Das All, ein Knast

Vorwärts in die Kuhzunft: Warum Raumfahrt faszinierend und bemannte Raumfahrt ein Irrweg ist.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Peter Glaser

Als Kind war ich schwer von den Illustrationen in Zukunftsromanen begeistert. Eines der eindrucksvollsten Motive waren die Panoramafenster, durch die man aus Raumschiffen hinaus in den Kosmos blicken konnte. Die Realität war ernüchternd. In seinem Doku-Roman "Der Stoff, aus dem die Helden sind" über die ersten sieben Astronauten der NASA beschrieb Tom Wolfe den Moment, in dem die Testpiloten zum ersten Mal vor der Raumkapsel standen, in der einer von ihnen ins All fliegen sollte – "Und wo sind die Fenster?" Fenster waren keine vorgesehen. Für Ingenieure waren Astronauten eine Art unvermeidliche Störung im System. Nun bestanden sie auf einem Fenster und darauf, das Geschoss steuern zu können und nicht bloß transportiert zu werden wie die Marmelade in einem Berliner. Mit ihrem Status als Helden der Nation konnten sie sich durchsetzen. Die Astronauten retteten die Ehre des Individuums vor ihrer Degradierung durch die Ingenieure.

Ein paar Jahre später landeten Menschen auf dem Mond, in einer Fähre mit Fenstern. Aber bereits nach der ersten Mondlandung war die Luft raus aus der bemannten Raumfahrt, bloß wollte das niemand zugeben. Erinnert sich jemand an die zweite Mondlandung? Die gewaltige Anstrengung, welche die Amerikaner ein Jahrzehnt lang unternahmen, um den sowjetischen Vorsprung in der Raumfahrttechnik wettzumachen, hatte eine ebenso gewaltige ökonomische Schwungmasse in Gang gesetzt, die in der Lage war, Mondraketen am Fließband zu produzieren. Diese Maschine ließ sich nicht so einfach wieder abschalten. Zugleich kam die unbemannte Raumfahrt in Schwung. Heute zeigen uns besonders die technisch brillianten Mars-Rover in immer höherer Auflösung das Bild einer wenn auch poetisch ansprechenden, so doch unfruchtbaren, lebensfeindlichen Steinwüste.

Lange schien der Flug zum Mars der selbstverständliche nächste Schritt auf dem Weg des Menschen in die Unendlichkeit. Die Begeisterung des unvermeidlich organischen Menschenwesens wird allerdings durch Erkenntnisse aus der Weltraummedizin gebremst. Die US-Sonde Curiosity sammelte 2012 während ihrer Reise Messwerte zur gefährlichen kosmischen Strahlung. Hochgerechnet auf einen 180-tägigen Flug zum Mars ergab sich eine 660-fach über der natürlichen Dosis auf der Erde liegende Strahlenbelastung.

In einem Essay über Freiräume zieht der amerikanische Wissenschaftsjournalist und Astrophysiker Ramin Skibba einen Vergleich zwischen einem Leben im Gefängnis und einer Reise zum Mars: monate- oder jahrelang sei man mit ein paar anderen Menschen und wenig Annehmlichkeiten in einer Metallzelle eingesperrt, verfüge auch nach Ankunft immer noch über keine Privatsphäre und habe unter äußerst eingeschränkter Kommunikation mit Familie und Außenwelt zu leiden.

Der Kulturwissenschaftler Lewis Mumford bringt die hart antrainierte Reduktion all dessen, was wir als Lebendigkeit wahrnehmen, zugunsten von – ja, von was?, der Eroberung des Weltraums durch den Menschen? – auf den Punkt. Zeitgenossen vor uns liegender Generationen mögen darüber rätseln, aus welchen Gründen ihre Vorfahren im 21. Jahrhundert monumentale stählerne Heiligtümer bauten, die offensichtlich derselben Aufgabe wie die altägyptischen Steinpyramiden dienten, nämlich der Himmelfahrt, und in deren Innerem sich ebenfalls Mumienhafte Astronauten befanden, präpariert und trainiert, um die jede Lebensfunktion auslöschenden Folgen einer tatsächlichen Reise in die Unendlichkeit zu überdauern.

(bsc)