Browser für Papageien

Das Internet ist voller Menschen – aber auch die Tiere machen sich die neue Technik zueigen.

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Von
  • Peter Glaser

Das Internet ist voller Menschen – aber auch die Tiere machen sich die neue Technik zueigen.

Die Maus hat im digitalen Zeitalter derart an Prominenz gewonnen, dass auch etwas für die Katz geschehen musste. So entwickelte der kalifornische Programmierer Matt Wolf bereits im Jahr 2001 das Videospiel Cyber Pounce ("Cyber-Anspringen"). Es war das erste Computerspiel für nichtmenschliche Nutzer und bot Muster, Figuren, Sounds und Farben, die speziell Katzen ansprechen. Wolf war darauf gekommen, als er auf die Katzen eines Freundes aufpasste und bemerkte, dass die Tiere gern dem Mauspfeil am Bildschirm hinterherjagen.

Nach mehreren Katzen-Games machte er sich dann an einen akustischen Bildschirmschoner, der Vögeln die richtige Aussprache von bestimmten Wörten antrainieren sollte. Mit Melodien funktioniert das auch schon ohne Computerhilfe. Vogelbeobachter berichten, dass Vögel wie Stare, Amseln oder der Sumpfrohrsänger zunehmend Zivilisationsgeräusche nachahmen, um ihren Balzgesang anderen Männchen gegenüber hervorzuheben. Zu den bevorzugten Klängen gehören die Klingeltöne von Mobiltelefonen. Der Ornithologe Stephan Zirpel, Geschäftsführer der Michael Otto Stiftung für Naturschutz, weiß von einem Star in Köln, "der das Klingeln der Straßenbahn in sein Repertoire aufgenommen hat".

Ein wenig erinnert das an den britischen Physiker und Esoteriker Rupert Sheldrake, der annimmt, es gebe eine schnelle Verteilung von Wissen in sogenannten morphischen Feldern, über die verschiedene Lebenwesen miteinender in Verbindung stehen sollen. Eine Art parapsychologisches Intranet, an dem beispielsweise sämtliche Meisen Englands teilnehmen. Sheldrake war aufgefallen, dass die Vögel im ganzen Land erstaunlich schnell gelernt hatten, wie man die Metallverschlüsse der Milchflaschen aufpickt, die der Milchmann morgens vor die Tür stellt.

Bereits ein Jahr vor Matt Wolf hatte die amerikanische Wissenschaftlerin Irene Pepperberg am Massachusetts Institute of Technology in ihrem Projekt InterPet mit der Arbeit an einem Webbrowser für Papageien begonnen. Pepperbergs Studien mit dem Graupapagei Alex – er konnte die Bedeutung von Worten erkennen und anwenden – gelten als ein Meilenstein der Sprachforschung und Vogelintelligenz.

Inzwischen sind die Vögel von der digitalen Technik allerdings etwas genervt. Apps, mit denen man ursprünglich Vogelstimmen erkennen sollte, werden nun zunehmend dazu genutzt, die Tiere anzulocken. In Naturschutzgebieten wurden bereits Fälle verzeichnet, in denen Fotografen die Tiere auf diese Weise herbeiriefen. Besonders in der Brutzeit kann es dann passieren, dass gestresste Vögel ihre Jungen nicht mehr versorgen. Vogelkundler gehen allerdings auch davon aus, dass sich viele Vogelarten irgendwann genauso verhalten werden wie die Nutzer von Mobilgeräten: Sie werden sich an die Apps gewöhnen und sie ignorieren.

In der Türkei wird das Ganze seit Generationen zur Nachrichtenübertragung genutzt, und zwar gerätefrei. Ku? Dili, die "Sprache der Vögel", ist ein 400 Jahre altes Übermittlungssystem mit Vogellauten – eine Art Ur-Twitter. In Norwegen hingegen hat man das Internet-Protokoll, das Nachrichten für den Transport in kleine IP-Datenpakete zerlegt, versuchsweise auf Brieftauben erweitert, das Internet Protocol over Avian Carriers (IPoAC). Nach eineinhalb Stunden kam eine Taube mit einem ausgedruckten 64 Zeichen langen Datenpaket an, das sogleich wieder ins nicht taubengestützte Internet eingespeist werden konnte. Nicht gerade wie im Fluge, lässt sich aber notfalls auch mit Brotkrümeln betreiben. (bsc)