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Ruhig gestellt

Test Seat Leon 1.4 TSI ACT Xcellence

Fahrberichte Martin Franz
Seat Leon 1.4 ACT

Der Leon ist Seats Bestseller und wurde im Herbst 2016 ein wenig überarbeitet. Ein Teil des Updates steht noch aus, doch das muss kein Hindernis für einen Kauf sein. Die entscheidende Veränderung ist schon erfolgt, wie ein Test mit dem Leon 1.4 TSI ACT zeigt

Ein guter Freund – und überzeugter Golf-Fahrer – erklärte mir vor einiger Zeit, dass er nicht wüsste, warum man sich ausgerechnet einen Seat kaufen sollte. So geht es mir mit einem Golf, aber das soll an dieser Stelle nicht unser Thema sein. Der Test mit dem jüngst überarbeiteten Seat Leon 1.4 TSI ACT mit DSG zeigt, dass man die Frage freilich auch umdrehen kann. Mit dem kleinen Facelift hat der Leon an Format gewonnen, allerdings steht im motorischen Bereich ein Teil des Updates noch bevor. Spricht das nun für oder gegen einen jetzigen Kauf?

Auslaufmodell

Der Antrieb im aktuellen Testwagen ist ein Auslaufmodell. Der 1.4 TSI mit Zylinderabschaltung gehört zur EA211-Generation der TSI-Motoren, die seit 2012 gebaut wird. Mit ihr wurde die Verbindung von Kurbelwelle und Nockenwelle von unterdimensionierten Steuerketten auf Zahnriemen umgestellt. Seit dem ist an dieser Front Ruhe. Bis auf gelegentliche Teillast-Ruckeleien sind die aktuellen TSI-Motoren relativ unauffällig. Bleibt zu hoffen, dass mit der Umstellung auf die neuen 1.5 TSI mit 130 und 150 PS keine neuen Baustellen eröffnet werden. Da längst nicht jeder Anlauf einer neuen Motorengeneration problemlos abläuft, ist die Wahl einer alten Maschine unter Umständen also vielleicht nicht die schlechteste Idee.

Zumal der noch aktuelle 1.4 TSI mit 150 PS und 250 Nm im Leon eine gute Wahl ist . Er ist recht kultiviert, sofern man ihn nicht zu hohen Drehzahlen zwingt. Dazu verleitet die Maschine aber ohnehin nicht, ihre Wohlfühlzone liegt im unteren und mittleren Drehzahlbereich. Dort macht sie einen ungleich agileren Eindruck als beispielsweise der kürzlich gefahrene Renault Mégane TCe130 mit 132 PS. Auch der Opel Astra mit 150 PS wirkt im Vergleich zurückhaltend. Ab etwa 5000/min wird der Seat etwas zäher, doch für eine nachdrückliche Beschleunigung braucht es solche Drehzahlen eigentlich nie. Insgesamt legt sich der Leon mit diesem Motor ziemlich ins Zeug, und so verfestigt sich der Eindruck, stets auf reichlich vorhandene Reserven zurückgreifen zu können. Auch oberhalb von 160 km/h geht es noch flott voran.

Leiser als bisher

Mit der jüngst erfolgten Modellüberarbeitung hat Seat auch an der Geräuschdämmung gearbeitet, was sich deutlich bemerkbar macht. Wir hatten vor anderthalb Jahren einen Seat Leon Kombi mit dem Dreizylinder [1] in der Redaktion, der mir erheblich lauter in Erinnerung ist als die jetzt gefahrene Limousine mit dem Vierzylinder. Ein direkter Vergleich verbietet sich schon aufgrund des anderen Resonanzraumes, doch Wind- und Fahrwerksgeräusche wirkten im aktuellen Modell leiser, der Motor ebenso. Seat hat uns das auf Nachfrage bestätigt: So wurde unter anderem der Wasserkasten im Motorraum gedämmt und im Heck an diversen Stellen PET-Vlies und PUR-Schaum verklebt.

