Prozessorgeflüster

Kaum ist man mal ein paar Tage auf Urlaub und schon gehts ins der Szene drunter und drüber: AMD kauft ATI, Werder kauft Mertesacker, Sandisk schluckt seinen Konkurrenten Msystems, Intel verkauft Dialogic (Geschäftsbereich Sprach-Daten-Kommunikation), Asus paart sich mit Gigabyte und Philips trennt sich weitgehend von seiner Halbleitersparte und gibt auch den Bereich Flachbildschirme auf.

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Von
  • Andreas Stiller

Vom AMD/ATI-Deal zeigte sich Intel völlig überrascht und brachte unmittelbar darauf einen Eilantrag in den laufenden Prozess zwischen den beiden Mikroprozessorhäusern ein. Diesen Prozess hatte AMD ja vor dem District Court in Delaware angestrengt, um Intel wegen unfairer Geschäftspraktiken anzuprangern: Intel, so lautet der Vorwurf, habe den Konkurrenten systematisch von Märkten ausgeschlossen -etwa hier in Deutschland von den Aldi-, Saturn und Media-Märkten. So schlimm kanns aber wohl nicht gewesen sein, wenn AMD nun in der Lage ist, für 5,4 Milliarden Dollar Cash ATI zu übernehmen. Eigentlich war Schluss der Beweisaufnahme des Verfahrens schon am 15. Juni - doch nun möge das Gericht, so Intel, die unerwartete Änderung der Marktsituation berücksichtigen und AMD verpflichten, alle Unterlagen (Verträge, Analysen, Markteinschätzungen etc.) rund um den Deal herauszurücken.

Fehlt jetzt nur noch, dass Intel als Gegenreaktion Nvidia aufkauft - aber derzeit wickelt die Corporation ja lieber frühere Fehleinkäufe ab. Und was soll man auch mit Nvidia: gute Chipsätze hat man schließlich selber, allein die Intel’sche Grafik lässt zuweilen etwas zu wünschen übrig. Für Business-PCs reichen die preiswerten integrierten Grafiklösungen jedoch allemal - wenn sie denn erst mal da sind. Auf den zum Erscheinen des Core-2-Duo-Prozessors angekündigten G965-Chipsatz jedenfalls muss man immer noch warten - man hört von Problemen mit dem Grafik-Kern GMA X3000.

Probleme gibts auch mit dem neuen B2-Stepping des Conroe-Prozessors (CPUID 06F6h): Das ein oder andere Board (etwa P5W von Asus) mag damit gar nicht erst hochfahren. Zur Not kann man einen irgendwo ausgeliehenen B1-Conroe oder einen Pad-kompatiblen Celeron oder Pentium 4 einstecken und mit dessen Hilfe ein neues BIOS einflashen - dann hat der Leih-Chip seine Schuldigkeit getan und der neue Core 2 Duo sollte losrennen. Wenn der Conroe zufällig mit der S-SPEC-Nummer QRQF oder QPGB bedruckt ist, hat man Glück, denn diese Entwickler-Testmuster haben schon die LaGrande-Sicherheitserweiterung freigeschaltet. Ob man damit schon was anfangen kann, ist allerdings eine andere Frage.

Neue Steppings sind auch für den (erhofften) Volumenverkauf des Montecito-Prozessors vorgesehen. Der C2-Step beseitigt zwei Bugs und verbessert erheblich die Signalqualität des FSB533. Einer der beiden Bugs betrifft nur die spezielle Betriebsart „Socket Level Lockstep“, bei der sich zwei Prozessoren gegenseitig überprüfen. Der andere jetzt ausgebügelte Fehler (E154) gehört mal wieder zu der unglücklichen Sorte, die nur manchmal auftreten, und nur dann, wenn zahlreiche Umstände gleichzeitig zusammenkommen. In solchen laut Intel unrealistischen Fällen kann es ein Rauschen auf den internen Leitungen geben, welches zu „unerwartetem Verhalten bei Befehlen der Multimedia-Einheit“ führt.

