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Der Siemens-Antrieb wird in einer Kleinserie des Volvo C30 Electric erprobt

Siemens liefert Elektroantriebe für Volvo

ggo

Siemens und Volvo arbeiten bei der Entwicklung von Antrieben für Elektroautos zusammen. Erstes gemeinsames Projekt ist die Ausrüstung des Volvo C30 Electric mit einem Antrieb von Siemens

München, 31. August 2011 – Siemens und Volvo arbeiten bei der Entwicklung von Antrieben für Elektroautos zusammen. Erstes gemeinsames Projekt ist die Ausrüstung des Volvo C30 Electric mit einem Siemens-Antrieb einschließlich der Leistungselektronik und Ladetechnik. Noch 2011 soll das Fahrzeug erste Straßentests absolvieren. Ab Ende 2012 liefert Volvo 200 Exemplare des C30 Electric an Siemens, wo sie als Testflotte unter Alltagsbedingungen getestet werden.

Flexibel bleiben

Die Entwicklung und Produktion von Antrieben ist eine Kernkompetenz, die Automobilbauer normalerweise nicht gerne abgeben. Denn die Entwicklung und Produktion von Verbrennungsmotoren ist mit einer hohen Wertschöpfung verbunden. Um diesen Vorteil auch bei Elektroautos nicht zu verlieren, entwickelt zum Beispiel Volkswagen eigene elektrische Antrieben und Batterien. Volvo fehlen dafür die Voraussetzungen, weil die Schweden bereits als Ford-Tochterunternehmen in den unteren Segmenten vorwiegend Ford-/PSA-Motoren einsetzte, woran sich auch seit der Übernahme durch Geely [1] wenig geändert hat. Volvo will sich aber auch deswegen keine eigene Produktion ans Bein hängen, weil die Zusammenarbeit mit einem großen Partner flexibler macht: Die zukünftigen Plattformen sollen skalierbar ausgelegt werden, um für unterschiedliche Elektrifizierungsgrade geeignet zu sein. Auf der IAA (15. bis 25. September 2011) will Volvo sein Plattformkonzept vorstellen.

Elektrogroßhandel

Siemens auf der anderen Seite hat aufgrund seiner Erfahrungen aus der Bahn- und Hybridtechnik gute Voraussetzungen, um auch bei Pkw eine starke Rolle zu spielen. Elektrische Antriebe, Batteriemanagement und Ladetechnik gelten als Schlüsseltechnologien bei der Entwicklung von Elektroautos, heißt es aus München. "Die Kooperation mit Volvo ist ein wichtiger Meilenstein bei der Entwicklung hochwertiger Komponenten und Systeme für die spätere Serienproduktion von Elektroautos", sagt Siemens-Vorstandsmitglied Siegfried Russwurm. Siemens wolle sich langfristig als globaler Systemanbieter für elektrische Fahrzeuge etablieren. "Wir verstehen und als umfassender Wegbereiter der Elektromobilität".

Siemens befasst sich dabei nicht nur mit den Fahrzeugen, sondern auch mit Energiekonzepten wie der Wasserstoff-Produktion im industriellen Maßstab. Ziel ist es, die zeitweiligen Überschüsse aus der regenerativen Stromerzeugung zur Produktion des Wasserstoffs einzusetzen. Dieser kann für industrielle Anwendungen oder Brennstoffzellenfahrzeuge verwendet werden oder über eine Rückverstromung sogar wieder für batteriegespeiste Elektroautos.

Die Elektromotoren, welche Siemens an Volvo liefert, haben eine Spitzenleistung von 108 kW und ein maximales Drehmoment von 220 Nm. Die dazugehörigen Stromumrichter wollen beide Unternehmen gemeinsam weiterentwickeln, um die Sicherheitsanforderungen im Automobilbereich zu erfüllen. Darüber hinaus will Siemens die Ladetechnik für das Auto und die Ladestationen bereitstellen.

Elektrische Kleinserie

Volvo hat 2011 mit der Produktion einer Kleinserie des C30 Electric begonnen. Man sollte nun aber keine Großserie des Fahrzeugs erwarten, zumal aus Sicht der Volvo-Verantwortlichen die Marktsituation noch nicht reif für reine Elektroautos ist, sie seien derzeit preislich noch nicht konkurrenzfähig. Bereits im Juli deutete Volvo an, in welche Richtung man denkt: Der Autobauer stellt drei unterschiedliche Hybridkonzepte [2] vor, die aber allesamt als Plug-in-Hybrid ein alltagstaugliches Maß an rein elektrischem Fahren zulassen. Der erste Serienhybrid wird ab 2012 der V60 Hybrid [3] sein, bei dem Diesel- und Elektromotor räumlich voneinander getrennt im Fahrzeug sitzen. Volvo-Chef Stefan Jacoby deutete heute auf einer Pressekonferenz in München an, dass auch bei den Hybridfahrzeugen Siemens-Technik zum Einsatz kommen könnte.

Die Frage der zukünftigen Wertschöpfung, sobald der Anteil von eigenen Verbrennungsmotoren zurückgeht, beantwortete Jacoby heute so: Man wolle gar nicht zu den großen Automobilherstellern gehören, sondern lieber schnell und beweglich auf neue Anforderungen reagieren können. Gerade weil unklar ist, wie sich die Elektromobilität weiterentwickelt, sieht sich Volvo durch eine modulare Plattform und die Partnerschaft mit einem Antriebsspezialisten wie Siemens gut aufgestellt.

Differenzierung über Software

Schnelligkeit könnte auch bei einem anderen Problem helfen: Eine Markendifferenzierung über den Motor ist bei Elektroautos kaum noch möglich, die Autobauer werden sich durch andere Besonderheiten differenzieren müssen, etwa eine ausgeklügelte Antriebssteuerung und das damit verbundene Fahrgefühl, hinterlegt in der "Motion Control Software", wie sie Siemens-Vorstand Russwurm heute benannte. Auch hierbei glaubt Siemens, einen sinnvollen Beitrag leisten zu können – ohne freilich den Markencharakter beeinflussen zu wollen. Anders als mancher Konkurrent in der Zulieferbranche sei Siemens nicht nur ein Unternehmen, das Elektromotoren liefern könne, sondern beherrsche das gesamt Spektrum der Elektromobilität – das weit über Automobile hinausreicht.

Es wird sich erweisen, welches der richtige Weg ist: das Erhalten von möglichst viel Wertschöpfung beim Automobilhersteller – oder die Kooperation mit einem starken Partner aus dem Antriebsbereich und die Konzentration auf schnelle Reaktionsfähigkeit und Flexibilität in einem volatil erscheinenden Markt. Wenn das Modell Volvo sich bewährt, lockt ein lukratives Geschäft mit allen Facetten der Elektromobilität für Siemens.


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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Volvo-wird-chinesisch-Ford-verkauft-an-Geely-966303.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Volvo-entwickelt-drei-Range-Extender-Konzepte-1277696.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Volvo-zeigt-den-V60-als-Diesel-Plug-in-Hybrid-in-Genf-1179276.html