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Kartenspiele

Dauertest Kia e-Soul: Ladekarten

Fahrberichte Clemens Gleich
Kia, alternative Antriebe

Die Elektropioniere können hier gähnend weiterklicken: Sie kennen das seit Jahren. Der Neuling hingegen erfährt hier eine Kompaktübersicht über wichtige Ladekarten und was ihn erwartet, wenn er mit diesen Karten im Handschuhfach durch die Republik reist.

Dieser Erfahrungsbericht besteht aus mehreren Teilen. Dieses ist der dritte Teil.

Teil 1: Ein Auto, das in positiver Hinsicht vollkommen normal ist [1]
Teil 2: Batteriehub und Reichweite [2]
Teil 4: Autobahn-Verbräuche im Trockenen [3]
Teil 5: BEV-Kaufberatung [4]
Teil 6: Dauertest-Fazit [5]

“Warum nimmst du nicht einfach die App?“, fragen eigentlich nur Leute, die in der Praxis nie ausprobiert haben, nur mit App deutsche Elektroauto-Ladestationen zu becircen. Die Kommunikation zwischen App und Station versagt häufiger als die Authentifizierung mit RFID-Karte. Dazu kommt, dass eine Karte im Regen besser bedienbar ist, in der Tiefgarage oder generell bei ungenügendem Mobilfunk noch funktioniert und schlussendlich gibt es manche Installationen, die aus Legacy-Gründen gar nicht mit der flammneuen App können, wohl aber mit der RFID-Karte, für die sie damals entwickelt wurden. Deshalb stellen wir hier einen Satz Karten vor, die ins Handschuhfach des neuen E-Autos gehören.

Most Valuable Paycard

Die wichtigste dieser Karten ist die des jeweiligen Stromanbieters in der Haupt-Fahrgegend. Für die Stromanbieter ist es günstiger, Google und Apple Apps verteilen zu lassen, als Karten zu verschicken. Deshalb sind die Kartenbestellknöpfe gelegentlich etwas versteckt. Beim schwäbischen Energieversorger EnBW [6] müssen Sie zum Beispiel in der App die Karte zu Ihrem aktuellen Tarif bestellen. Auf der Website geht es nicht mehr.

Durch den ADAC hat die EnBW-App bundesweit Bedeutung (mehr dazu im nächsten Abschnitt). Mittlerweile haben sich viele Anbieter untereinander auf Roaming geeinigt, sodass einen diese Karte schon allein ein Stück weit bringen sollte. Sie sollten jedoch die Roaming-Gebühren vorher studieren. Beim aufgrund seiner günstigen Preise beliebten Anbieter Maingau können die Roaming-Gebühren im Ausland auf bis zu 70 ct / kWh steigen, bei einem Basispreis von 25 ct / kWh (Normaltarif). Bei Kunden mit Verträgen für Hausstrom oder Gas bei Maingau entfallen diese Beträge.

ADAC e-Charge

Auch der ADAC hat einen Fahrstrom-Tarif mit Ladekarte herausgebracht, in Zusammenarbeit mit der EnBW. ADAC-Mitglieder können den für sie kostenlosen e-Charge-Tarif in der App buchen. Sie erhalten eine Mail, in der steht, dass eine kostenlose Ladekarte verschickt werde. Die lesen sehr viele Kunden nicht richtig (ich auch nicht) und bestellen daher versehentlich in der App eine zweite Ladekarte, die dann 9,90 Euro kostet (ich auch). Sie wurden hiermit vorgewarnt. Grämen Sie sich aber nicht, das passiert so vielen Kunden, dass es reicht, einen Zettel mit „versehentlich bestellt“ zur Karte in einen postwendend adressierten Briefumschlag zu stecken. Die Rechnungsabteilung wickelt den Vorgang dann zurück ab.

Bis die Karte kommt, dauert aktuell aufgrund der Nachfrage ein paar Wochen. Meine hat über einen Monat gebraucht. In der Lieferzeit können Sie bereits die EnBW-App namens „Mobility+“ benutzen, um Strom zum ADAC-Tarif zu kaufen. Der Strom kostet 29 ct / kWh für AC-Ladung und 39 ct / kWh für DC-Schnellladung. Das sind die Konditionen des EnBW-Vielfahrer-Tarifs, nur ohne die dort fällige Grundgebühr von 5 Euro. Zusätzlich erhalten Kunden mit der e-Charge-Karte 5 Prozent Rabatt bei der Miete eines Langstrecken-Verbrennerautos. Die teilnehmenden Vermieter finden Sie auf der ADAC-Website [7].

Laut ADAC soll die Karte und die App auch roamen zum selben, transparenten Preis, bei einer Abdeckung von 90 Prozent der Anbieter. Hier würde ich gern von Lesern außerhalb Baden-Württembergs hören, wie das funktioniert, denn ich lade ja hauptsächlich im Ländle und den bayrischen Grenzgebieten. Die Preisstruktur gefällt mir sehr gut, weil zwei Preise und die Abrechnung nach kWh einfach vorhersehbare Kosten erzeugen.

