsole sitzt. Es ist mit einem Aufpreis von 300 Euro das kostspieligste Infotainment-System für den Adam. Teuer ist es allerdings nicht, wenn man erst einmal entdeckt, was IntelliLink alles kann.

Offen für iOs und Android

Erste gute Nachricht, und die ist nicht selbstverständlich: Das System kann sowohl mit iOs-Smartphones (Apple) verbunden werden, als auch mit Geräten, die Android als Betriebssystem nutzen. Ein Smartphone muss es schon sein, aber allzu viele vor allem junge Adam-Käufer wird es ohnehin nicht geben, die noch ein schnödes Handy mit echten Tasten benutzen. Und wer sich nicht für soziale Netzwerke und ähnliche Segnungen der modernen Zeit interessiert, wird sich nicht für Intellilink entscheiden, sondern für eines der einfacheren "Autoradios", die Opel natürlich ebenfalls anbietet.

Sieben-Zoll-Touchscreen

IntelliLink zeigt sich in Form eines großen Touchscreen-Displays in der Mittelkonsole, das sowohl Bildschirm als auch Bedienoberfläche ist. Es ist im Grunde eine Art integrierter Tablet-PC, der Verbindung mit einem Smartphone aufnehmen kann. Das iPhone oder das Android-Smartphone kann per Bluetooth oder USB mit IntelliLink verbunden werden. Auf Wunsch gibt es auch ein Halterung namens FlexDock für den Aufpreis von 90 Euro. Das Smartphone wird darin geladen und die Verbindung zu IntelliLink wird hergestellt, ohne mit einem weiteren Kabel herumfummeln zu müssen.

Navigation zum Mitnehmen

In Summe wird man also 300 bis 390 Euro los, für die aber eine Menge geboten wird. Man erhält eine Freisprecheinrichtung, bei der die Fahrzeuglautsprecher genutzt werden, kann Musik vom Smartphone streamen oder Navigations-Apps nutzen, die auf dem Smartphone gespeichert sind. Der Kunde kann sich zum Beispiel das so genannte BringGo-Navigationssystem als App herunterladen, welches einschließlich des Kartenmaterials auf dem Gerät gespeichert wird. Letzteres ist deswegen interessant, weil der Kunde keine Breitbandverbindung aufbauen muss, um live auf Daten zuzugreifen. Das spart vor allem jenen viel Geld, die sich keine teure Datenflatrate leisten wollen. Das Kartenmaterial stammt übrigens von Navteq, das wiederum zu Nokia gehört. Nokia bietet auf seinen Smartphones seit längerem Karten an, deren Nutzung keinen Breitband-Internet-Zugang erfordert.

GPS light

Beim Auffinden der Satelliten ist die Navigation ebenfalls auf die Fähigkeiten des Smartphones angewiesen. Normalerweise wird die erste Orientierung über A-GPS erfolgen. Dabei erhält das Mobiltelefon zunächst eine Positionsangabe aus dem Mobilfunknetz, was danach das Auffinden der Satelliten vereinfacht. Was der Opel Adam nicht zu bieten hat, ist die Ankopplung an eine externe GPS-Antenne, wie sie in höheren Fahrzeugklassen zu finden ist. Das ist zu verschmerzen, zumal es unbenommen bleibt, bei Bedarf ein "echtes" Mobilnavi an der Frontscheibe anzubringen. Vielen Gelegenheits-Navigatoren wird das BringGo genügen, zumal es auch Fußgänger- oder Fahrradnavigation taugt.

Nicht ganz konsequent wirkt die Anbindung von BringGo ohne das FlexDock. Das Smartphone, welches die meisten im Bereich des Mitteltunnels ablegen, hat dann keine freie Sicht auf Satelliten. Moderne Smartphones können diese zwar auch ohne direkte Sicht finden, doch es empfiehlt sich ein Test mit dem eigenen Gerät, um keine Enttäuschung zu erleben. Beim FlexDock andererseits kann man sich fragen, wozu denn das Smartphone im Sichtbereich dienen soll, wenn die Apps so schön im Sieben-Zoll-Display von IntelliLink dargestellt werden können.

