Gedanken zu Adobes Flash-Plattform

Ist Flash endlich tot? Oder nur der Flash Player für Handys? Gedanken zur Zukunft der Flash-Plattform und Adobes Kommunikationspannen.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Kai König

Haben es die Flash-Trolle dieser Welt endlich geschafft? Ist Adobes Flash-Plattform wirklich tot? Nachdem Adobe am 9. November zunächst circa 750 Mitarbeiter entlassen hat, folgte kurz darauf die Ankündigung, dass man die Plug-in-Version des Flash Player für mobile Endgeräte einstellen werde. Aus meiner Sicht ist das eine zumindest nachvollziehbare Entscheidung, da die Pflege des Flash Player für verschiedene Geräte und verschiedene Versionen von Betriebssystemen mit Sicherheit sehr aufwändig ist.

Nicht wirklich geschickt gewählt war Adobes Vorgehensweise, beide Ankündigungen in einem Aufwasch abzuhandeln, und das führte letztlich zu einer weit größeren Verunsicherung bei Kunden, Partnern und Entwickler-Community, als wirklich von Nöten gewesen wäre. Gleichzeitig haben sich Adobes PR-Maschine und das sonst durchaus aktive Evangelisten-Team am Tag der Ankündigung in den Winterschlaf zurückgezogen und auf die auf sie einstürmenden Anfragen nicht mehr reagiert. Na prima.

So wucherten dann also die Gerüchte über Twitter (hier frei übersetzt): "Adobe hat das ganze Flash-CS-x-Entwicklerteam in San Francisco gefeuert", "Flex 5 ist tot, alle entlassen" und vieles andere mehr. Einige der Gerüchte haben sich als Wahrheiten herausgestellt, andere waren schlichtweg ... Gerüchte.

Die Realität ist: Adobes Flash Player für Mobilgeräte ist tot. Gone. Dead. Finito. Ist es schade um das Produkt? Ja und nein: Ja, weil Adobe damit offenkundig den Anspruch auf Ubiquität des Flash Player aufgegeben hat und diese Haltung meiner Ansicht nach zu einem deutlich beschleunigten Ableben des Flash Player auch im Desktop-Browser beitragen wird. Nein, weil sich der Flash Player für Mobilgeräte als Flop herausgestellt hat und es anscheinend kaum Entwickler gab, die für diese Plattform angepassten Content entwickelt haben.

Damit kommen wir zu Flex und einer weiteren Kommunikationsglanzleistung von Adobe. Hat das Team der Open-Spoon-Foundation noch vor Adobes MAX-Konferenz darum kämpfen müssen, überhaupt Session-Slots zu bekommen, ist Flex nun an die Apache Software Foundation übergeben worden. Auf einer Mailingliste sagte ein mir gut bekannter Entwickler so treffend: "Adobe ist unglaublich gut darin, das Richtige aus den absolut falschen Gründen und zum absolut falschen Zeitpunkt zu tun."

Hätte Adobe Flex vor 12 bis 18 Monaten an die Apache Foundation (oder die Open Spoon Foundation) übergeben, wären sowohl Community als auch Kunden begeistert und auf Adobes Seite gewesen. In der jetzigen Situation wird dieser Akt von vielen Entwicklern letztlich als ein bequemes Abschieben der Techniken gesehen, weil Adobe sich aufs HMTL5-Tooling stürzen will, aber gleichzeitig das über lange Jahre als hauseigene Enterprise-RIA-Plattform vermarktete Flex nicht einfach einstellen kann, ohne dass scharenweise Enterprise-Kunden rebellieren und davonlaufen. Mal ganz abgesehen davon, dass es sich sicherlich als interessant darstellen wird, "Apache Flex" gegen einen geschlossenen Flash Player zu entwickeln und die Apache Foundation Flex immerhin auch erst einmal in den Incubator aufnehmen muss.

Nicht wirklich hilfreich sind Aussagen wie: "In the long-term, we believe HTML5 will be the best technology for enterprise application development" auf Adobes Flex-Team-Blog. Von ungeschickter Wortwahl kann man hier schon kaum mehr reden, eher von unglaublich schlechter Corporate-PR.

Allein mir sind mehrere Projekte in Höhe von deutlich sechsstelligen und sogar siebenstelligen US-Dollar-Summen bekannt, die nach dieser Aussage von Adobe seitens der Kunden mehr oder weniger eingestellt wurden. Die betroffenen Partner und Entwickler freuen sich bestimmt ... Die Situation an sich ist jedoch bizarr: HTML5 und JavaScript sind bei weitem noch nicht ausgereift genug, um Flash-Player-/AIR-basierte RIAs gerade im Enterprise-Umfeld zu ersetzen. Allein bei den "Entwicklungstools" für JavaScript rollen sich mir gegenüber Werkzeugen wie Flash Builder oder FDT die Fußnägel hoch. Das wird sich ganz klar ändern, aber braucht Zeit.

Um eine Sache aber ganz deutlich klarzustellen: Meine Kritik richtet sich nicht gegen Adobes technische Entscheidungen, die sind in völlig Ordnung. Adobe muss in den Markt für HTML5-Werkzeuge, und Adobe muss die über Jahre mit der Flash-Technik gewonnenen Erfahrungen dazu nutzen, HTML5, JavaScript und CSS voranzutreiben. Meine Kritik richtet sich klar gegen Adobes Art und Weise der Kommunikation und den gewählten Zeitpunkt zur Bekanntgabe dieser Entscheidungen. Es wird Jahre dauern, bis Adobe das Vertrauen von Entwicklern und vielen technischen Partnern zurückgewonnen hat. Auch Besucher von Adobes MAX-Konferenz werden sich zu Recht fragen, ob sie nicht nach einer Rückerstattung des Ticketpreises fragen sollen – immerhin hat Adobe ihnen circa 4 Wochen vor diesen weitreichenden Änderungen in bestimmten Themenfeldern mehr oder weniger Theater vorgespielt.

Fazit ist: Flash ist nicht tot. Flash im Browser wird (vorerst) weiterleben. AIR (und AIR Mobile) ist nicht tot – Flash CS 5 und 5.5 sowie Flash Builder können und werden nach wie vor dazu genutzt, Anwendungen für AIR sowie iOS und Android zu entwickeln. Flash Builder wird laut offiziellen Stellungnahmen von Adobe weiterentwickelt, Flash Catalyst scheint zumindest inoffiziell mehr oder weniger abgeschrieben zu sein.

Hierin liegt die Krux: Viele Entwickler trauen Adobe nach den Ereignissen im November 2011 nicht mehr. Wer stoppt den Hersteller, in weiteren 12 Monaten Flash Player im Browser oder AIR auf ähnliche Art und Weise zu beenden, schließlich war vor 12 Monaten Flash Player für Mobilgeräte noch der absolute Hype. Im Moment ist der Anfang einer sich beschleunigenden Entwickler-Flucht weg von der Flash-Plattform zu beobachten. Kann Adobe oder das Flex-Apache-Projekt diese noch stoppen? ()