Dies ändert sich meiner Ansicht auch im Zweizylinder-Modus nicht, auch wenn ein Kollege da ein anderes Vibrationsmuster bemerkt haben will. Dieser Modus legt, sofern Bedingungen wie Temperatur und Last erfüllt sind, die beiden mittleren Zylinder still. Sie werden vorher mit Frischluft befüllt, anschließend werden über Stellmotoren Teile der Nockenwelle so verschoben, dass die Ventile geschlossen bleiben. Damit sollen Pumpverluste verringert werden. Mit der Stilllegung laufen die beiden äußeren Zylinder unter höherer Last und damit effizienter. Wie schon im Skoda Superb Combi [2], den wir im vergangenen Sommer in der Redaktion hatten, ist der Zweizylindermodus öfter an als gedacht - mit unter auch in Situationen, in denen man das nicht vermuten würde.

Der ganz erhebliche Aufwand, den Volkswagen mit der Zylinderabschaltung betreibt, sollte sich im Verbrauch bemerkbar machen. Seat gibt im NEFZ 4,9 Liter an, was 0,3 Liter weniger sind als im 1.4 TSI mit 125 PS. In der Praxis ist die Spanne groß: Mein Kollege Christian, unser Experte fürs Maximum, kam auf 10,1 Liter, ich minimal auf 4,9. In meinem täglichen Profil, bestehend aus rund 50 Kilometern über Land, wären mit etwas Bedacht locker Werte um 5,5 Liter möglich. Das Potential, in etwas über acht Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 zu beschleunigen und bis 215 km/h fahren zu können, lässt sich so gesehen recht sparsam mitführen. Auf Spritmonitor [3] liegen die Werte im Schnitt etwas höher als in meinem Profil, was vermutlich einerseits mit anderen Strecken- und Einsatzprofilen zusammenhängt, andererseits vielleicht aber auch damit, dass es schlicht Freude macht, den Seat flott zu fahren. Kaum einer dürfte sich in dieser Klasse einen 150-PS-Benziner nur aufgrund seines Talents zum Sparen gönnen. Insgesamt kamen wir auf 6,3 Liter.

Filterlos

In einem weiteren Bereich wird aber klar, dass die Maschine keine lange Zukunft mehr vor sich haben wird. Angesichts des nahenden Nachfolgers wird dieser Motor keinen Partikelfilter mehr bekommen. Das Thema „Feinstaubbelastung durch Benzin-Direkteinspritzer“ ist für die breite Öffentlichkeit momentan vielleicht noch keines, doch die Sau, die nach bzw. neben dem Dieselskandal als nächstes durchs das Dorf der medialen Aufmerksamkeit getrieben werden soll, läuft sich schon warm: Für alle neu homologierten Autos wird der Filter durch strengere Grenzwerte ab September 2017 für Benzin-Direkteinspritzer gewissermaßen Pflicht, für alle erstmals zugelassenen Neuwagen ab September 2018. Wer jetzt einen Neuwagen kauft, fährt spätestens ab dem Herbst 2018 ein Auto mit nicht mehr aktueller Abgasnorm. Und es ist nur einen Frage der Zeit, bis diesen Motoren auf breiter Front die Feinstaub-Problematik angehängt wird. Der einzige Trost: Eine Nachrüstung wird wohl deutlich einfacher als die derzeit viel diskutierte Stickoxid-Nachbehandlung beim Diesel.

DQ200

Gut zu dieser Maschine passt das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe. Es wird hier als DQ200 mit trockenen Kupplungen verbaut. Es verschleift manchen Gangwechsel nicht ganz so fein wie eine gute Wandlerautomatik, doch die Schaltpunkte passen. Es zu empfehlen fällt trotzdem nicht ganz leicht, weil es eben jenes DSG ist, mit dem Volkswagen in der Vergangenheit viele Probleme hatte. Schäden außerhalb der Garantie können heftig teuer werden. Wir würden es deshalb nach wie vor nur in Kombination mit einer langen Garantie kaufen. Ganz nebenbei: Ein Kollege fand den Sport-Modus des Getriebes nicht. Ähnlich ging es mit der Kippfunktion des Glasdaches. Dabei ist die Lösung bei Volkswagen aber eigentlich immer gleich: Man denke sich den einfachsten Weg zu einer bestimmten Funktion und kann sich dann fast immer sicher sein, dass der Entwickler ähnlich gedacht hat. Seat hat also bei beiden Problemen also nicht zu kompliziert, sondern zu einfach gedacht und nicht mit Autotestern gerechnet, die den einfachen Weg innerlich ausgeschlossen haben. Doch glücklicherweise wird der Leon mehrheitlich von normalen Menschen bewegt.