Updatefähig

Ein großer Reiz der IntelliLink-Lösung besteht in seiner Zukunftssicherheit. Sie löst weitgehend ein Dilemma, mit dem bisher nicht einfach umzugehen war – die unterschiedlichen Entwicklungszyklen von Autos und Unterhaltungselektronik. Wer weiß denn, welche Software und Apps man in fünf Jahren benutzen wird? Ist dann mein "Autoradio" nicht völlig veraltet? Im Opel Adam ist das aller Voraussicht nach nicht der Fall, weil man einfach die Funktionen auf dem Smartphone aktualisiert und dem Auto zur Verfügung stellt. Irgendwann mag zwar der Tag kommen, an dem auch die fahrzeugseitige Software veraltet ist und nicht mehr mit den modernen Endgeräten "sprechen" kann. Auch das ist aber kein Problem, weil der Opel-Servicebetrieb auch die IntelliLink-Software aktualisieren kann.

Das App-Konzept erlaubt es, quasi beliebig neue Funktionen per Smartphone anzubieten, die dann fahrzeugseitig in IntelliLink genutzt werden. Vom Start weg gibt es außer BringGo die App "Stitcher", welche ein Podcast-Internetradio oder Radioprogramme live oder zeitversetzt zur Verfügung stellt. Hier spätestens ist natürlich eine Daten-Flatrate für das Smartphone erforderlich. Geplant, aber zu Anfang noch nicht verfügbar, ist die App "Tuneln", im Prinzip ein Internet-Radio mit einer redaktionellen Vorauswahl. Ebenfalls angekündigt ist die App "MirrorLink", die jedoch ein wenig aus dem Rahmen fällt: MirrorLink, hervorgegangen aus "Terminal Mode" macht im Grunde genau das, was der Name andeutet: Der Inhalt des Smartphones wird auf das Display des Autos gespiegelt – oder umgekehrt: Das Smartphone nutzt das Auto-Display als Bildschirm.

Der Touchscreen als Terminal

Auf Anhieb wirkt dies etwas verwirrend, weil MirrorLink mit IntelliLink selbst zu konkurrieren scheint, der technische Ansatz ist aber ein etwas anderer: Bei IntelliLink übernimmt das Smartphone zwar ebenfalls die Rolle eines Servers, die Apps schicken aber nur Steuerdaten an das Auto, die erst IntelliLink für den Touchscreen-Monitor aufbereitet. MirrorLink folgt eher dem Gedanken, Smartphone-Apps auf dem Monitor zu spiegeln – auch hier allerdings sollen Informationen mitgeliefert werden, die eine Bedienung mit den Bordmitteln des Autos erlaubt. Dieser Ansatz ist in der Autobranche durchaus umstritten. Manche befürchten, dass darüber Funktionen Eingang ins Auto finden könnten, die dort im Hinblick auf die Fahrsicherheit nichts zu suchen haben. Aber auch die Herkunft ist eine andere: MirrorLink wurde ursprünglich von der Mobilfunkbranche getrieben, das Konzept ist nicht an einen Automobilhersteller gebunden. Umso bemerkenswerter ist es, dass GM und Opel die MirrorLink-Option zulassen.

Sicherheitscheck für Apps

Zwar will das CarConnectivity-Konsortium, das hinter MirrorLink steckt, einen Schutzmechanismus zur Verfügung stellen: Apps, die während der Fahrt benutzt werden, sollen nur zugelassen werden, wenn sie auf ihre Unbedenklichkeit geprüft werden. Wie genau dieser Prozess aussehen soll, ist aber offen. In dieser Hinsicht wirkt IntelliLink berechenbarer, weil es eine GM-Entwicklung ist und der Autohersteller somit selbst bestimmt, welche Apps zugelassen werden. Es liegt nahe, dass es dabei nicht bei BringGo, Stitcher und Tuneln bleiben wird, sondern Opel oder GM noch einige neue Ideen für das Infotainment-System im Adam präsentieren werden.

