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Et cetera PP

P0 bis P3 – wohin mit dem E-Motor?

Technik Gernot Goppelt
P0 bis P3 – wohin mit dem E-Motor?

Das Schöne an Hybridantrieben ist, dass sie helfen können, den CO2-Ausstoß zu verringern. Weniger schön ist, dass das Hinzufügen eines E-Motors, einer Batterie und auch noch unterschiedlicher Spannungslagen die mögliche Anzahl von Antriebsvarianten geradezu explodieren lässt

Das Schöne an Hybridantrieben ist, dass sie helfen können, den CO2-Ausstoß (respektive Verbrauch) zu verringern. Weniger schön ist, dass das Hinzufügen eines E-Motors, einer Batterie und zu allem Überfluss auch noch unterschiedlicher Spannungslagen [1] die mögliche Anzahl von Antriebsvarianten geradezu explodieren lässt. Dazu all die Begrifflichkeiten mit denen man es zu tun bekommt: Mikro-, Mild-, Voll-, Plug-in-Hybrid; 48 Volt, Hochvolt; seriell, parallel, leistungsverzweigt usw. usf. [2]

Der leistungsverzweigte Hybrid hat sich im großen Stil durchgesetzt, Toyota [3] ist unumstritten Marktführer. Die Eleganz, in der sich zwei E-Maschinen und ein Verbrennungsmotor um die Elemente Sonne, Planeten und Hohlrad gruppieren und stufenlos zusammenarbeiten, beeindruckt (mich) immer wieder. Der leistungsverzweigte Antrieb funktioniert allerdings nur als Gesamtkunstwerk: Leistungsunterschiede zwischen den drei Antriebsquellen sind nur begrenzt praktikabel.

Rein serielle Hybride gibt es praktisch nur als Range Extender wie im BMW i3 (Test) [4], nicht als dauerhaft vorgesehenen Antrieb wie in dieselelektrischen Loks. Ihr Gesamtwirkungsgrad ist zwar vergleichsweise ungünstig, doch die Kombination aus elektrischem Betrieb in der Stadt und gelegentlicher Reichweitenverlängerung kann in der Gesamtbilanz durchaus sinnvoll sein. Im vergangenen Sommer rechnete der Entwicklungsdienstleister FEV auf einer Antriebstagung in Bonn vor, dass bei konsequenter Optimierung des Verbrennungsmotors auf stationären Betrieb der Gesamtwirkungsgrad fast Augenhöhe mit anderen Hybriden erreichen kann.

Ungleich, aber einmütig zur Systemleistung

Die gängigste Bauweise bei europäischen Herstellern ist der Parallelhybrid, bei dem die Motormomente über einen gemeinsamen Getriebepfad quasi aufaddiert werden – „quasi“ deswegen, weil aufgrund der sehr unterschiedlichen Volllastkurven von EM (Elektromaschine) und VKM (Verbrennungskraftmaschine) die vollständige Summe nie zustande kommt. Daher nutzt man, wie auch beim leistungsverzweigten Hybrid, den Begriff „Systemleistung“.

Und jetzt kommt mit dem ominösen „P“ die nächste Nomenklatur ins Spiel, die für die Position des E-Motors im Parallelhybrid steht. Die Kurzversion: P0 steht für eine Anbindung der EM an den Verbrennungsmotor, in der Regel per Riemen-Startergenerator. Bei P1 ist die EM axial am Motorausgang, bei P2 am Getriebeeingang montiert. P3 steht für die EM am Getriebeausgang und eine weitere Variante ist P2.5, eine Position, die Doppelkupplungsgetrieben vorbehalten ist. Die Frage ist: Was soll das?

P0 – Riemenspannung

Von vorne: Um es mit den Worten des Zulieferers Schaeffler zu sagen: „Das zentrale Argument für P0-Mild-Hybride ist ein hoher Funktionsumfang bei vergleichsweise geringem Integrationsaufwand und niedrigen Kosten“. Normalerweise wirkt bei P0 die EM über einen Riemen auf die Kurbelwelle, und zwar auf der Seite des Motors, auf der ohnehin riemenbetriebene Nebenaggregate sitzen. Sie lassen sich praktischerweise gleich einbinden.

