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Fahrbericht: Hyundai iX35 FCEV mit Brennstoffzelle

Freie Fahrt

Fahrberichte Christoph M. Schwarzer
Der Hyundai iX35 FCEV ist mit 1000 geplanten Exemplaren das zurzeit meistgebaute Brennstoffzellenauto. Optisch unterscheidet er sich – so lange nicht wie im Fall des Testwagens ein “Fuel Cell”-Aufkleber die Seiten schmückt – nur durch einen anderen Kühlergrill. In den USA wird der Hyundai als Tucson vertrieben; die Frontmaske ist an den großen Santa Fe angelehnt.

Der Hyundai iX35 FCEV mit Brennstoffzellenantrieb vermittelt das ursprüngliche Autogefühl: Fahren, wann man will und wohin man will. Er verbindet die souveräne Kraft und den Komfort des Elektroautos mit der Bewegungsfreiheit des Verbrennungsmotors

Hamburg / Berlin / Wolfsburg, 19. Juni 2014 – Endlich frei! Der Hyundai iX35 FCEV mit Brennstoffzellenantrieb vermittelt das ursprüngliche Autogefühl: Fahren, wann man will und wohin man will. Spontan, flexibel und selbstbestimmt. Der Wagen aus Südkorea verbindet die souveräne Kraft und den vibrationsfreien Komfort des Elektroautos mit der Bewegungsfreiheit des Verbrennungsmotors. Er legt die Fesseln ab, die das batterieelektrische Fahren zwangsläufig mit sich bringt. Nur beim Hyundai-Händler steht er nicht. Noch nicht.

Bis zu 1000 Fahrzeuge will Hyundai vom iX35 FCEV („Fuel Cell Electric Vehicle“) bauen. Eine Kleinserie also. Damit könnte er das meistproduzierte Brennstoffzellenauto überhaupt sein – von der bisherigen Nummer 1, der Mercedes B-Klasse F-Cell, wurden nur 200 Exemplare gebaut, von denen 70 in Kalifornien und 130 in Europa unterwegs sind. In der Stückzahl wird Hyundai trotzdem von Toyota überholt werden, wo nächsten Mittwoch die Serienversion des FCV präsentiert wird. Produktionsstart in Japan ist noch in diesem Jahr.

Vor der Tür aber steht der Hyundai. Einsatzbereit und mit einem 5,64 Kilogramm fassenden Wasserstofftank versehen. Denn darum geht es beim FCEV: Der Strom für den 100 kW (136 PS) starken Elektromotor mit 300 Nm Drehmoment wird an Bord in der Brennstoffzelle produziert. Anders als bei einer Batterie sind hier also Energiespeicher und Umwandlungseinheit separat untergebracht. Die Trennlinie zwischen Akku und Stack ist ohnehin weniger scharf als vermutet – Naturwissenschaftler sehen in der Brennstoffzelle einfach ein offenes Batteriesystem.

Elektrisch über die Autobahn

Lebenspraktisch bedeutet das einen immensen Vorteil für alle, die lange Strecken in großen Autos fahren wollen. Also auf zu einer der drei Wasserstoff-Tankstellen in Hamburg! In diesem Fall in die Hafencity. So viel vorweg: Obwohl bundesweit nur ein mickriges Dutzend H-Zapfpistolen in Betrieb sind, war das Nachfüllen genauso leicht wie bei konventionellen Kraftstoffen. Keine Reichweitensorge. Keine Angst vor zugeparkten Ladesäulen, vor nicht funktionierenden Ladekarten und zusammengebrochenen Softwaresystemen, die den Stromfluss verhindern. Kein Warten, Warten, Warten. Einfach den Rüssel aufsetzen, auf den Startknopf drücken – Gasfahrer kennen das – und in fünf Minuten geht es los.

Auf der 1000 Kilometer langen Testtour wurde bewusst offensiv gefahren, um den Verbrauch in die Höhe zu treiben und damit die Grenzen der Reichweite auszuloten. Dabei war die Einhaltung aller Tempolimits selbstverständlich; auf freier Autobahn pendelte die Nadel zwischen Richt- und Höchstgeschwindigkeit, die laut Werk bei 160 km/h und laut GPS bei 170 km/h lag. Das Ergebnis war ein Wasserstoffkonsum von rund 1,3 Kilogramm pro 100 Kilometer. Der Laborwert nach NEFZ beträgt 0,95 Kilogramm.