Fehler, die erst bei höherem Takt und/oder höheren Temperaturen zu Tage treten, nennt man gemeinhin auch Speed Paths. Der langsamste Speed Path begrenzt daher den maximalen Takt. Und im heißen Sommer offenbart sich der ein oder andere dieser Speed Paths schon etwas eher - etwa in überhitzten Athlon-64-Prozessoren. AMD hatte für einige wenige Opteron-Prozessoren ein so genanntes „CPU Frequency Margin Test Escape“ zugegeben - ein paar durch den Endtest geschlüpfte Exemplare, die sich bei intensiver Gleitkommanutzung verrechnen. Bei uns häufen sich aber Meldungen von Lesern, bei denen sich auch der Athlon 64 vertüddelt: JPG-Bilder verzerrt oder den Torture-Test von Prime95.exe nicht besteht. Ein solches Exemplar (Athlon 64 3700+/754) haben wir uns mal zuschicken lassen und tatsächlich, bei 55 °C CPU-Temperatur (laut Asus Probe) machte er nach zwei bis drei Stunden unter der heftigen SSE2-Folter von Prime95 schlapp. Mit verringerter Lüfterdrehzahl und resultierenden 59 °C war schon nach 25 Minuten Schluss, bei 61 °C hielt er neun Minuten durch und bei 63 °C kam schon etwa alle zwei Minuten ein falsches Ergebnis - Windows XP jedoch lief auch dann noch augenscheinlich problemlos. Sicherheitshalber sollte man mal an einem schönen warmen Spätsommertag sein System mit Prime95 zusätzlich kräftig unter Feuer setzen.

Apropos Hot Chips: Ab dem 21. August tagt wieder die gleichnamige Konferenz an der Stanford University in Palo Alto. Hier will unter anderem Intels Cheftechnologe Justin Rattner über „Cool Codes for Hot Chips“ referieren und AMD über die Opteron-Northbridge heute und in Zukunft. Philips Semiconductors will ebendort den neuen Video-Prozessor Nexperia PNX8535 vorstellen. Eigentlich müssten die Philips-Entwickler sich nun unter dem Übergangsnamen „das Konsortium“ auf der Tagung präsentieren, denn so heißt der designierte neue Besitzer von Philips Semiconductors, das mit seinen 37 000 Mitarbeitern mit zu den größten Halbleiter-Firmen der Welt gehört.

Zwar bleibt das Stammhaus Koninklijke Philips Electronics noch zu rund 20 Prozent beteiligt, den Rest will dann aber im Herbst für etwa 6,4 Milliarden Euro ein Konsortium aus drei großen internationalen Investmentfirmen übernehmen: Die Kohlberg Kravis Roberts & Co. (KKR), die in Deutschland in der Demag-Holding viele ehemalige Siemens-Firmen im Portfolio hält und die bereits im letzten Jahr von Agilent die Semiconductor Products Group übernahm, Silver Lake, die unter anderem über Thompson, Seagate, Sungard und Gartner „herrschen“, und Alpinvest Partners, die als letzte größere Transaktion im Frühjahr zusammen mit KKR und weiteren Partnern den VNU-Verlag für 7,5 Milliarden Euro Cash übernommen hat. Auch von der Beteiligung am taiwanischen Chiphersteller TSMC will sich Philips trennen, genauso wie von den gemeinsam mit LG produzierten Flachbildschirmen. Trotz WM-Booms war das LCD-Geschäft stark defizitär.

Vom Kaufrausch in der Hardware-Szene bleibt übrigens auch die Softwarebranche der IT-Riesen nicht unberührt. Microsoft schluckte nach Sysinternals und Winternals nun auch einen Spezialisten für Software im Gesundheitswesen, HP verleibt sich für 4,5 Milliarden Dollar den Business-Software-Hersteller Mercury Interactive ein und IBM übernimmt den einen oder anderen kleineren Geschäftspartner wie MRO Software oder Webify Solutions, die Tools für die Öl- und Autoindustrie, Banken und das Gesundheitwesen herstellen. Und ich muss jetzt auch übern Markt zum Einkaufen. (as) (as)