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Wie gut ist der Dreier mit Vierzylinder und Achtgang-Automatik?

Ein Ausflug im neuen BMW 320i

Fahrberichte Martin Franz
Der aktuelle BMW 3er ist seit Februar 2012 auf dem Markt.

Im neuen BMW 320i soll ein Turbolader für flinke Fahrleistungen und einen geringen Verbrauch sorgen. Wir konnten die 184 PS starke Limousine mit einer Achtgang-Automatik ausprobieren

Haar, 27. November 2012 – Wie sich die Zeiten ändern: Früher stand die Bezeichnung 320i für einen seidenweich laufenden, etwas durchzugsschwachen Zweiliter-Sechszylinder, zwischen 2000 und 2007 war es dann ein Sechsender mit 2,2 Litern Hubraum. Im Vorgänger der aktuellen Dreierreihe arbeitete im 320i ein Vierzylinder, der weder einen wohlklingenden Sound noch spritzige Fahrleistungen bot. Zumindest beim letzten Punkt haben die Bayern dem neusten Dreier ordentlich Beine gemacht: Ein Turbolader soll nun für Schwung schon aus dem Drehzahlkeller und einen geringen Verbrauch sorgen. Ob beides gelingt, wollten wir bei einer Ausfahrt wissen.

Temperamentvoll

Trotz eines Leergewichts von mehr als 1,5 Tonnen beschleunigt der 320i flott. Sein Vierzylinder leistet 184 PS bei moderaten 5000/min. Das maximale Drehmoment von 270 Nm liegt zwischen 1250 und 4500 Umdrehungen an. Wer es drauf anlegt, beschleunigt diesen Dreier in 7,6 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100, erst bei 235 km/h ist die Höchstgeschwindigkeit erreicht. Der Motor bleibt akustisch meistens im Hintergrund, was auf schnellen Autobahnetappen sehr angenehm ist. Auch die Zusammenarbeit mit der Achtgang-Automatik klappt sehr gut: Die Schaltvorgänge laufen weich und unmerklich ab.

Sparanreiz

Den Verbrauch im NEFZ gibt BMW mit 5,9 l/100 km an. Von diesem Wert blieben wir aber ein gutes Stück entfernt, was zwei Gründe hat. Zum einem sind wir nicht betont zurückhaltend gefahren, da ist im Alltag sicher noch etwas Luft nach unten. Zweitens war der Testwagen mit einer 18-Zoll-Bereifung ausgestattet. War der „Fahrerlebnisschalter“ auf normal gestellt, lag der Verbrauch bei unserer Ausfahrt bei 8,5 l/100 km. Im Eco-Pro-Modus waren es 7,6 l/100 km. Dabei hat sich BMW einen besonderen Anreiz einfallen lassen: Im Kombiinstrument werden die Kilometer angezeigt, die man durch den gesparten Sprit mit dieser Tankfüllung weiter fahren kann – eine Anzeige, die den Ehrgeiz zum Sparen weckt. Im Eco-Pro-Modus verändert sich die Kennlinie des Gaspedals und optimiert Zusatzverbraucher wie die Klimaautomatik. Der Sparwillen des Fahrers, noch mehr Kilometer auf die Anzeige zu bekommen, dürfte an dem bis zu 20 Prozent geringerem Verbrauch, den BMW in diesem Modus verspricht, seinen Anteil haben.

Noch etwas sparsamer soll der 320i EfficientDynamics Edition sein, den BMW mit 5,3 l/100 km im NEFZ angibt. Der Vierzylinder ist aus dem 118i bekannt. Er leistet 170 PS und bietet ein maximales Drehmoment von 250 Nm. Aus der Sicht von BMW ist das ein schlauer Schachzug, denn statt einen 318i für etwas weniger Geld anzubieten, verkaufen sie die "Öko-Version" zum gleichen Preis.

Straff abgestimmt

Der Rest ist von früheren Ausfahrten bekannt. Der Dreier liegt straff auf der Straße, beim Testwagen verstärkte sich dieser Eindruck durch die großen Räder noch etwas. Der Restkomfort ist dennoch mehr als ausreichend. Durch diese Auslegung, die dem Fahrer stets eine gewisse Rückmeldung gibt, hat sich auch diese Generation etwas von jenem Charme erhalten, die den Dreier seit jeher auszeichnet. Zusammen mit der direkten Lenkung flitzt auch der aktuelle 320i um die Kurven, dass es eine wahre Freude ist.

Bequem, klangstark

Das Platzangebot ist ausreichend, ganz so eng wie frühere Modelle ist er nicht mehr, ohne deshalb dem größeren Fünfer Konkurrenz zu machen. Die bequemen Sportsitze für 630 Euro extra bieten zahlreiche Einstellmöglichkeiten, so ist unter anderem auch die Lehnenbreite veränderbar. Die Instrumente lassen sich gut ablesen. Das nicht ganz billige Head-up-Display möchte man schon nach kurzer Eingewöhnung nicht mehr missen. Im Testwagen war das teurere der beiden Navigationssysteme eingebaut. Der gewaltige Funktionsumfang lässt sich erstaunlich gut bedienen, wenngleich niemand erwarten sollte, solche Systeme sofort in vollem Umfang ohne einen Blick in die Anleitung nutzen zu können. Eine Erwähnung ist auch das Soundsystem von Harman/Kardon wert: Selbst bei hohen Lautstärken knickt es nicht ein, der Klang bleibt unverzerrt und kraftvoll. Wir konnten das billigere Hifi-System von BMW in diesem Dreier noch nicht hören. Sollte der Unterschied aber ähnlich sein wie im Vorgänger, heißt es Sekt oder Selters: Wenn, sollte man sein Geld lieber gleich in das große Paket stecken.

Teuer

Die Verarbeitung ist solide, alles andere wäre angesichts der stolzen Preise auch verwunderlich. Allerdings scheinen bei der Materialauswahl in einigen Bereichen des Innenraums strenge Controller das letzte Wort gehabt zu haben. Die waren auch beim Kofferraum am Werk. Beim Vorgänger [1] waren die Gelenke für den Kofferraumdeckel noch außerhalb angebracht, nun ragen zwei riesige Bügel ins Gepäckabteil – ein Fortschritt ist das ganz sicher nicht. Immerhin: Mit 480 Litern Volumen fasst der Kofferraum nun 20 Liter mehr als im alten Dreier.

Der 320i mit der empfehlenswerten Automatik kostet 35.360 Euro. Wie in der Premium-Liga üblich, lassen sich schnell weitere 10.000 Euro an Extras ordern, ohne dafür ein ausgesprochen luxuriöses Auto zu bekommen. So verwundert es kaum, dass inzwischen fast 80 Prozent aller hierzulande verkauften Dreier an gewerbliche Nutzer [2] gehen.


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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/BMW-3er-im-Gebrauchtwagen-Check-1727120.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Erfolgskontrolle-Neuzulassungen-im-Oktober-2012-1755483.html