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Geld, Koks, Flügeltüren und ein Peugeot-Motor

DeLorean: das beste schlechte Auto

Klartext Clemens Gleich
Klartext

Es gibt sehr gute Autos. Es gibt sehr coole Autos. Die Schnittmenge dieser beiden fällt bemerkenswert klein aus. Ganz definitiv nicht in der Schnittmenge befindet sich der Filmheld DeLorean DMC-12

Wir Deutschen werden zu einer tiefen Liebe für gescheit gemachte Maschinen erzogen. Deshalb bauen wir dann später Autos wie einen BMW M3 oder einen Porsche Cayman GT4, Vorzeigewerke des Ingenieurshandwerks. Doch genauso lebt in uns eine Liebe zu den Autos, die es bei all der Perfektion aus Deutschland sehr, sehr, sehr selten gibt, nämlich den schlechten, aber coolen Karren. Und die wohl schlechteste aller coolen Karren war der DeLorean DMC-12. DER DeLorean. Es gab ja nur einen.

Die meisten interessanten Produkte wachsen auf einem Substrat aus interessanten Zeiten voller interessanter Menschen, gedüngt mit einem guten Schuss Größenwahn und einer Prise Kokain. John Z. DeLorean war, darüber zumindest kann man einen Konsens finden, ein interessanter Mensch. Er wurde der bis dato jüngste Bereichsleiter bei General Motors, kümmerte sich um Muscle Cars wie den Pontiac GTO, kleidete sich gern wie ein Model und war viel Mal verheiratet. Er war vor allem sehr ungestüm. Mit GMs großem Beamtenapparat wurde er daher über die Zeit so unglücklich wie der Beamtenapparat mit ihm. 1973 verließ er GM. Man munkelt, dass er sonst vielleicht gegangen worden wäre. Er gründete im selben Jahr seine eigene Autofirma, die "DeLorean Motor Company" (DMC).

Obwohl John DeLorean Geld von prominenten Unterhaltern wie Sammy Davis Jr. und Johnny Carson für seine Unternehmung sammelte, war er für den Großteil der Finanzierung auf einen Staat angewiesen. Letztendlich stimmte Nordirland zu, ihn über das "Industrial Development Board" zu finanzieren, denn die Regierung dort wollte Arbeitsplätze schaffen, um gegen den herrschenden Nährboden der Gewalt anzugehen, gegen Arbeits- und Perspektivlosigkeit. Also fingen dort junge Iren an, die entweder wenig Erfahrung mitbrachten oder sogar überhaupt noch nie gearbeitet hatten. Die Qualitätskontrolle war unterirdisch. Bis heute kann man sicher sein, dass ein DeLorean nur in einem zuverlässig ist: im Kaputtgehen.

L'Asthmatique

Dazu kam ein asthmatischer V6-Motor mit 132 PS, der schon im Peugeot 604 langweilte. Dieser Motor hatte weder Drehfreude noch Drehmoment noch Leistung noch einen interessanten Klang, und in der Fachpresse wurde der Wagen damit von null auf hundert in elf Sekunden gemessen. Das war schon damals lahm. Jeder Golf GTI I schlachtete den DeLorean an jeder Ampel. Ein paar Pluspunkte konnte der DMC-12 mit dem Fahrwerk sammeln, bei dem Lotus kompetente Nachhilfe gab, sodass er zumindest ganz okay durch Kurven fuhr. Das reichte jedoch nicht, den Preis zu rechtfertigen. Das ganze Projekt wurde zum Desaster.

Aber dann sehe man sich nur einmal diese Linien an! DeLorean hatte fast alles falsch gemacht, aber eines vollkommen richtig: Er ging zu Giugiaro (Italdesign). Giugiaro malte ihm mit seinem Lineal eben jenen kantigen Stil, der zu dieser Zeit so vielen Autos so gut stand: VW Golf, Audi 80, Fiat Panda, Lotus Esprit. In diese wunderschöne Reihe passte der DMC nahtlos. Er unterstrich das Design mit Flügeltüren und einer Karosserie aus gebürstetem Edelstahl. Ich werde den Verdacht nicht ganz los, dass DeLorean sich den Lack sparen wollte, aber was der Grund auch gewesen sein mag: Diese Oberfläche schaut bis heute einzigartig aus und passt zu Giugiaros Lineallinien, wie kein Lack es könnte.

Letztendlich half alle gute Gestaltung nichts: Die Kunden wollten kein teures Sportauto, das langweilig fuhr, bis es nach ein paar Meilen kaputt ging. Die erste große Freude zum Marktstart 1981 über Optik und Flügeltüren verdampfte schnell unter der Sonne der Realität: Der DeLorean war ein enttäuschendes Auto. Von den nötigen 12.000 Einheiten konnte die Firma nur die Hälfte verkaufen – mit viel unentgeltlicher Nacharbeit der Händler. DeLorean wollte neues Kapital auftreiben, fand aber keine Investoren, und ohne Investoren wollte auch die britische Regierung kein weiteres Geld lockermachen.

