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Mitsubishi macht aus E-Autos Pufferspeicher für Strom

Mobile Zwischenablage

Elektroautos Christoph M. Schwarzer
Netzintegration von Elektroautos: Zwischenablage

Mitsubishi gibt das Electric Vehicle sowie den Outlander PHEV für das bidirektionale Laden frei. Der japanische Hersteller schafft damit die Basis für die zweite Stufe der Netzintegration – dem Elektroauto als mobilen Pufferspeicher für Strom

Rüsselsheim, 24. April 2014 – Mitsubishi gibt das Electric Vehicle (früher: „i-MiEV“) sowie den Outlander PHEV [1] für das bidirektionale Laden frei. Von den 16 kWh des Kleinwagens dürfen dafür zwölf genutzt werden; der Outlander PHEV stellt von den insgesamt zwölf kWh Kapazität neun zur Verfügung. Der japanische Hersteller schafft damit die Basis für die zweite Stufe der Netzintegration – dem Elektroauto als mobilen Pufferspeicher für Strom.

„Der erste Schritt muss aber sein, netzdienlich zu laden“, sagt dazu Thomic Ruschmeyer, Vorsitzender des Bundesverbands Solare Mobilität (BSM) und zugleich Sprecher der AG Mobilität beim Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE). Für den Besitzer eines Elektroautos müsse es sich in Euro und Cent auszahlen, exakt dann grünen Strom zu tanken, wenn besonders viel im Netz ist, so Ruschmeyer. In Zukunft könne das Fahrzeug dann als Netzdienstleister funktionieren: „Die Japaner sind generell ein Stück weiter in ihrer Entwicklung. Das ist auch eine Folge der Doppelkatastrophe von Tsunami und Fukushima“. Übersetzt: Mitsubishi [2], Honda und Toyota [3] zeigen inzwischen wie selbstverständlich, dass batterie- und brennstoffzellenelektrische Autos vorübergehend ein Haus versorgen können.

Damit es mit dem bidirektionalen Stromfluss in Deutschland genauso gut klappt, haben Wissenschaftler des Technologie-Transfer-Zentrums (TTZ) der Hochschule Würzburg-Schweinfurt den Prototypen einer so genannten Powerbox gebaut. Das ist ein AC-/DC-Wandler mit einer Entladeleistung von bis zu 20 kW. Im Heimatland bietet Mitsubishi Motors seit 2012 ein solches Stück Leistungselektronik für jeden an; es arbeitet mit 1,5 kW Leistung. Genug, um als Notstromaggregat eingesetzt zu werden.

Zyklenfestigkeit bleibt mindestens erhalten

Die Idee zur idealen Netzintegration von Elektroautos ist nicht neu. Was an Soft- und Hardware ungefähr gebraucht wird, um im Zusammenspiel aus Erneuerbaren Energien, sekundengenauem Strompreis und Verbrauchsspitzen intelligent zu funktionieren, wissen alle Beteiligten. Bisher scheiterte das Konzept des „Vehicle to Grid“ (V2G) aber unter anderem daran, dass ein höherer Verschleiß der Batterie befürchtet wurde. Die Zyklenfestigkeit musste unter dem ständigen Rein und Raus des Stroms signifikant leiden, so die These.

Jetzt, nach mehreren Jahren Praxiserfahrung mit vielen Tausend Elektroautos, ist man nicht nur bei Mitsubishi selbstbewusst genug – die Vollgarantie bleibt bei fünf Jahren und bis zu 100.000 Kilometer –, um festzustellen: Unsere Batterien halten das problemlos aus. Branchenkenner berichten von Untersuchungen, die statt einem erhöhten Verschleiß sogar eine verbesserte Zyklenfestigkeit des elektrochemischen Speichers als Folge einer regelmäßigen V2G-Belastung nachweisen konnten. Damit wäre der zweite große Zweifel an der Haltbarkeit der Batterien beseitigt, nachdem inzwischen klar ist, dass die Schnellladung keineswegs zum Ruin führt.