Das leistungsbegrenzende Element von P0 ist der Riemen. Der Nutzen besteht deswegen vor allem in einer Basis-Hybridisierung: Renault zum Beispiel nennt für sein P0-Hybridmodul im Scénic [5], zugeliefert von Conti, eine Dauerleistung von 6 kW und eine kurzzeitige Peak-Leistung von 10 kW. Sportlich kann P0 also nicht allzu viel beitragen, aber je nach Anbieter werden 10 bis zu optimistischen 15 Prozent Verbrauchs- bzw. CO2-Einsparung versprochen – natürlich nur, wenn ordentlich beschleunigt und rekuperiert wird, denn bei Konstantfahrt ist das Prinzip Hybrid zumindest auf den ersten Blick nutzlos.

Lastpunktverschiebung

Ganz ohne Nutzen ist ein Hybridantrieb im Konstantbetrieb deshalb nicht, weil selbst P0 als schwächster elektrischer Helfer es erlaubt, die Lastpunktverschiebung zu nutzen, also dem Verbrennungsmotor durch Generatorbetrieb minimal mehr abzufordern als er für den konstanten Vortrieb eigentlich bräuchte. Durch die Mehrlast ist eine Verschiebung innerhalb des Verbrauchskennfelds zu einem günstigeren Punkt möglich, wodurch sich zumindest günstig Ladestrom erzeugen lässt, der sich für Vortrieb oder andere Verbraucher nutzen lässt. Im Übrigen erlauben auch schon zusätzliche 10 kW, die Endübersetzung etwas länger auszulegen, ohne Dynamik in Beschleunigungsphasen zu verlieren.

Kein Wunder also, dass P0 eine große Verbreitung vorausgesagt wird, denn er lässt sich relativ einfach und preisgünstig zu herkömmlichen Antriebssträngen hinzufügen [6]. Damit stellt er die derzeit günstigste Möglichkeit dar, nennenswert CO2 – respektive den Verbrauch – zu reduzieren.

P1 – Motorassistent

IMA nannte Honda seinen Mildhybrid, der beispielsweise im Insight verbaut wurde, ein typischer P1. IMA steht für Integrated Motor Assist. Auch Mercedes setzte einige Zeit auf P1, im S400e, der E-Motor steuerte milde 20 kW bei. Bei der P1-Auslegung sitzt der E-Motor noch vor Getriebe auf der Kurbelwelle, entspricht also funktional weitgehend der getriebeseitigen P2-Anordnung auf der Getriebeeingangswelle. Der Nachteil von P1 ist allerdings, dass der Verbrennungsmotor nicht vom Getriebe abgekoppelt werden kann, neumodische Funktionen wie das Segeln mit Motor im Leerlauf oder die erweiterte Variante mit ausgeschaltetem Motor funktionieren nicht. Die Schleppverluste der VKM verringern außerdem das Potenzial für Energierückgewinnung im Schubbetrieb. Hondas Lösungsweg bestand darin, in jüngeren IMA-Generationen sämtliche Ventile zu schließen, um die Gaswechselarbeit und damit die Bremswirkung des Motors zu verringern. Schöner ist es, den Verbrennungsmotor abkoppeln zu können, damit der E-Motor als Generator sein volles Potenzial nutzen kann – wie bei P2.

P2 – Trenndiät

Bei P2 wandert der E-Motor zum Getriebe, was von außen nicht sichtbar wird. Der entscheidende Unterschied ist, dass der Verbrennungsmotor nun per Kupplung vom Getriebe getrennt werden kann. Dadurch bremsen beim Rekuperieren keine Motorschleppverluste. Dieses sogenannte Segeln [7] kann bei laufendem oder abgestelltem Motor genutzt werden. Für Plug-in-Hybride käme P1 ebenfalls nicht infrage, weil der E-Motor hier natürlich ungebremst antreiben soll.

Ein Nachteil, den P2 mit P1 teilt, besteht darin, dass im Hybridbetrieb Elektro- und Verbrennungsmotor denselben Drehmomentpfad durch das Getriebe nutzen müssen. Ja und? Der E-Motor braucht eigentlich selbst bei Performance-Anwendungen maximal drei Gänge, nicht die vielen Gänge für die viel engere Motorspreizung des Verbrennungsmotors. Ein wirklich großes Problem ist das nicht, aber allemal Anlass, über Konzepte mit getrennten Pfaden für die Antriebsaggregate nachzudenken.

