Karriere: Verbinde Projektziele mit persönlichen Zielen

Von “oben” vorgegebene Ziele, die offensichtlich nicht erreichbar sind, können frustrieren. Eigene Ziele können dem Frust effektiv entgegenwirken.

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"Goals" auf einer Schreibmaschine geschrieben

(Bild: Markus Winkler/unsplash)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Stefan Mintert

Moin.

Escape the Feature Factory: Stefan Mintert

(Bild: 

Stefan Mintert

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Stefan Mintert arbeitet mit seinen Kunden daran, die Unternehmenskultur in der Softwareentwicklung zu verbessern. Das derzeit größte Potential sieht er im Leadership; unabhängig von einer Hierarchieebene. Die Aufgabe, dieses Potential zu heben, hat er sich nach einem beruflichen Weg mit einigen Kurswechseln gegeben. Ursprünglich aus der Informatik kommend, mit mehreren Jahren Consulting-Erfahrung, hatte er zunächst eine eigene Softwareentwicklungsfirma gegründet. Dabei stellte er fest, dass Führung gelernt sein will und gute Vorbilder selten sind. Es zeichnete sich ab, dass der größte Unterstützungsbedarf bei seinen Kunden in der Softwareentwicklung nicht im Produzieren von Code liegt, sondern in der Führung. So war es für ihn klar, wohin die Reise mit seiner Firma Kutura geht: Führung verbessern, damit die Menschen, die die Produkte entwickeln, sich selbst entwickeln und wachsen können. Für Heise schreibt Stefan als langjähriger, freier Mitarbeiter der iX seit 1994.

Als Mitarbeiter einer Feature Factory kennst du vielleicht das folgende Muster für Ziele des Managements:

  • “Wir rollen unsere Produkte im nächsten Jahr in 29 weiteren Ländern aus.” Dass man für Roll-outs in bislang drei Länder jeweils fünf Monate gebraucht hat, scheint bei der Planung keine Rolle zu spielen.
  • “Unser neues Produkt muss in acht Monaten auf den Markt kommen, um unsere Umsatzziele zu erreichen.” Dass die Umsatzziele aufgestellt wurden, ohne auch nur einmal mit den Produktentwicklern zu sprechen, stört offensichtlich nicht weiter.
  • Kurz gesagt: Ein hochgestecktes Ziel mit einer zeitlichen Komponente, die man ohne jede Grundlage festgelegt hat.

Was soll man als Entwickler damit anfangen? Im Idealfall kann man Einfluss auf die Planung nehmen, man kann Bedenken äußern, die wirklich gehört und berücksichtigt werden. Doch wenn das nicht der Fall ist?

Man kann immerhin die absehbare Enttäuschung durch das nicht erreichbare Ziel, durch den Fokus auf eigene Fortschritte reduzieren. Dazu empfehle ich folgenden Ansatz:

Verbinde die vorgegebenen Projektziele mit deinen eigenen, persönlichen Zielen. Was möchtest du zu den Meilensteinen und zum Endtermin für dich erreichen? Welches Know-how möchtest du aufbauen? Welche persönliche Entwicklung möchtest du parallel zum Projekt durchlaufen? Welche Fortschritte soll deine Karriere machen oder welche Grundlagen für Fortschritte möchtest du legen?

Warum hilft das, die Zeit in einer Feature Factory besser zu nutzen? Ich sehe oft Entwickler und Entwicklerinnen, die sich mit unrealistischen Zielen in unproduktiven Umgebungen konfrontiert sehen. Der Frust ist groß und die Versuche, etwas an der Situation zu verbessern, laufen ins Leere. Und doch bleibt der Fokus darauf gerichtet, den Status quo zu ändern oder sich endlos darüber zu beklagen. Es folgt die Resignation der Art, "ich mache einfach, was man mir sagt”. Beliebt sind auch “Hier kann man eh nix ändern” und ähnliche Glaubenssätze. Meistens versuche ich sowohl bei meinen Kunden als auch in diesem Blog Handlungsoptionen aufzuzeigen, die die etablierten Glaubenssätze herausfordern. Doch nehmen wir einfach mal an, dass “man wirklich nichts ändern kann”. Dann hilft es, den Fokus von den beklagenswerten Umständen auf die persönliche Entwicklung zu richten.

