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Trotz enormer Schulden: Ab frühestens 2011 wil GM wieder Gewinne machen

General Motors beginnt nach Schlankheitskur von vorne

News ggo

Detroit, 10. Juli 2009 – General Motors hat heute seinen Neustart angekündigt. „Der heutige Tag markiert einen Neuanfang für General Motors“, sagte GM-Chef Fritz Henderson am Konzernsitz in Detroit, dem Renaissance Center – wörtlich übersetzt „Zentrum der Wieder­geburt“. Der Name passt also: Bereits nach 40 Tagen hat der ehemals größte Autobauer der Welt die Insolvenz wieder verlassen. Der von vielen Altlasten befreite neue GM-Konzern ist nun aber mehrheitlich in Staatsbesitz. Im Gegenzug fließen zur Sanierung weit mehr als 50 Milliarden Dollar (36 Milliarden Euro) an Steuergeldern in den Konzern.

Kurze und harte Insolvenz
Das erst am 1. Juni beantragte Gläubigerschutzverfahren des gut 100 Jahre alten Traditionskonzerns war das bislang größte in der US-Industriegeschichte. Es verlief deutlich schneller als von manchen Experten erwartet. Nach bereits harten Einschnitten werden nochmals über ein Dutzend Werke und 40 Prozent der Händler dicht gemacht. Weitere zehntausende Jobs fallen weg. Zukünftig will GM seine Bemühungen auf die Marken Chevrolet, Cadillac, Buick und GMC fokussieren.

Autokauf per Ebay
In der heutigen Pressekonferenz verkündete Henderson seinen Wahlspruch für die Zukunft: „Customers, Cars and Culture“. Zukünftig will auch der Vorstand selbst weit mehr als bisher den Kontakt zu den Kunden suchen. Fritz Henderson will ab August monatlich auf Reisen gehen, um sich ihre Meinung anzuhören – aber auch die von Händlern, Zulieferern oder Angestellten. „Wenn wir die Kunden nicht ernst nehmen, wird nichts funktionieren“, sagte Henderson. Durchaus überraschend kam die kurze Ankündigung, in den nächsten Wochen in Kalifornien eine Zusammenarbeit mit Ebay zu testen. Dabei sollen Autos wie bei Ebay gewohnt per Gebot erworben werden können. Wie man es von Ebay kennt, soll es auch eine „Sofortkauf“-Option geben. Details zu dieser Form des Internetkaufs stehen allerdings noch aus.

General Motors beginnt nach Schlankheitskur von vorne

Stil, Qualität und geringer Verbrauch
Wie zu erwarten war, setzt GM für die Zukunft auf kleinere und umwelt­freundlichere Autos. Erstrebenswert sollen zukünftige GM-Autos bleiben, aber deutlich sparsamer werden. Henderson erwähnte als eines der Paradebeispiele auch den neuen Opel Astra [1], ein deutliches Zeichen, welche Bedeutung Opel für GM nach wie vor hat. In Rüssels­heim hörte man das Lob möglicherweise nicht so gern, denn nach wie vor gibt es Sorgen [2], dass GM den Magna-Einstieg torpedieren könnte. Aus GM-Sicht könnte man das sogar verstehen: Bei vielen wichtigen technischen Entwicklungen bis hin zum Chevy Volt haben deutsche Ingenieure aus dem Opel-Umfeld eine wichtige Rolle gespielt, diese Kompetenz will man nicht verlieren. Bei der Entwicklung von Elektroautos will man offenbar nicht von anderen abhängig sein: Im Spätsommer will GM einige Ankündigungen zum Thema Batterie­entwicklung machen – sie soll eine der Kernkompetenzen von GM werden, auch dazu wurden noch keine Details genannt.

Das neue GM
Auf die Frage eines US-Journalisten, wie das neue GM aussehen soll, sagte Henderson: „GM soll wieder eine Firma werden, die tolle Autos und tolle Technik in einem guten Preis-Leistungsverhältnis bieten kann.“ Dabei sei zukünftig der Wert des Unternehmens und seiner Produkte wichtiger als seine Größe. Bei den zukünftigen Aktivitäten will sich das Unternehmen die Entscheidungsfreude und Geschwindigkeit bewahren, die sie in den letzten hundert Tagen an den Tag gelegt habe. Immerhin gibt es wenigstens in einem Punkt Wachstum zu vermelden: Im Orion Township, Michigan, soll eine Fabrik errichtet werden, in der zukünftig kleine und sparsame Autos gebaut werden – das soll etwa 1400 neue Jobs schaffen.