Worst Case

Selbst bei „Pedal to the Metal“ waren also noch über 430 Kilometer am Stück drin, bei geruhsamerer Fahrweise waren es über 540 Kilometer. Die Autobahn A24 nach Berlin war frei und ließ den Wunsch nach etwas mehr Leistung im insgesamt behäbigen und mit 1830 Kilogramm schweren Hyundai iX35 FCEV aufkommen. Die Marke hat allerdings in Gestalt der Studie Intrado bereits angekündigt, dass man sich ein Großserienauto nach einer Diät wesentlich leichter vorstellt, zumal das aktuelle Modell von einem vorhandenen Fahrzeug abgeleitet und nicht von Grund auf neu konstruiert ist.

Im Vergleich zur Mercedes B-Klasse F-Cell fällt positiv auf, dass die Hyundai-Ingenieure das Geräusch des Kompressors, der die Luft in die Brennstoffzelle drückt, bis zur Unkenntlichkeit weggedämmt haben. Es bleibt innen wie außen das Bild eines leisen Antriebs, der wie bei allen Autos mit Elektromotor eine neue Dimension der Laufkultur eröffnet. Wer das ein Mal probiert hat weiß, dass die Chancen der E-Maschine an sich sehr groß sind.

Angekommen in Berlin war das Motto: Volltanken und weiter, jetzt auf die Autobahn A2 Richtung Westen. Das Ziel: Volkswagens Entwicklungszentrum für Elektrotraktion in Isenbüttel bei Wolfsburg. Bis Ende nächsten Jahres werden in Deutschland 50 H-Tankstellen aufgebaut sein, die vor allem die Verbindungsachsen abdecken. So lange der Standort Braunschweig nicht errichtet ist, bleibt in dieser Region nur der nichtöffentliche Betriebshof von Volkswagen. Dort war das Wettbewerbsfahrzeug willkommen, nur über die eigene Strategie gab man sich zurückhaltend. Klar ist: Während vor drei Jahren das Wort Brennstoffzelle fast tabu war, finden sich seit einiger Zeit immer mehr offizielle Hinweise, dass auch Volkswagen mitzieht.

So wurde im Rahmen des Wiener Motorensymposiums eine Pressemeldung herausgegeben, in der erstmals davon berichtet wurde, dass schon der aktuelle Golf für den Einsatz dieser Technik vorbereitet sei. Bekannt ist außerdem, dass einige Exemplare des US-Passats unter der Bezeichnung HyMotion5 die gesetzlichen Anforderungen des Staates Kalifornien erfüllen werden. Und es geht das Gerücht, dass Audis so genannter Tesla-Fighter kein Batterie-, sondern ein Brennstoffzellen-elektrischer A7 sein wird.

Vielfahrer würden Wasserstoff bevorzugen

Der Hyundai iX35 ist keine Zukunftsmusik, er ist im Hier und Jetzt. Mit beeindruckender Mühelosigkeit zeigt er, wie komfortabel ein Elektroauto sein kann, und zum Kern dieses Komforts gehört die schnelle Betankung und die hohe Reichweite. Dass alles in diesem frühen Stadium so problemlos funktioniert, bildet einen scharfen Kontrast zum batterieelektrischen Fahren, wo jede Reise genau geplant und die Energiemengen exakt kalkuliert sein wollen.

Ein Smart electric drive wird wohl auch in Zukunft mit Akku fahren. Hier sind die mit Batterie möglichen Distanzen schon heute ausreichend, und mit dem gegen Aufpreis erhältlichen 22-kW-Wechselstrom-Schnelllader sind die Ladezeiten erträglich kurz. Dienstwagen wie eine Mercedes C-Klasse oder ein 5er BMW aber werden in zehn Jahren Wasserstoff tanken, falls die häufig kolportierten Revolutionen in der Batterietechnik nicht den Weg in die Serie finden. Ein Vielfahrer wird, wenn er die Wahl hat, zum H-Stromer greifen: Der Hyundai iX35 zeigt, dass eine Umstellung im Verhalten nicht notwendig ist. Und das ist für das Gewohnheitstier Mensch ein schwer wiegendes Verkaufsargument.


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