Das Update im vergangenen Herbst hat nur zarte Spuren hinterlassen. Eine davon betrifft die Infotainmentsysteme. Optisch unterscheiden sich das Media System Plus, das kleine und das große Navigationssystem nicht. Sie alle haben einen Acht-Zoll-Bildschirm und sind von der Menüanordnung nahezu identisch. Es gibt nur noch einen Drehregler, mit dem die Lautstärke verstellt werden kann. Früher gab es noch einen zweiten Drehknopf, mit dem sich beispielsweise der Kartenausschnitt blitzschnell verändern lies. Das geht nun nicht mehr ganz so flink wie zuvor.

Mit der Option Full-Link können einige Smartphone-Inhalte auf das Display des Fahrzeugs gespiegelt werden, womit die werksseitigen Navis zumindest für Menschen, die sich nur gelegentlich den Weg weisen lassen wollen, ihre Daseinsberechtigung verlieren. Denn damit lässt sich Google Maps einblenden, inklusive Echtzeit-Verkehrsdaten. Das interne Navi arbeitet nur mit TMC pro.

CD-Player im Handschuhfach

An zwei Dingen hat sich mit der Überarbeitung nichts verändert. Zum einen blieb der CD-Spieler im Handschuhfach, was nur geringfügig weniger dämlich ist als die Anordnung im Volvo V90. Ob man dieses Format nun nutzt oder nicht: Was eingebaut ist, sollte auch gut zu bedienen sein. Der zweite Kritikpunkt betrifft das aufpreispflichtige Soundsystem. VW, Skoda und Seat gehen in dieser Hinsicht eigene Wege, und die Lösung im Leon ist dabei klanglich ganz klar dritte Wahl, ist mit 360 Euro aber auch nicht allzu teuer. Dafür gibt es mit einem Fünfband-Equalizer und einem separaten Subwoofer-Regler weitaus mehr Eingriffsmöglichkeiten als beispielsweise bei Renault mit dem Soundsystem von Bose.

Die Bedienung ist insgesamt einfach gestaltet, wobei Seat sich nicht alle Spielereien verkniffen hat. Dazu gehören die mickrigen und grob aufgelösten Anzeigen im Kombiinstrument für die Temperatur des Kühlwassers und den Tankinhalt. Beide informieren so nur rudimentär. Im umfangreichen Bordcomputer lässt sich das viel genauer ablesen: Es gibt Anzeigen für Öl- und Kühlwassertemperatur und eine recht zuverlässige Restreichweitenangabe. Sehr gut gefällt mir bei Volkswagen immer wieder der dreigeteilte Zähler: Es gibt eine Verbrauchsanzeige, die sich nach einem Stopp von mehr als zwei Stunden allein zurückstellt, einen Gesamtzähler, der manuell zurückgestellt werden kann und einen, der sich nach dem Tanken allein nullt. Letzterer braucht aber offenbar mehr als nur ein paar Kilometer: Wir haben den Testwagen teilweise schon nach 100 bis 120 km neu betankt, um ein möglichst umfassendes Verbrauchsbild zu bekommen. Der Zähler, der sich nach dem Tanken allein zurückstellen sollte, reagiert bei diesen geringen Mengen nicht.

Bequeme Sitze

Der Testwagen war mit den Sport-Komfortsitzen ausgestattet, bezogen mit einer Mischung aus Kunstleder an den Seiten und Alcantara auf den Sitzflächen. Sie sind straff gepolstert, stützen aber auf längeren Strecken den Körper wirkungsvoll. Mit der elektrischen Verstellung für gerade einmal 300 Euro lässt sich der Fahrersitz auch in der Neigung variieren. Gut wäre es allerdings, wenn man die Sitzposition speichern könnte - der Speicherbaustein dafür hätte dieses Extra sicher nicht unerschwinglich gemacht.