General Motors beginnt nach Schlankheitskur von vorne

Bob is back
Ein dicke Überraschung hob sich Henderson für das Thema „Culture“ auf – also die Unternehmenskultur. Abgesehen davon, dass die Führungsriege deutlich schlanker werden soll, sagte er, dass Bob Lutz nicht, wie im Februar angekündigt [3], in den Ruhestand gehen wird. Er soll zukünftig „für alle kreativen Aspekte von Produkten und Kunden­beziehungen zuständig sein“. Als Vizepräsident arbeitet er dabei zusammen mit Tom Stephens (Produktentwicklung) und Ed Welburn (Design). Der gesamte Marketing, Werbe- und Kommunikationsbereich wird Bob Lutz unterstellt. Er wiederum „berichtet“ an Fritz Henderson. Bob Lutz ist ein Urgestein der US-Automobilindustrie. Bei GM gilt er als „Produkt-Guru“. Lutz hatte seine Karriere bei GM schon 1963 begonnen, arbeitete zwischenzeitlich aber auch jeweils mehr als zehn Jahre lang in Führungsjobs bei den Konkurrenten Ford und Chrysler.

Erzähl´s dem Fritz
Ob die amerikanischen Autokäufer das Vertrauen in GM zurück­gewinnen können, kann derzeit keiner beantworten. Angesichts der Kredite von über 50 Milliarden Dollar geht auch Präsident Obama ein hohes Risiko ein – denn die Wähler zahlen letztlich die Zeche. Immerhin will GM nach den Worten von Fritz Henderson „der transparenteste Autobauer weltweit“ werden. Wer die neue Offenheit von GM zukünftig direkt nutzen will, darf sich bald an „Tell Fritz“ wenden. Ab nächste Woche soll es auf einer neuen Website möglich sein, seine Ideen, Anmerkungen oder Vorschläge direkt an den Vorstand zu richten. Fritz Henderson will einige davon täglich selbst beantworten.

General Motors beginnt nach Schlankheitskur von vorne

Fakten zum „neuen“ General Motors

Eigentümer: USA 60,8 Prozent; Kanada 11,7 Prozent; Gewerkschaft UAW 17,5 Prozent; Gläubiger 10 Prozent

Beschäftigte: In den USA 88 000; bis Jahresende nun nur noch 64 000; zum Vergleich: vor 20 Jahren 538 000 US-Mitarbeiter; weltweit im „alten“ GM-Konzern zuletzt 235 000 Jobs

Marken: Chevrolet, Cadillac, Buick und GMC bleiben – Saturn, Hummer, Pontiac, Saab fallen weg

Beteiligung: 35 Prozent an der bisherigen Tochter Opel

US-Werke: Mehr als ein Dutzend US-Fabriken werden geschlossen. Zuletzt gab es 46 US-Werke, davon 15 Endfertigungen.

US-Händler: Etwa 2400 der 6000 Filialen fallen weg – 40 Prozent.

Schulden: Rund 48 Milliarden Dollar laut Insolvenzgericht – rund 11 Milliarden reine US-Schulden laut Konzern

Verlust: Der „alte“ GM-Konzern fuhr allein im ersten Quartal 2009 erneut ein Minus von sechs Milliarden Dollar ein.

Auch die „neue“ GM rechnet für dieses und nächstes Jahr noch mit Milliardenlöchern – erst für 2011 wird ein Gewinn vor Steuern und Zinslasten erwartet.

US-Absatz: Einbruch 2008 um 23 Prozent auf drei Millionen Autos – im Juni zuletzt sogar minus 34 Prozent

(Mit Material der dpa)


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Der-neue-Opel-Astra-aus-der-Naehe-betrachtet-455824.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Opel-Einstieg-Betriebsratschef-Franz-haelt-nur-Magna-fuer-geeignet-476441.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Eine-Ikone-geht-Bob-Lutz-hoert-auf-443191.html