Volkswagen mit Forschungsprojekt INEES

Grund genug für Volkswagen, sich ebenfalls verstärkt dem Thema Netzintegration zu widmen. Ein Insider des Autokonzerns betont, dass viele Interessenten von e-Golf [4] und e-Up selber Strom produzieren und dass das Thema lastabhängiges Laden selbstverständlich dazu gehöre. Offiziell haben die Wolfsburger darum das Projekt INEES („Intelligente Netzanbindung von Elektrofahrzeugen zur Einbringung von Systemdienstleistungen“) gestartet: In Berlin wurden jetzt 20 e-Up [5] an Testkunden übergeben, die sechs Monate lang das „Schwarmstrom“-Konzept ausprobieren: Über eine App kann der Nutzer bestimmen, welchen Anteil der Batterie er für den Energiemarkt freigeben möchte. Dafür erhält er eine Prämie.

Der Name „Schwarmstrom“ sowie die dazu gehörige Software „Schwarmdirigent“ geben einen Hinweis auf den Projektpartner LichtBlick. Der Ökostromanbieter mit Sitz in Hamburg kooperiert schon lange mit Volkswagen; unter anderem werden zentral gesteuerte Blockheizkraftwerke installiert. Ein weiterer Projektbeteiligter ist die Firma SMA Solar Technology AG, welche die so genannte Sunny Wallbox beisteuert: Sie stellt aus dem e-Up über die CCS-Schnittstelle eine Leistung von 10 kW fürs Stromnetz bereit. Wissenschaftlicher Begleiter von INEES ist das Fraunhofer IWES, und Geld fließt unter anderem vom Bundesumweltministerium.

Elektromobilität von unten

Abseits der großen Namen ist die Elektromobilität an sich immer auch eine Graswurzelbewegung. Viele Neugierige suchen und konstruieren selbst Lösungen, um die Funktion ihres Fahrzeugs zu optimieren. Ein typisches Beispiel dafür ist Nico Treffkorn aus Magdeburg. Der IT-Manager und seine Freundin besitzen zwei Smart electric drive [6], von denen einer den aufpreispflichtigen 22-kW-Schnelllader hat.

Treffkorn hat eine intelligente Hausregelung [7] konstruiert, um den Strom seiner Photovoltaikanlage (4,36 Kilowatt Peak) perfekt zu nutzen – seine Eigenverbrauchsquote liegt bei über 60 Prozent. Vereinfacht gesagt misst ein Smart Charging Controller permanent alle Ströme im Haus. Wie viel produzieren die PV-Paneele? Wird gerade der Herd ein- oder wieder abgeschaltet? Hierauf reagiert das System und speist jeweils das ins Auto, was gerade an Überschuss frei ist. Voraussetzung dazu ist allerdings, dass das Auto den schnell wechselnden Ladeleistungen folgt – eine Fähigkeit, die nach diversen Tests von Nico Treffkorn aber nur ein Teil der am Markt befindlichen Elektroautos [8] hat.

Die selbst entwickelte Lösung des IT-Fachmanns ist ein Symptom für die mangelnde Produktvielfalt am Markt. Das Thema Netzintegration von Elektroautos ist in aller Munde, und es ist ein offenes Geheimnis, dass viele Hersteller aus der Fahrzeug-Peripherie in Kürze die Soft- und Hardware dafür anbieten werden. Das Potenzial des Elektroautos ist also erkannt, aber noch lange nicht aktiviert.

Bald über 100 kWh Batteriekapazität?

Gründe, zuversichtlich zu sein, gibt es trotzdem reichlich. So sagte kürzlich Osamo Masuko, Präsident von Mitsubishi Motors, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor nicht mit der nächsten Generation von Elektroautos mithalten könnten. Die Batteriekapazität solle um das Siebenfache steigen – also auf über 100 kWh – und der Preis des Speichers auf ein Zwanzigstel des Niveaus von 2009 sinken. Einen genauen Zeitraum für diese Entwicklung nennt Masuko nicht, rechnet aber mit „tiefgreifenden Änderungen innerhalb der nächsten zehn Jahre“. Vielleicht ist Masuko, der japanischen Kultur folgend, sogar ein Tiefstapler. Das deutsche Stromnetz würde es ihm danken.


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[3] http://www.heise.de/autos/thema/toyota
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Der-e-Golf-unter-der-Lupe-2141325.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Wie-faehrt-der-elektrische-VW-Up-1915523.html
[6] https://www.heise.de/autos/artikel/Selbstverwirklichung-So-faehrt-sich-der-Smart-ed-1618486.html
[7] http://www.eb-systeme.de/
[8] http://www.heise.de/autos/thema/Elektroautos