Motor und Getriebe quer

Eine weitere Einschränkung haben P2 und P1 gemeinsam: Stand heute sind bei der großen Mehrheit der Autos (Reihen-)Motor und Getriebe vorne quer eingebaut: Das Getriebe sitzt also neben dem Motor, wodurch wiederum die Position des Differenzials und somit die Lage der Antriebswellen bestimmt wird. Bei Einsatz eines starken E-Motors – bei einem Plug-in-Hybrid schwerlich zu vermeiden – muss das Gesamtgebilde verlängert werden, denn die bisher so schlanke „Hybridscheibe“ kann sich zwischen Motor und Getriebe nur noch in horizontaler Richtung ausdehnen. Um eine symmetrische Anbindung der Antriebswellen sicherzustellen, müsste man also die gesamte Motor-Getriebe-Kombination versetzen oder unterschiedliche Getriebevarianten bauen. Zudem ist es schon deswegen nicht hilfreich, in die Breite zu gehen, weil die Antriebswellen möglichst wenig schräg stehen sollten.

Ein Lösungsansatz: Borg Warner und Volvo haben ein P2-Modul entwickelt, bei der der E-Motor als „Ohr“ seitlich an den Motor angeflanscht wird und über eine Kette einem flachen Modul zwischen Motor und Getriebe zugeführt wird, das eine Trennkupplung für die P2-Funktionalität enthält. Der (Hochdrehzahl-) E-Motor kann somit kleiner ausgeführt werden und je nach Bauraumsituation unterschiedlich positioniert werden. Für Volvo ergibt sich daraus auch der Vorteil, dass prinzipiell ein beliebiges Getriebe dahinter gesetzt werden kann.

Ähnlich ist eine Idee von Continental, vorgestellt auf der IAA 2017. Das so genannte P2-Startergeneratormodul verlagert das Prinzip des Startergenerators zwischen Motor und Getriebe, sodass der Motor ausgekuppelt werden kann. Continental verspricht sich dadurch weitere 5 Prozent Verbrauchseinsparung im Vergleich zu einem hinter dem Motor angebrachten Startergenerator.

P2.5 – Pfadfinder

Eine ähnliche Motivation liegt dem 2.5-Hybrid zugrunde, der weder P2 noch P3 ist und deswegen nun filmreif 2.5 heißen darf. Serienreif entwickelt hat diese Variante der Zulieferer Getrag. P2.5 erfordert notwendigerweise ein Doppelkupplungsgetriebe, denn hier wird die ebenfalls sehr kleine E-Maschine seitlich vom Getriebe angebracht und per Stirnradsatz an eine der beiden Getriebehälften angebunden – praktisch an die Gänge 2, 4 und 6. Im Vergleich zu P2 hat das einige Vorteile:

Der E-Motor kann dank „Untersetzung“ praktisch beliebig klein gehalten werden, Getrag nennt Leistungen von rund 15 bis etwa 85 kW, ohne dafür das Getriebegehäuse modifizieren zu müssen. Aber auch funktional gibt es einen Unterschied: Die „Zwangsehe“ von VKM und EM wird zumindest teilweise aufgehoben, weil beide in bestimmten Fahrsituationen unterschiedliche Gänge und Drehmomentpfade nutzen können, daher die hauseigene Bezeichnung „Torquesplit“-Hybrid.

Einen weiteren kleineren Unterschied gibt es beim elektrischen Fahren als Plug-in-Hybrid: Da der E-Motor an der Eingangswelle mit den Gängen 2, 4, 6 angreift, lässt er die Kupplung quasi hinter sich. Beim rein elektrischen Fahren kommt der Übertragungspfad zu den Rädern somit ohne jedes kraft- bzw. reibschlüssige Element aus.

P3 – Elektrobürzel

Bei P3 mag spontan die Frage aufkommen, was eine Hybridarchitektur soll, bei der der E-Motor am Getriebeabtrieb sitzt, sodass er keine Gänge nutzen kann. Es gibt verschiedene Gründe. Den sportlichsten trägt der LaFerrari sozusagen als Bürzel mit sich. Hinter dem Doppelkupplungsgetriebe ist der E-Motor montiert und wirkt hier direkt auf das Differenzial. Ferrari konnte so zum einen den gesamten Antrieb flach halten und die Gewichtsverteilung günstig steuern. Ein weiterer Grund ist laut Ferrari, dass der E-Motor hinter dem Getriebe agiert und damit der Wirkungsgrad besser sei.

