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Enduro aus China: Mash 400 Adventure R

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Reiseenduros erfreuen sich höchster Beliebtheit in Europa, sind jedoch meist wegen ihrer kräftigen Motorisierungen und hochwertigen Komponenten ziemlich teuer. Aus China, dem Land mit der höchsten Motorradproduktion der Welt, kommt mit der Mash 400 Adventure R nun potenzielle Abhilfe

Köln, 18. Januar 2016 – Reiseenduros erfreuen sich höchster Beliebtheit in Europa, sind jedoch meist wegen ihrer kräftigen Motorisierungen, hochwertigen Komponenten und moderner Elektronik ziemlich teuer. Aus China, dem Land mit der höchsten Motorradproduktion der Welt, kommt mit der Mash 400 Adventure R nun potenzielle Abhilfe.

In China existieren zurzeit rund 300 verschiedene Motorradhersteller, so genau weiß das wahrscheinlich noch nicht einmal die Zentralregierung in Peking, und die Chinesen sind sehr progressiv, was die Modellvielfalt angeht. Wurden bis vor kurzem im Reich der Mitte 250er noch für Big Bikes gehalten, stocken sie jetzt die produzierten Hubräume immer weiter auf.

Shineray ist einer der größten chinesischen Motorrad- und Autohersteller und bietet seine Zweiräder unter anderem mit einem 397-Kubikzentimeter-Motor mit 27 PS an. Bislang arbeitete der Einzylinder in einem Retro-Modell, das der Yamaha SR 400 verdächtig ähnlich sieht. Der französische Importeur Sima taufte die China-Bikes auf den etwas griffigeren Namen Mash und offeriert das bisherige Flaggschiff als 400 Five Hundred in Europa. Nun bedienen die Chinesen auch die Abenteuerfraktion und exportieren ihre Shineray XY 400 GY als Mash 400 Adventure R nach Deutschland. So etwas musste ja irgendwann kommen.

Wirkt wie eine große Reiseenduro

Auf den ersten Blick wirkt sie wie eine ausgewachsene Reiseenduro. Sie baut hoch mit langen Federwegen, hat reichlich Bodenfreiheit, einen großen Tank, den typischen Entenschnabel über dem 21-Zoll-Vorderrad und sogar Alukoffer am Heck. Erst wenn man sie genauer in Augenschein nimmt, fällt die Luftkühlung auf – heute selten bei einem Neufahrzeug. Die 400 Kubikzentimeter wirken heute auch eher schmal, aber noch vor rund zwei Jahrzehnten fuhren Fernreisende mit diversen 350er- und 400er-Einzylindern quer durch die Sahara (wobei ja schon längs eine große Leistung ist). Ähnlich nostalgisch wie die Luftkühlung wirken die Faltenbälge an der Teleskopgabel. Pragmatisch betrachtet kann so eine konservativ aufgebaute Maschine zwar vorteilhaft bei reisen in Dritte-Welt-Ländern sein – weil ja bekanntlich nicht Vorhandenes auch nicht kaputtgehen kann. Das stimmt so allerdings auch nur bei in etwa vergleichbarem Qualitätsniveau.

Wer jetzt bei einem chinesischen Motorrad fürchterliche Schweißnähte und mangelnde Passgenauigkeit der Teile erwartet, wird angenehm enttäuscht. Die elegant geformte Schwinge besteht nicht etwa aus Stahl, sondern aus Aluminium und zeigt sehr ordentliche Schweißverbindungen. Wo keine thermischen Fügeverfahren angewendet werden, wirkt alles sauber zusammengeschraubt. Im Cockpit findet sich kein Fahrradtacho, sondern ein digitales Display mit leserlichen Anzeigen. Lediglich der Drehzahlmesser ist noch analog, aber genau deshalb schnell erfassbar. Im Design wirkt der Scheinwerfer durchaus ansprechend, wenn auch die Lichtausbeute bestenfalls Durchschnitt ist.

Die hohe Scheibe schützt ordentlich vor Wind und die Handprotektoren sind serienmäßig, obwohl wir uns gewünscht hätten, dass sie nicht nur am Lenkerende, sondern auch an einem zweiten Punkt festgeschraubt gewesen wären. So drohen bei einem Sturz eingequetschte Finger. Der Aluminiumlenker mit Mittelstrebe ist ergonomisch sinnvoll gekröpft und vermittelt eine angenehme Sitzhaltung. Selbst beim Stehen auf den gezahnten Fußrasten, wie es im Gelände manchmal erforderlich ist, reicht der Lenker gerade noch hoch genug, dass der Fahrer nicht seinen Oberkörper allzu weit nach vorne beugen muss. Die Sitzhöhe ist mit 880 Millimeter schon recht hoch und macht es kleineren Fahrern schwer, mit beiden Füßen den Boden zu erreichen. Das Polster sitzt sich leider relativ schnell platt und man beginnt relativ früh, auf der Sitzfläche hin- und herzurutschen, auf der vergeblichen Suche nach mehr Bequemlichkeit.

