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VWs Ein- bis Zwei-Liter-Auto nähert sich der Serienreife

Flunder im Anflug: VW XL1 als Erlkönig

rhi/ggo

Von der Optik her bewegt sich der Super-Spritspar-VW namens XL1 in Richtung Zigarre. Mit Hybridtechnik soll er beim Kraftstoff extrem knausern. Neue Erlkönigbilder zeigen jetzt erstmals das Cockpit

Haar, 10. September 2012 – VW macht offenbar ernst mit dem Ein-Liter-Auto: Der XL1, der mit 0,9 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometer auskommen soll, stand bereits [1] Anfang 2011 auf der Qatar Motor Show. Neue Erlkönigbilder deuten nun darauf hin, dass der Supersparer nicht mehr weit von Serienreife entfernt ist.

Schnittige Flunder

Konzeptionell ist der XL1 die dritte Evolutionsstufe der Ein-Liter-Auto-Strategie von Volkswagen. Der heutige VW-Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piëch hatte Anfang des 21. Jahrhunderts das Ziel formuliert, ein vollwertiges, alltagstaugliches Auto mit einem Verbrauch von einem Liter zur Serienreife zu bringen. Dieses extrem ehrgeizige Ziel wird der XL1 zwar nicht einhalten können, eher wird er als 2-Liter-Auto gelten können.

VW scheut keinen Aufwand, darunter eine extrem aerodynamische Leichtbaukarosserie mit Monocoque und Anbauteilen aus kohlefaserverstärktem Kunststoff (CFK). Der cW-Wert beträgt nur 0,186. Optisch orientiert sich die Serienversion des XL1 stark an dem in Katar gezeigten Fahrzeug. So gibt es kein Heckfenster, ein Kamerasystem ersetzt den Innenspiegel. Kameras übernehmen auch die Funktion der Außenspiegel. Durch ihren Verzicht soll der XL1 dem Wind kaum Angriffsfläche bieten, weshalb bei der Serienausführung die Hinterräder abgedeckt werden. Apropos Räder: Sie werden ungewohnt schmal sein, um den Rollwiderstand zu minimieren. Insgesamt wird der zweisitzige XL1 die klassischen Sehgewohnheiten auf die Probe stellen.

Diesel-Plug-in-Hybrid

Das Antriebspaket – das ist zumindest der letzte Stand – besteht aus einem Zweizylinder-TDI mit 48 PS, einem Elektromotor mit 20 kW (27 PS), einem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe und einer Lithium-Ionen-Batterie. Der XL1 soll mit 0,9 Liter Diesel auf 100 Kilometer auskommen und nur 24 g/km CO2 ausstoßen. Da als Plug-in-Hybrid konzipiert, kann der XL1 über eine Distanz von bis zu 35 Kilometer rein elektrisch gefahren werden. Mit einer Tankfüllung von zehn Liter und einem 90 Minuten lang geladenen Lithium-Ionen-Akku soll das Fahrzeug eine Reichweite von 550 Kilometer erreichen, wovon wie bereits erwähnt 35 Kilometer elektrisch zurückgelegt werden.

Die Verbrauchsangabe von 0,9 Liter ist insofern theoretischer Natur, als sie nach der Verbrauchsnorm E/ECE/324-101 [2] ermittelt wurde. Sie sieht für Plug-in-Hybride ein zweimaliges Durchfahren des Messzyklus vor, einmal mit voller und einmal mit "leerer" Batterie. Diese Norm kann die Realität nicht sinnvoll abbilden.

Der Realverbrauch variiert abhängig vom Ladezustand der Batterie und der gefahrenen Stecke. Wer rein elektrisch zur Arbeit fährt, benötigt natürlich gar keinen Kraftstoff, wer auf langer Strecke den Tank leer fährt, benötigt rund zwei Liter Diesel. Der erste Hersteller, der den Plug-in-Teil bei seinen Angaben sauber herausgerechnet hat, ist Toyota beim Prius-Plug-in-Hybrid. Es wäre erfreulich, wenn alle Hersteller von Plug-in-Hybriden zukünftig transparent machen, wie die Alltagsverbräuche aussehen. Was nichts an den Sparqualitäten des XL1 ändert: Selbst zwei Liter Verbrauch sind ein Segen für Langsteckenpendler.

Ein Fall für zwei

Im XL1 können zwei Passagiere nun wie gewohnt nebeneinander Platz nehmen. Ob Flügeltüren erleichtern das Ein- und Aussteigen. Erstmals gibt es auch einen Blick in das Cockpit, welches sich funktional-reduziert gibt. Bei der Herstellung der kohlefaserverstärkten Kunststoffteile soll es VW gelungen sein, die Fertigungskosten nochmals deutlich zu reduzieren. Gemeinsam mit Zulieferern wurde ein neues System zur CFK-Herstellung im so genannten aRTM-Verfahren (advanced Resin Transfer Moulding / Harz-Injektionsverfahren) entwickelt und patentiert. Auf der IAA im Herbst 2013 wird der Serien-XL1 gezeigt, zum Händler kommt er Anfang 2014. Ein Schnäppchen ist er dann wie die konzeptionell ähnlichen i-Modelle von BMW nicht.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-1703926

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Volkswagen-zeigt-das-0-9-Liter-Auto-1176929.html
[2] http://www.bmvbs.de/cae/servlet/contentblob/44904/publicationFile/59390/r-101-messung-co2-und-kraftstoffverbrauch-pdf.pdf