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Altersmilde?

Fahrbericht: Ford Mustang 5.0 V8 Cabriolet

Ford Jürgen Wolff / Christian Lorenz
Ford

Er ist das Ur-Ponycar, der Steve McQueen auf Rädern. Wenig andere Sportwagen stehen so für Rebellion und Abenteuer wie der Ford Mustang. Jetzt wurde er überarbeitet. Wieviel Pony bietet er noch?

Als die erste Generation des Mustang im April 1964 auf den Markt kam zeichnete sich sein durchschlagender Erfolg bereits ab. Bereits am ersten Verkaufstag vermeldeten die Händler rund 22.000 Bestellungen. Die Gründe für seinen damaligen Erfolg zeigen, dass sich der Mustang im Grunde seines Wesens bis heute treu geblieben ist.

Heute wie damals ist der Grundpreis des Mustang im Vergleich zur eher elitären Konkurrenz nahezu unschlagbar günstig. Im Jahr 1964 kostete der Mustang nur 2368 Dollar. Weitere Erfolgsgaranten für den Mustang und das Segment der Ponycars, das er begründete, sind ein hohes Maß an Individualisierbarkeit sowie die Spanne vom eher bescheiden ausgestatteten Sechszylinder bis zum kraftvollen V8.

Abfärbendes Image

Nicht zuletzt spricht für den Mustang als Ur-Ponycar sein auf den Besitzer abfärbendes Image von ruppiger Freiheit und Unabhängigkeit. Das wiederum geht auch auf den 1968 gedrehten Film Bullitt zurück. Darin prügelte Steve McQueen einen Mustang Fastback durch San Francisco. Unter Verlust seiner Vorderachse fährt er in der vielleicht legendärsten Verfolgungsjagd der Filmgeschichte einen Pyrrhussieg gegen einen Dodge Charger ein. Er drängt den Charger so von der Straße, dass dieser in eine Tankstelle einschlägt und in einer infernalischen Explosion endet. Steve McQueen und der Mustang sind seither ein Hollywood-Traumpaar, obwohl McQueen privat Porsche und Ferrari bevorzugte.

Zahlreiche Bullitt-Sondermodelle wärmten diese Beziehung in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder auf. Auch der gerade neu vorgestellte Mustang startet mit einer Bullitt-Sonderedition im gleichen Highland-Grün wie der Filmmustang. In Genf wurde der neue Bullitt-Mustang gezeigt und kommt schon 2018 nach Europa.

Im Vergleich zum alten 68er ist der aktuelle Mustang ein geradezu sanfter Geselle. Wer will, der kann den Achtzylindermotor zwar dazu bringen, in einem Tunnel alleine durch den Schalldruck für Renovierungsbedarf zu sorgen. Der Klappenauspuff kann den bollernden Rebell aber auf Wunsch auch sedieren. „Gute Nachbarschaft“-Modus nennt Ford das.

Angelehnt an der US-Version hat Ford auch den Mustang für Europa im Design leicht überarbeitet. Scheinwerfer, Tagfahrlicht, Nebelscheinwerfer und Heckleuchten sind nun in LED-Technik ausgeführt. Lufteinlässe und Frontschürze erhielten eine etwas aggressiver wirkende Form. Das Heck prägen neu modellierte Stoßfänger. Bei der V8-Version „GT“ gehören jetzt vier Auspuffendrohre zur Muscle-Car-Folklore. Optional gibt es einen Heckspoiler, der laut Pressemappe das sportliche Erscheinungsbild unterstreicht. Von mehr Anpressdruck an der Hinterachse ist nicht die Rede. Wer's mag.

Countdown für Beschleunigungsrennen

Der Innenraum des 2+2-Sitzers ist nach wie vor sportlich geschnitten. Die Rückbank ist mangels Fußraum eher als Gepäckablage geeignet. Einen großen Sprung hat die Qualität des Interieurs gemacht. Es ist bemerkenswert, welche Verarbeitungsqualität US-Hersteller mittlerweile zumindest bei den Exportmodellen für den europäischen Markt liefern können.

Zwar ist auch im neuen Mustang das Leder nur Kunstleder. Es finden sich auch Flächen in Hartplastik und die Karbonzierteile sind nicht aus Karbon, sondern Kunststoff in Karbonoptik. Aber das alles macht einen durchaus hochwertigen Eindruck. Das Cockpit fasst sich gut an. Die Aluminiumteile sind sogar tatsächlich aus Aluminium. Auf den ersten Blick wirkt nichts mehr am Interieur „billig“. Und auch die Verarbeitung ist, von ein paar Kleinigkeiten abgesehen, wirklich gut.