Sprachverarbeitung in der Cloud

Anwendern von iPhones wird übrigens ein Angebot gemacht, das Android-Smartphones im Zusammenspiel mit IntelliLink zunächst nicht bieten können. Man wird die Apple-Spracherkennung Siri nutzen können, mit der Funktionen per Spracheingabe bedient werden können. Siri soll sogar natürlich formulierte Sätze verstehen und kann mit der "Cloud" kommunizieren, also per Datenverbindung auf Apple-Server zugreifen, damit die Sprachverarbeitung dort stattfinden kann. Für weniger an diesem Metier Interessierte mutet es geradezu abenteuerlich an: Mein Sprachbefehl wird an einen Server gesendet, der irgendwo in der Welt steht, um möglichst gut zu verstehen, was IntelliLink im Auto für mich tun soll.

Radio gibt es auch

IntelliLink beherrscht natürlich auch ganz bodenständige Fähigkeiten: Per USB, Mini-Klinke oder Bluetooth kann man Musik abspielen, einzig den eingebauten CD-Player schenkt sich Opel, ihn gibt es nur in den einfacheren Systemen. Natürlich gibt es auch einen UKW-Tuner, auf Wunsch (200 Euro) auch DAB+, ein noch nicht übermäßig verbreiteter Digitalfunk, der wie analoger Rundfunk terrestrisch verbreitet wird. Obwohl die Dichte von Sendemasten in Deutschland hoch ist, bietet DAB+ nach wie vor nicht allzu viele Sender, diese allerdings quasi störungsfrei. Dass sich die Technik bisher nicht stärker durchgesetzt hat, liegt wohl daran, dass das UKW-Angebot in Deutschland einfach zu gut ist.

Auch Fotos oder Videos, die auf dem Smartphone gespeichert sind, können auf dem Display in der Mittelkonsole angeschaut werden, allerdings nur bei stehendem Fahrzeug. Die Freisprechfunktion wird – solange es noch keine Spracherkennung gibt – direkt über den Touchscreen bedient. Dazu muss man nur auf dem Touchscreen einen Namen aus dem Adressbuch wählen, welches vom Smartphone übernommen wird. Dann noch den virtuellen "Anruf"-Button drücken und man kann über Mikrofon und Fahrzeuglautsprecher telefonieren. Auch hier wieder dasselbe Prinzip: Per Touchscreen lassen sich die Infotainment-Funktionen bedienen, die eigentlich auf dem Smartphone liegen. Tatsächlich geht IntelliLink sogar über das Infotainment hinaus: Die Insassen können 23 verschiedene Bediensprachen einstellen, zudem erhält auch Informationen zu Klimaanlage, Parkpilot und Parkassistent auf dem Sieben-Zoll-Monitor.

Preiswürdig

Was das IntelliLink-System derzeit zu etwas Besonderem macht, ist die große Funktionsvielfalt zu einem wirklich günstigen Preis. Nun könnte man bemängeln, dass dies auch keine große Kunst ist, denn es handelt es sich eigentlich nur um einen Kleincomputer mit großem Bildschirm. Die Funktionen sind doch ohnehin nur prgrammiert und die Schnittstellen standardisiert. Das mag sein. Doch man darf fragen, warum andere Hersteller kein so preisgünstiges System anbieten, das noch dazu mit allen gängigen Smartphone-Typen klarkommt. Wir würden uns vielleicht noch eine externe GSM-Antenne wünschen, um den Empfang bei der Datenübertragung zu verbessern, denn die Bedeutung von Breitband-Verbindungen wird weiter zunehmen.

Software senkt den Preis

Dennoch empfinden wir das IntelliLink-System als derzeit interessantestes Angebot im Kleinwagensegment, zumal auch Käufer bedient werden, für die ganz klassisch die Musik im Vordergrund steht: Sie bekommen für weitere 400 Euro ein Sound-System von Infiniti dazu, das acht Lautsprecher hat, darunter ein Subwoofer im Kofferraum. Der Preisverfall der Lautsprecher ist naturgemäß nicht so ausgeprägt wie beim IntelliLink-System, das vom Tuner einmal abgesehen praktisch komplett aus Software aufgebaut ist. Insofern ist die Preisgestaltung von Opel durchaus ein Weckruf für andere Hersteller: Mehr als 300 Euro muss es wirklich nicht kosten, danke.


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