Ferrari meint das vor allem im dynamischen Sinne, aber P3 bietet auch bei der Rekuperation den besten Wirkungsgrad, weil es prinzipiell sämtliche mechanischen und hydraulischen Verluste von Motor und Getriebe hinter sich lassen kann. Ein weiterer Vorzug von P3 ist, dass es sich vergleichsweise einfach modular hinzufügen lässt. Getrag hat im vergangenen Jahr eine Baukastenlösung vorgestellt, bei der Handschaltgetriebe in zwei Schritten modular automatisiert und hybridisiert werden können. Letzteres wäre sogar mit zwei Gängen möglich, was für preisgünstige Großserienfahrzeuge völlig genügen würde.

Eines kann P3 allerdings überhaupt nicht: Laden der Batterie im Generatorbetrieb bei Stillstand. Wenn der Wagen steht, steht unweigerlich auch der E-Motor, da hilft nichts. Von extrem sportlichen Anwendungen wie dem LaFerrari einmal abgesehen, ist P3 also wahrscheinlich vor allem ein Kandidat für preiswerte Hybridantriebe mit dem Hauptziel, effizient Energie zurückzugewinnen.

P2.5/P3 – Wechselwirkung

Wer immer sich die P-Nomenklatur ausgedacht hat, hat vermutlich nicht geahnt, was den Ingenieuren noch alles einfallen würde. Die FEV stellte letztes Jahr ein Konzept vor, das die Vorteile von P2.5 und P3 vereinen und deren jeweiligen Nachteile eliminieren soll. Wenn es also um effiziente Rekuperation und elektrische Unterstützung geht, soll P3 zum Einsatz kommen, für Stromerzeugung im Stillstand, Motorstart und vermutlich den Unter- und Obergrenzen der Fahrzeuggeschwindigkeit P2.5, weil selbst bei einem E-Motor der Wirkungsgrad über die gesamte Motorspreizung nicht konstant ist.

Was diese Lösung auch zeigt: Es gibt viele Ideen, den Parallelhybrid besser zu machen. Letztendlich ist es eine Abwägung von Aufwand und dem jeweiligen Nutzen bei unterschiedlichen Anwendungen wie Stadt, Pendelverkehr und Langstrecke usw.

P2.5 und somit auch die FEV-Lösung sind wie gesagt nur mit einem Doppelkupplungsgetriebe praktikabel, weil nur dieses zwei unterschiedliche Pfade für die geraden und ungeraden Gänge hat. P1, P2 und P3 können auch mit Handschalter, automatisiertem Schaltgetriebe, Wandlerautomaten CVT umgesetzt werden. P2.5 (Torquesplit) und der leistungsverzweigte Hybrid (Powersplit) sind die einzigen eingeführten Hybridarten, bei denen die Drehzahlen von Verbrennungs- und Elektromotor(en) zueinander variiert werden kann, beim DKG stufig, beim Powersplit stufenlos.

Et cetera PP: Im zweiten Teil geht es um P4 [8], wenn also die elektrifizierte Hinterachse ins Spiel kommt und nicht nur den „Through-the-Road“-Hybrid ermöglicht, sondern auch neue Allradkonzepte.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Jetzt-wirklich-Das-48-Volt-Bordnetz-wird-salonfaehig-3328468.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/AVLs-multimodaler-Hybrid-Antrieb-2628998.html
[3] https://www.heise.de/autos/thema/Toyota
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Ein-Fahrbericht-aus-dem-BMW-i3-mit-Range-Extender-2105699.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-Renault-Scenic-dCi-110-Hybrid-Assist-3848384.html
[6] https://www.heise.de/autos/artikel/Wiener-Motorensymposium-Volkswagen-hybridisiert-den-Golf-VIII-4035531.html
[7] https://www.heise.de/autos/artikel/Segeltour-im-Mercedes-E-300-Bluetec-Hybrid-1499161.html
[8] https://www.heise.de/autos/artikel/Technik-im-Hybridantrieb-Die-elektrische-Sekundaerachse-P4-4208303.html