Das neue virtuelle Kombinstrument, in dem ein zwölf Zoll großer Bildschirm die analogen Rundinstrumente ersetzt, lässt sich auch bei Sonneneinstrahlung klar ablesen. Wer an langen Winterabenden Beschäftigung sucht, der kann sich in der Betriebsanleitung des Mustang mal einlesen, welche Einstellung- und Anzeigeoptionen es dabei gibt. Das fängt bei den Grundfarben an, geht über einen Countdown für Beschleunigungsrennen und hört bei der Anzeige des Bremsweges noch lange nicht auf. Gimmicks, Gadgets und Gizmos – da stehen die Amerikaner halt drauf. Will sagen: Bei den US-Amerikanern ist eine Funktion mehr zunächst immer sehr willkommen, ob sie nun sinnvoll ist oder nicht.

Gasstöße beim Herunterschalten

Angelassen wird der Mustang über einen Startknopf. Sobald die Türen entriegelt werden, beginnt er mit einer Taktrate von 30 Mal pro Minute rot zu pulsieren. Laut Ford ist das exakt der Ruhepuls eines Ponys. So viel Detailliebe ist dann doch wieder charmant.

Der mächtige 5-Liter-V8 im Vorderwagen liefert 450 PS an die Hinterräder sowie ein maximales Drehmoment von 529 Nm. Wer Vollgas gibt, der erlebt erst einmal bei fast jeder Schaltstufe der neu entwickelten Zehngang-Wandlerautomatik kurz durchdrehende Reifen, dann aber einen sehr ungestümen Vorwärtsdrang. In 4,5 Sekunden beschleunigt der offene Mustang aus dem Stand auf Tempo 100. Bei 250 km/h wird abgeregelt – wenn man ihn ließe, ist man sich bei Ford sicher, käme er auch an die 280 heran. Allerdings würden dann in der aktuellen Konfiguration thermische Probleme auftreten.

Für die Liebhaber des Kavaliersstarts optimiert das neue Fahrprogramme „Drag“ die Beschleunigung bei einem stehenden Start über die Distanz von einer Viertelmeile.

Die Automatik, die sich auch manuell über Wippen am Lenkrad steuern lässt, schaltet ohne merkbare Zugkraftunterbrechungen durch. Beim manuellen schnellen Herunterschalten gibt es im Sportmodus einen imposant fauchenden Gasstoß auf die Ohren. Das dient aber nicht nur dem lauten Auftreten. Indem durch einen Gasstoß bereits die Anschlussdrehzahl im niedrigeren Gang anliegt, kann die Schaltzeit verkürzt werden.

Deutlich berechenbarer auf der Straße

Über die verschiedenen Fahrmodi, verspricht Ford, lasse sich die Fahrcharakteristik anpassen – sonderlich merkbar sind die Unterschiede allerdings nicht. Das neu kalibrierte Fahrwerk ist noch schluckfreudiger, ohne weich zu wirken. Im Gegenteil: Auch in schnellen Kurven ist der Mustang deutlich berechenbarer geworden, hält sich mit Ausbruchsversuchen des Hecks zurück. So bleibt der Mustang auch im Sport-Modus ein komfortabler Reise-GT. Gegen Aufpreis gibt es eine elektronische Dämpferverstellung namens „MagneRide“. Dabei kann durch Strominduktion die Viskosität der magnetischen Dämpferflüssigkeit verstellt werden. Das gleiche Prinzip kennt man beispielsweise aus dem Audi TT als „Magnetic Ride“.

Die Preise, die Ford in Deutschland für sein Pony-Car aufruft, sind zwar nicht mehr unbedingt discountartig, aber angesichts der Leistung und verglichen mit der Konkurrenz durchaus noch günstig. Wer sich mit einem Vierzylinder-Turbo, 290 PS, Sechsgang-Handschaltung und geschlossenem Dach zufrieden gibt, der ist ab 39.000 Euro dabei. Für das 450 PS starke V8-Cabrio samt 10-Gang Automatik werden dann allerdings schon mindestens 53.000 Euro fällig. Das sind zwischen 1000 und fast 5000 Euro mehr als beim Vorgänger, aber deutlich weniger als bei der feineren Konkurrenz. Ein offener Jaguar F-Type mit V8 schlägt mit fast 120.000 Euro in der Portokasse ein. Für einen Lexus RC F werden mindestens 76.000 Euro fällig und bei einem offenen Porsche 911 Carrera S sprechen wir über rund 125.000 Euro. Insofern ist der Mustang nach wie vor ein Schnäppchen.

Kosten für Reise und Probefahrt wurden vom Hersteller übernommen.


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