Plugsurfing & Newmotion

Eine Zeitlang wurde Plugsurfing als DIE Karte empfohlen, die man haben musste (oder besser: der Schlüsselanhänger). Der Grund war einfach, dass Plugsurfing damals weiter war mit der Abdeckung als Andere. Ein Teil davon stimmt immer noch. Ich hatte es schon mehrfach, dass mein Plugsurfing-Schlüsselanhänger funktioniert hat, wo sonst nichts ging. Der Plugsurfing-Fob kostet 9,95 Euro.

Ebenso sollten BEV-Fahrer, die in die Niederlande wollen, unbedingt die Newmotion-KARTE bestellen (beziehungsweise den Schlüsselanhänger), denn die entsprechende App funktioniert nicht mit jeder Ladestation, zum Beispiel nicht mit den älteren auf den holländischen Inseln, auf die der deutsche Urlauber ja gern fährt. Newmotion im Handschuhfach bereitzuhalten, kostet auch zunächst nichts, da der Anbieter den Keyfob oder die Ladekarte kostenlos verschickt.

Beide Systeme verwende ich jedoch nur als Fallback, und zwar aufgrund ihrer byzantinischen Kostenstruktur: Sie rechnen nach Ladezeit und/oder Ladeart ab, also einen Minutentarif am Schnelllader, einen am AC-Lader. Bei Newmotion kann noch eine Grundgebühr pro Ladevorgang plus die Energiekosten pro kWh dazukommen. Damit kann der Strom sehr schnell sehr teuer werden, und wichtiger: Viele Ladestationen verraten nicht, was sie nachher abrechnen. Ich habe schon über 80 ct / kWh bezahlt.

Die jeweils entsprechenden Apps der Betreiber zeigen den Preis an – wenn sie Daten erhalten und installiert sind. Letztendlich ist der Preis unterwegs häufig schwer vorhersehbar, und ganz ehrlich: Ich will mich auch nicht jedes Mal durch eine neue App wurschteln, nur um zu sehen, was ich an einem neuen Ort bezahlen soll. Die ADAC-Lösung ist deutlich transparenter.

Doch wie so viele Probleme ist auch dieses aktuell ein virtuelles, denn viele bis bei mir sogar die meisten Ladevorgänge funktionieren schlicht nicht im Sinne des Erfinders. Meine Angst vor Plugsurfing-Abrechnungen schwindet mit jeder nicht erstellten Rechnung. Newmotion hat kurz eine (erfolgte) Ladung angezeigt, aber heute morgen war sie wieder weg. Heute Mittag war sie wieder da, aber ohne Kosten (Ladestation zeigte 8 Euro an), von denen ich annehme, das sie nicht kommen werden. Ich fahre größtenteils kostenlos.

Nichts funktioniert

Die Funktionsfrequenz aller dieser Lader quer durch die Republik mag sich gebessert haben, gut ist aber anders. Ich habe mich häufig genug über die EnBW aufgeregt, aber das eben nur, weil sie mich am häufigsten betreffen. Leser berichten von anderswo. Es scheint mir überall problematisch. Immerhin geht das Verständnis der Energiekonzerne mittlerweile so weit, dass ihnen klar ist: Der Kunde, der mit seinem letzten Volt Spannung zur per App als funktionierend versprochenen Ladestations-Oase kriecht, wird nicht erfreut sein, wenn er dort ohne Stromlieferung versauert. Deshalb liefern die Stationen zumindest häufiger Strom, als dass gar nichts geht. Das reicht aber nicht.

Der am Elektroauto interessierte Leser mag sich zum Gedanken versteigen, dass kostenloser Strom ja super für E-Auto-Fahrer sei. Das stimmt aber nur, wenn er absichtlich verschenkt wird, mit einem Plan. Die Energiekonzerne wollen jedoch mit verkauftem Fahrstrom Geld verdienen. Wenn dieses Geschäft Traktion findet, fallen dem Betreiber die nötigen Investitionen in Infrastruktur leichter. Aktuell fühle ich mich wie in einem Restaurant, in dem ich alles geschenkt kriege, weil der Wirt zu blöd ist, seine Kasse zu bedienen. Ja, klar freue ich mich über eine Gratismahlzeit. Aber ich weiß doch auch, dass er sein Geschäft auf diese Art nicht dauerhaft betreiben können wird. Und wo wird er als erstes sparen? Am Essen, das er ausliefert. Wenn der Energiekonzern kein Geld mit Fahrstrom verdient, wird der aktuelle, beklagenswerte Zustand sich nicht verbessern.

Von zehn Plugsurfing-Abrechnungen wurde eine gebucht. Bei der EnBW sind am Wochenende geschätzt zwei Drittel bis drei Viertel der Ladestationen ausgefallen, weil das Backend gecrasht ist und ab Montag langsam wieder instand gesetzt wurde. Bitte rechnet meinen Strom ab, dass ihr euch eine Wochenend-Bereitschaft leisten könnt! Egal aus welchem Grund: Manchmal, wenn die App versagt, geht es doch noch mit Ladekarte, aber dann wird mit Sicherheit nichts abgerechnet. Wahrscheinlich fehlt die Verbindung zur Zentrale.