Bei der Verarbeitung musste ich, in der Redaktion mit dem vermutlich bewundernden Beinamen “Fugen-Martl” versehen, im Seat ganz schön suchen, um etwas zum Mäkeln zu finden. Bis auf eine knarzende Lenkradverkleidung, eine nicht hundertprozentig sitzende A-Säulen-Verkleidung auf der Beifahrerseite und eine minimal abstehende Chromleiste an einer hinteren Tür war nichts zu finden. Dass ein Golf hier und da mit noch feineren Materialien verkleidet ist, muss als Konzession an den deutlich günstigeren Preis gesehen werden.

Kleines Panoramadach

Viel Freude hatten alle Fahrer an dem Schiebedach, auch wenn ausgerechnet während des Tests gefühlt die Grundwasservorräte Bayerns aufgefüllt wurden. Seat preist es als Panoramadach an, was sich aber nur auf die Glasfläche beziehen kann. Die ist mit 78 cm nämlich viel länger als die maximal mögliche Öffnung: Wer das Dach über die Komfortstellung hinaus nach hinten gleiten lässt, bekommt bis zu 23 cm Freiraum. Allerdings fängt das Dach viel weiter vorn an als beispielsweise im Volvo V90 - es ist im Leon also mehr als nur ein rauschendes Etwas über dem Hinterkopf.

Im Testwagen war ein adaptives Fahrwerk eingebaut, dessen Bandbreite nicht riesig, aber dennoch zu spüren ist. Die neue Xcellence-Ausstattung insgesamt spürbar komfortabler abgestimmt als die viel gekaufte FR-Variante, die meinen Kollegen Clemens Gleich vor anderthalb Jahren zu einem grimmigen Klartext veranlasst hat. Der Leon Xcellence bleibt in Kombination mit der 225/45 R17-Bereifung grundsätzlich auf der straffen Seite, ohne es zu übertreiben. Das Ansprechverhalten der Dämpfer liegt eine ganze Klasse oberhalb dessen, was wir kürzlich im Renault Mégane erlebt haben. Auch die leichtgängige, direkte Lenkung trägt zum handlichen Eindruck des Autos bei. Sehr viel besser geht es in dieser Klasse derzeit kaum.

Sehr fairer Preis im Netz

Bleibt noch ein Blick in die seit dem 25. April 2017 gültige Preisliste. Der umfangreich ausgestattete Testwagen käme auf einen Listenpreis von mehr als 30.000 Euro, der Grundpreis für den Leon 1.4 TSI ACT Xcellence mit DSG liegt bei 26.210 Euro - als FR kostet der Leon genauso viel. Wer auf den Benziner mit 125 PS ausweicht, wird im Netz zum Teil schon für unter 20.000 Euro fündig, ohne bei der Ausstattung auf Schiebedach, Navigationssystem und LED-Scheinwerfer verzichten zu müssen. Ein sehr fairer Tarif für ein ausgereiftes Auto, das sich gut fährt.

Der 150-PS-Diesel kostet in den beiden teuren Ausstattungslinien 28.960 Euro. Da er nur einen Speicherkat hat, ist er in dieser Form trotz Euro-6-Norm kaum zukunftssicher. Dazu kommt, dass der Benziner zwar teureren Sprit braucht - was nicht auf alle Ewigkeiten so bleiben muss - letztlich aber nicht sehr viel mehr verbraucht. In meinem Profil läge nicht einmal ein Liter zwischen beiden Motoren, was den leisen Benziner zusätzlich attraktiv erscheinen lässt.


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https://www.heise.de/-3704036

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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Seat-Leon-ST-1-0-TSI-im-Test-Alternativprogramm-3049577.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Im-Test-Skoda-Superb-Combi-1-4-TSI-ACT-3305923.html
[3] https://www.spritmonitor.de/de/uebersicht/44-Seat/392-Leon.html?fueltype=2&constyear_s=2014&constyear_e=2017&power_s=148&power_e=152&powerunit=2