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Quadratisch, praktisch, gut

Opels Raumwunder Combo

Fahrberichte sle

Nutzfahrzeuge nutzen nicht nur Handwerkern, sondern auch Familien. Opels neuer Combo zeigt viele Stärken, aber leider auch ein paar Macken, die seinen Genen geschuldet sind.

Rüsselsheim, 15. März 2012 – Der Begriff Nutzfahrzeug ist sonderbar, weil er zumeist irreführend benutzt wird - Nutzfahrzeuge gelten als solche, in denen schwitzende Kerle in Blaumännern vorzugsweise Paletten, Kühlschränke oder Baumaterialien trannsportieren. Für den privaten Alltag des Autofahrers wären Nutzfahrzeuge damit in etwas so relevant wie Bagger. Dabei sind sind sie tatsächlich äußerst nützlich - wer über ihren zumeist etwas rauhen Charme hinwegsieht, entdeckt ein Platzangebot, dass jeden klassischen Kombi zu einer beengten Blechbüchse degradiert. Opel schielt mit seinem neuen Combo exakt auf jene Klientel.

Opels Entsprechung des Fiat Doblò

Hochdachkombi nennen Fachleute eine Autogattung, deren Protagonisten Citroën Berlingo, Renault Kangoo, VW Caddy, Fiat Doblò und Opel Combo heißen. Sie haben sich als Freizeitversion von den Kleintransportern emanzipiert und sind mit den Jahren immer Pkw-ähnlicher und damit komfortabler geworden. Das Modell von Opel, das es schon seit Ende der 80er-Jahre gibt, war zunächst ein Abkömmling des Kadett, dann des Corsa. Die neue, vierte Combo-Generation ist jedoch ein Fiat Doblò, der mit Opel-Logos versehen wurde. Dem Käufer kann es egal sein - Hauptsache das Auto fährt gut. Außerdem stammen die Motoren zu einem Gutteil von Opel.

Vier Diesel, zwei Benziner

Der neue Combo ist als Passagierversion mit verglastem "Hinterteil" und als Kastenwagen mit Blechwänden verfügbar. Auf diese Hauptversionen sollen jeweils 50 Prozent der Verkäufe entfallen. Von der Verglasung abgesehen gibt es den Combo in zwei verschiedenen Radständen sowie mit Normal- oder Hochdach. Die Pkw-Version ist zudem als Fünf- und als Siebensitzer verfügbar. Die Variantenvielfalt ist also groß. Als Antriebe stehen zwei Fiat-Aggregate - 95-PS-Benziner und 120-PS-Erdgasversion mit Turboaufladung - zur Verfügung. Dazu vier Diesel: 1.3 CDTI (90 PS), 1.6 CDTi (90 oder 105 PS) und 2.0 CDTI (135 PS).

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Welcher Diesel bekommt die Empfehlung?

Der Topdiesel mit 135 PS klingt zwar in den untersten Drehzahlbereichen etwas dumpf und dröhnend, bietet aber schon ab 1.500 Touren ein Drehmoment von gigantischen 320 Newtonmeter. Damit wird der Combo flotter, als man es ihm zutraut. Die gefahrene Version mit der optionalen Start-Stopp-Automatik und serienmäßiger Sechsgang-Schaltung sprintet in 11,3 Sekunden auf Tempo 100 und erreicht bis zu 179 km/h. Den Spritverbrauch gibt Opel mit 5,6 bis 6,0 Liter an. Braucht man soviel Power in einem Hochdachkombi? Eher nicht. Auch der hubraumschwächere 105-Diesel bietet ausreichenden Vortrieb. Kein Wunder, fehlen doch dem 1,6-Liter lediglich 30 NM Drehmoment. Dass diese Version gleich zwei Sekunden langsamer auf Tempo 100 kommt, fällt subjektiv kaum auf. Die Tankkosten könnten hingegen etwas niedriger ausfallen. ällt außerdem etwas niedriger aus - Opel gibt 5,2 bis 5,6 Liter an -, aber die Tempo-Rekordjagd endet schon bei 164 km/h.

Sitze mit zu wenig Seitenhalt

Doch für lange Autobahnfahrten bei Maximaltempo ist der Combo ebenso wenig gebaut wie für die kurvige Landstraße. Das liegt nicht an der Konstruktion des Fahrwerks. Der Combo hat mitnichten Blattfedern und Starrachsen wie ein Lkw, sondern die Pkw-übliche Einzelradaufhängung rundum. Der Fahrkomfort geht durchaus in Ordnung, aber mit einer Karosseriehöhe von 1,85 Meter ist das Auto für schnell gefahrene Kurven schlicht ungeeignet. Umso mehr, als die Sitze schon bei lässiger Kurvenfahrt kaum Halt bieten.