Kein Durchzugswunder

Wie schlägt sich der luftgekühlte 400er mit 27 PS Leistung und 33 Nm Drehmoment? Der E-Starter erweckt den Einzylinder problemlos zum Leben. Der Sound aus dem Doppelrohr-Auspuff klingt sehr angenehm. Sonor und kräftig. Die Seilzug-Kupplung verlangt wenig Handkraft, Gangwechsel funktionieren leichtgängig, wenn auch hörbar.

Autobahnetappen sind naturgemäß nicht ihr Ding, der Tacho quält sich auf 130, mehr geht nicht. Das bevorzugte Revier der 400 Adventure R sind die Landstraßen. Hier will der kleine Einzylinder bei Drehzahlen gehalten werden, allerdings erweist er sich nicht gerade als Ausbund an Drehfreude. Seine Höchstleistung soll der Single laut Hersteller eigentlich bei 7000/min erreichen, doch in der Realität fällt er da bereits merklich ab. Sein Maximum produziert der Motor bei 6000/min, ab 8000 Touren geht in den ersten vier Gängen nichts mehr, im fünften Gang schafft er gar nur noch 6500/min. Dabei vibriert die Maschine bei hohen Drehzahlen fühlbar.

Für den Sprint auf hundert km/h vergehen gut zehn Sekunden, in Sachen Durchzug vollbringt das trocken 161 Kilogramm schwere Motorrad auch keine Wunder, mit vollem 19-Liter-Tank muss der Einzylinder sogar 175 Kilogramm plus Besatzung beschleunigen.

Ein Schwachpunkt der Maschine sind ihre nur 136 Kilogramm Zuladung erlaubt. Selbst mit einem federleichten Passagier kann man kein Gepäck mehr mitnehmen. Dabei bietet Mash für nur 400 Euro Aufpreis einen schicken Satz Alukoffer an.

Riesige Reichweite

Glänzen kann die 400 Adventure R dafür in der Reichweite. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 3,5 Litern auf hundert Kilometer schafft die Reiseenduro theoretisch 543 Kilometer ohne Nachzutanken. Fernreisende hören das gern.

Das Thema Fahrwerk erweist sich als zwiespältig. Die Telegabel des taiwanesischen Herstellers FastAce kann nicht wirklich überzeugen. Zwar bietet sie 210 Millimeter Federweg und rot eloxierte Einstellschrauben für die Dämpfung und Zugstufe, ist jedoch viel zu straff abgestimmt und spricht zu langsam auf Unebenheiten an. Das einstellbare Federbein am Hinterrad arbeitet hingegen ganz passabel und bietet immerhin 200 Millimeter Federweg. Geländeausflüge sind daher, trotz üppiger 250 Millimeter Bodenfreiheit, mit Vorsicht zu genießen, zumal die chinesischen Kenda-Reifen nur wenig Grip bieten. Auch auf Asphalt können sie nicht überzeugen, trotz der schmalen Dimensionen brauchen sie ein recht hohes Losbrechmoment und kippen dann plötzlich in Schräglage. Hier sollten dringend ein Paar Pneus eines renommierten Herstellers aufgezogen werden, die das Fahrverhalten deutlich verbessern dürften. Auch die Bremsen bekleckern sich nicht mit Ruhm, sie verzögern nur mäßig und verfügen vor allem nicht über ein ABS. Als praktisch erweisen sich die Schnellverschlüsse am Luftfiltergehäuse. Wer auf staubigen Pisten unterwegs ist, kann das Filterelement innerhalb von Sekunden ohne Werkzeug herausnehmen und säubern. Einen Hauptständer gibt es leider nicht einmal gegen Aufpreis.

Das eigentliche Argument der Mash 400 Adventure R ist ihr Preis von nur 5195 Euro, der noch etwas Geld für die Fernreise übrig ließe. Zwei Jahre Garantie gibt es vom Importeur, allerdings verlangt er auch alle 3000 Kilometer die Werkstatt zwecks Inspektion aufzusuchen. Wie haltbar die Mash ist, muss sich noch weisen.


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