Ich habe fünf Mal am EnBW-Schnelllader an der Autobahn geladen. Die App funktionierte davon ein Mal, wie sie sollte. Bei den restlichen Ladevorgängen musste ich auf die Kreditkarte zurückgreifen, für die es einen Schlitz gibt. Das kostet pauschal 5 Euro. Die wurden bei mir je einmal pro Tag abgerechnet. Ich weiß nicht, ob das Absicht ist, aber ich weiß, dass sich das nicht lohnen kann für fast 40 kWh Ökostrom.

Da auch die grafische Oberfläche gelegentlich abstürzt, während man davor steht, können wir sehen, dass die Dinger auf Ubuntu 12.4 laufen, für das es seit über zwei Jahren keine Updates mehr gibt (EoL April 2017). Ich weiß nicht, was der Plan ist, aber wahrscheinlich scheint mir: Diese ganzen Alpha-Versionen von Ladestationen werden stehenbleiben, bis sie abrauchen oder sich das ökonomische Ökosystem „BEV-Fahrer kauft Strom an automatischer Station“ stabilisiert hat.

Hilf dir selbst, sonst helfe dir Gott

Der Kia e-Soul mit der großen Batterie kostet fast 38.000 Euro. Ich denke, wir können davon ausgehen, dass sich Käufer solcher Fahrzeuge ein paar kWh Energie leisten können. Vor allem im Autobahnverkehr sind Reisende sicher bereit, mehr für Strom zu zahlen. Wir wissen das, weil sie entlang der Autobahn mehr für Flüssigtreibstoff zahlen. Der Anbieter muss daher in der Lage sein, Geld anzunehmen für seine verkaufte Energie.

Ein vollautomatisches Abrechnungssystem macht häufig Probleme, das kennt wohl jeder aus unbemannten Tankstellen. Deshalb ist die Antwort zumindest für Autobahnen einfach: Da im Kassenhäuserl sitzen Menschen. Gebt denen einen Schlüssel, damit sie das Ladekabel-Schloss lösen können, wenn die Station es nach Ende des Ladens nicht schafft. Gebt ihnen eine Einweisung in die Basics. Lasst sie vom Häuserl aus den Ladevorgang freischalten und dort bezahlten, wenn es Probleme gibt.

Wer jetzt schreit „O Gott! Das ist doch GEFÄHRLICH!“, der traut diesen Menschen vielleicht zu wenig zu. Sie sitzen den ganzen Tag auf einem Tank voller hochbrennbarer Stoffe, die Kunden gern mal unbedacht auf den Asphalt rüsseln und sterben trotzdem nicht wie die Fliegen. Sie sollen ja gar nicht Maschinenbau und Informatik studieren und alles reparieren. Sie sollen nur dafür sorgen, dass Reisende weiterreisen können, wie sie es bei Benzin auch tun. Das kriegen sie schon hin, zumindest besser als ein Automat. Ich hatte beim Benzin kaufen nur einmal je Probleme beim Bezahlen. Der Kartenleser hatte keine Verbindung. Ich fuhr (nach dem Tanken) in den nächsten Ort, holte Bargeld und brachte es ins Häuserl, damit der Kassierer es in seine Kasse werfen konnte. Fertig. Das kann der Automat aber nicht.

Für den Elektroauto-Interessenten gibt es daher einen wichtigen Tipp: Je braver das Auto, umso weniger grau auf dem Schädel werden Sie beim Laden. Die koreanischen Antriebe punkten hier: Ich hatte bisher kein Ladeproblem, bei dem der e-Soul den Fehler produziert hätte. Eher im Gegenteil: Wenn die Ladestation das Kabel nicht freigibt, kann dies das Auto erledigen. Der e-Soul tut das, wenn man vor ihm steht und am Hands-free-Keyfob auf Entriegeln drückt. Von daher: Ich vermisse die Fähigkeit des Renault Zoe [8], an jeder AC-Ladestation 22 kW zu ziehen. Aber ich genieße die Gewissheit, dass mich der Kia schon einmal nicht im Stich lassen wird im Dickicht der Alpha-Versions-Lader.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/E-Laternenparken-I-Dauertest-Kia-e-Soul-4416759.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Dauertest-Kia-e-Soul-Batteriehub-Reichweite-4421647.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Dauertest-Kia-e-Soul-Was-verbraucht-er-auf-der-Autobahn-4441596.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Dauertest-Kia-e-Soul-BEV-Kaufberatung-4455204.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Dauertest-Kia-e-Soul-Fazit-4476572.html
[6] https://www.heise.de/autos/artikel/Klartext-Positiv-umgepolt-4333785.html
[7] https://autovermietung.adac.de/clubmobil/e-charge-vorteil/
[8] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-Renault-Zoe-R110-4118617.html