Ambiente leider zu viel Nutzwagen

Überhaupt muss man in puncto Innenraum Abstriche machen. Selbst im Vergleich zu Klein- und Kleinstwagen enttäuschen Materialien und Verarbeitung. So wackeln und knarzen die Hartplastikteile an Armaturenbrett und Türinnenverkleidung. Die Instrumente sind bei trübem Wetter ohne Beleuchtung so düster, dass man sie kaum ablesen kann. Und die Lenkung ist im unteren Geschwindigkeitsbereich arg teigig. Auch in puncto Sicherheit kann der Basis-Combo nicht punkten: ESP ist zwar Serie, darüber hinaus gibt es standardmäßig aber nur zwei Airbags. All das ist mehr oder weniger klassentypisch: Auf Pkw-Niveau sind Hochdachkombis in puncto Sicherheit, Design und Verarbeitung noch nicht. Ein Opel-Fachmann würde vielleicht sagen: mehr O als A. Dazu sei daran erinnert, dass die Pkws aus Rüsselsheim allesamt mit dem Buchstaben A enden, während die Nutzfahrzeuge hinten ein O tragen.

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Schiebetüren sind Serie

Jetzt aber schleunigst zu dem Hauptgrund, einen Combo zu kaufen: dem Nutzwert. Der ist in der Tat überragend. Zwei Schiebetüren sind Serie, was das Einsteigen in engen Querparklücken vereinfacht. In knappen Längsparklücken sind die optionalen Heckflügeltüren der serienmäßigen Heckklappe überlegen. Wirklich immens ist der gebotene Kofferraum: 790 bis 3.200 Liter - da passt gewaltig was rein. Diese Werte beziehen sich auf den 4,39 Meter langen Fünfsitzer mit kurzem Radstand und Normaldach (Opel bietet den Combo auch als 4,74-Meter-Langversion an). Die Rückbank ist asymmetrisch geteilt umklappbar - genauer gesagt wickelbar. Das heißt, man legt die Lehne flach und kippt dann den ganzen Sitz in die Senkrechte. Ausbauen lassen sich die Möbel nicht.

Überraschend kurze Ladelänge

Daraus ergibt sich eine Ladefläche von 1,40 mal 1,19 Meter. Allzu viel ist das nicht. Bei einem 28-Zoll-Tourenrad, das 1,80 Meter lang ist, muss man zum Verstauen wohl das Vorderrad ausbauen. Bei einem Zafira Family könnte es im Ganzen hineinpassen, denn hier wird die maximale Ladelänge mit 1,81 Meter angegeben. Wer eher Kinder als Räder transportiert, kann beim Combo Edition für 750 Euro zwei Zusatzsitze bestellen. Sie eignen sich allerdings wegen der Platzverhältnisse nicht für Erwachsene. Wie die Sitze in Reihe zwei lassen sich die beiden Extraplätze nach vorne wickeln, zusätzlich aber auch ausbauen.

Diesel ab 20.450 Euro

Das Transportvermögen mag der Hauptkaufgrund für einen Hochdachkombi sein, daneben gibt es noch einen weiteren: den günstigen Preis. Den Combo gibt es mit dem 105-PS-Diesel ab 20.450 Euro. Dafür erhält man einen Fünfsitzer mit ESP, Frontairbags, elektrischen Fensterhebern vorn, zwei Schiebetüren und Zentralverriegelung ohne Funkfernbedienung. Empfehlenswerter als diese Spartanerversion ist der Combo Edition für 21.800 Euro. Hier haben auch die Schiebetüren elektrische Fensterheber und es sind immerhin vier Airbags an Bord. Zum Lieferumfang gehören hier außerdem ein CD-Radio, elektrisch einstellbare Außenspiegel und die Fernbedienung für die Zentralverriegelung. Eine Klimaanlage kostet 1.060 Euro, Parkpiepser für hinten 300 Euro, die Start-Stopp-Automatik 355 Euro.

Dacia Lodgy kostet die Hälfte

Mit 21.800 Euro liegt der Combo Edition mit 105-PS-Diesel gleichauf mit der Konkurrenz. Der Segment-Bestseller VW Caddy kostet als 1.6 TDI Trendline mit fünf Sitzen und ähnlicher Ausstattung 21.753 Euro. Und den Fiat Doblò 1.6 Multijet Easy mit 105 PS gibt es für 21.800 Euro. Deutlich teurer ist ein Zafira Family, der noch auf der alten Generation des Opel-Vans basiert. Mit 110-PS-Diesel gibt es ihn ab 24.810 Euro, allerdings mit guter Ausstattung. Eine weitere Alternative mit viel Stauraum für wenig Geld ist der neue Dacia Lodgy, den es ab Juni 2012 zu Preisen ab 9.990 Euro gibt. Er besitzt serienmäßig ein ESP und bietet bis zu 2.617 Liter Stauraum. Der Preis für die 110-PS-Dieselversion ist allerdings noch nicht bekannt.


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