Was ist dein Thema? Was möchtest du können? Worin möchtest du dich verbessern? Software-Architektur? Continuous Deployment? Testautomatisierung? Generierung von Softwaredokumentation? Präsentationstechniken? Kommunikations-Skills?

Steck dir Ziele! Mach es konkret und messbar! Woher weißt du, dass du dein Ziel erreicht hast? Darauf kann es verschiedene Antworten geben. Ein paar Beispiele:

  • Die Teilnahme an einer Schulung,
  • der Erwerb eines Zertifikats,
  • einen Artikel in einem Magazin veröffentlichen oder
  • einen Vortrag auf einer Konferenz oder bei einem Meetup halten.

Wenn dein Thema (auch) für deine Karriere helfen soll, stell sicher, dass deine Zielerreichung im Lebenslauf stehen kann. Vielleicht gehört es in die Personalakte, damit es im späteren Arbeitszeugnis vorkommt. Auf diese Weise können auch firmeninterne Maßnahmen als messbare Ziele herhalten.

  • Durchführen von Schulungen für Kolleginnen und Kollegen.
  • Veröffentlichung eines Artikels im Firmenmagazin.
  • Gibt es bei euch nicht? Dann: Gründen eines Firmenmagazins.
  • Ein Vortrag in einer geeigneten Community of Practice.

Wenn du deine Ziele definiert hast, kommt der vielleicht kniffligste Teil: Verbinde die Ziele mit dem Projekt, an dem du arbeitest. Was ist daran knifflig? Knifflig kann die Argumentation sein: Weshalb passen eigene Ziele und Projektziele zusammen? Wenn du lernen möchtest, Geige zu spielen, wird es mit der Argumentation schwer. Der Aufbau von Know-how zur Testautomatisierung dürfte in den meisten Fällen einfacher zu erklären sein, weil das Know-how wirklich nützlich für das Projekt ist. Da Vorgesetzte ohnehin gerne über Jahresziele und Ähnliches sprechen, sollte es im persönlichen Gespräch keinen Widerstand geben.

Wenn du deine Ziele kennst und sie – soweit erforderlich – mit deinem Vorgesetzten abgestimmt sind, folgt der nächste Schritt: Brich deine Ziele in Tickets herunter, lege sie im Backlog an und weise sie dir selbst zu (ich mag es nicht, Tickets sehr früh einer Person zuzuweisen, aber bei persönlichen Zielen geht das in Ordnung, oder?).

Die Tickets, die keine Features oder Anforderungen der Auftraggeber enthalten, heißen bei meinen Kunden beispielsweise “Dev-Stories” oder “technische Stories”. Ich würde in den Tickets nur die Themen benennen, keine Akzeptanzkriterien. Wenn du ein Meister in Testautomatisierung werden möchtest, schreib das auf, aber erwähne nicht, dass dein persönliches Zielkriterium lautet, einen Vortrag auf einer Konferenz zu halten. Der Vortrag dient lediglich zum Messen der Zielerreichung. Ins Ticket gehört nur das Thema. Andernfalls könnte man dich zu Recht fragen, was der Vortrag mit dem Projekt zu tun hat. Alles, was außerhalb der eigentlich Arbeit passiert (Vortrag, Publikation, usw.), solltest du vorab mit deiner Firma klären. Darfst du im Namen der Firma auf einer Konferenz auftreten? Falls nicht, nimm dir einen Tag Urlaub. Ähnliches gilt für Veröffentlichungen.

Sind die Tickets einmal im Backlog, geht es nur noch darum, sie zu ziehen; zum Beispiel in den Sprint, falls Ihr so arbeitet. Wenn deine Tickets viele kleine Schritte darstellen, kannst du in schöner Regelmäßigkeit deine eigenen Ziele verfolgen und Fortschritte machen, die dir etwas bedeuten.

(rme)