Ein FBI-Mitarbeiter stiftete den verzweifelten John DeLorean zu einem Drogendeal an, bei dem er helfen sollte, für 24 Millionen US-Dollar zwei Zentner Kokain in die Vereinigten Staaten zu schmuggeln. Er wurde mit 27 kg Koks und einem Video überführt ("Das hier ist besser als Gold!"), aber letztendlich freigesprochen, weil der FBI-Mann ihn illegalerweise zu diesem Verbrechen angestiftet hatte, auf eine üble Art und Weise, unter der seine Familie sehr leiden musste. Er entkam also noch einmal einer Gefängnisstrafe, doch sein Ruf war dahin. Darauf angesprochen, ob er noch einmal in der Autoindustrie sein Glück machen wolle, gab er zurück: "Würden Sie einen Gebrauchtwagen von mir kaufen?"

Zurück in die Zukunft

Als die Delorean Motor Company schon das Klo heruntergespült wurde, hatte der Wagen zu spät ein großes Glück: Er wurde das Filmauto für die Film-Trilogie "Zurück in die Zukunft" (Back to the Future). Die meisten Kinder der Achtziger kamen irgendwann mit diesen sehr liebenswerten Popcorn-Streifen in Berührung, sodass der DeLorean zum wohl bekanntesten schlechten Auto der Welt wurde. Neben Michael J. Fox und Christopher Lloyd gibt das Auto den dritten Hauptdarsteller. Show of hands: Wer kennt Lea Thompson? Okay. Wer kennt die DeLorean-Zeitmaschine? Ich ruhe meinen Koffer. Es machte gar nichts aus, dass der Wagen schlecht fuhr, denn in der Popkultur ging es nur um seine Coolness aus seiner Optik, und die hatte er ja von Anfang an. Im Gegenteil wäre es weit weniger lustig gewesen, wenn Marty McFly in einer Porsche-Zeitmaschine herumgezappelt hätte, die immer beim ersten Mal angesprungen wäre.

Die Filmemacher konnten billig ihre drei DeLoreans erwerben, weil sie damals keiner mehr haben wollte. Eine lange Zeit konnten auch Fans billig DeLoreans kaufen, weil viele gern einen DeLorean sahen, aber nur wenige so ein Problemkind pflegen wollten. Das hat sich mittlerweile geändert. Die Gebrauchtpreise gehen seit einigen Jahren nur noch nach oben. Wir Kinder der Achtziger haben erkannt, dass so ein Auto so schnell nicht wieder kommen wird, schnarchiger Furzmotor hin oder her. "Zurück in die Zukunft" gab dem DMC-12 ein Leben nach dem Tod des Herstellers, über den John DeLorean sehr glücklich war: Er dankte dem Produzenten Bob Gale schriftlich dafür, sein Auto unsterblich gemacht zu haben.

John selbst hatte davon nichts mehr. Er führte jahrzehntelange juristisch-finanzielle Rückzugsfechte um die Auflösungsabwicklung seiner Firma. Kurze Aufbäumer zeigten, dass er gern noch einiges unternommen hätte. Er wollte zum Beispiel eine DeLorean-Uhr anbieten, deren Käufer ein Vorkaufsrecht auf einen neuen, noch zu bauenden DeLorean-Wagen hätten haben können. Weder Uhr noch Auto existieren heute. 1999 musste DeLorean Privatinsolvenz anmelden. Donald Trump kaufte sein Haus mit Grundstück und baute dort einen Golfplatz. 2005 verstarb John DeLorean im Alter von 80 Jahren. Auf seinem Grabstein ist ein DMC-12 mit offenen Flügeltüren abgebildet.

So hat der DeLorean DMC-12 eine Seite in der Geschichte, vorne schön und hinten tragisch. Er erinnert mich daran, dass nicht alles im Leben klappt, selbst wenn man genügend Kokain kaufen kann. John DeLorean tauchte Anfang der Achtziger in einer Playboy-Anzeige von Cutty Sark auf (ein Scotch-Blend). Über einer Montage von Johns Gesicht und seinem Auto stand: "Eines von 100 neuen Unternehmen wird ein Erfolg. Auf die, die solche Chancen wagen." Man kann nicht immer gewinnen. Also, hoch die Snifter! Prost, auf dich, John. Du warst ein selbstsüchtiger Rockstar. Du warst ein Pionier der Autoindustrie (man betrachte nur seine Patentanmeldungen). Und ohne dein Auto wäre unsere Kultur etwas ärmer.


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