Vom Seestern zum Greifer

Schon mal etwas von PneuNets gehört? Das sind weiche Gebilde, die dem Maschinenbau eine interessante, neue Richtung geben könnten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Niels Boeing

Eine Ironie des Maschinenzeitalters ist, dass die meisten Menschen nur User, Knöpfchendrücker, Hebelumleger sind. Die Wenigsten sind in der Lage, selbst einfache Maschinen zu konstruieren oder mit Hilfe von Maschinen Gegenstände mit beweglichen Teilen zu bauen.

Diesen bedauerlichen Zustand zu beenden, ist bekanntlich eine der Motivationen der allmählich größer werdenden Fab-Lab-Bewegung. Ihrem Initiator Neil Gershenfeld, MIT, schwebt ein technisches "Empowerment" vor: In "Fab Lab" genannten Community-Werkstätten sollen Konsumenten dazu befähigt werden, selbst zu produzieren.

Gelingen soll ihnen das mit einfachen computergesteuerten Maschinen, die sie als ersten Schritt bereits selbst zusammenbauen. Eine Hürde für Normalsterbliche ist dabei aber sicher die Konstruktion von elektronischen Steuerplatinen und die Verwendung von Elektromotoren für bewegliche Teile. Nicht nur, weil dafür einiges an Elektronik-Knowhow nötig ist, sondern auch, weil als Materialien an irgendeiner Stelle Metalle verbaut werden müssen.

Wäre es nicht klasse, auch einfache Maschinen zu bauen, die im Wesentlichen aus Kunststoffen bestehen – deren Teile also mit einfacheren 3D-Druckern geformt werden könnten - und pneumatisch bewegt werden? Genau in diese Richtung geht das "Soft Robotics"-Konzept der Harvard-Gruppe um George Whitesides.

In einem aktuellen Paper in Angewandte Chemie stellt das Whitesides-Team unter anderem einen Greifer aus zwei elastischen Kunststoffen vor. Die Finger enthalten Kanäle und Kammern: Bläst man in sie Luft hinein, krümmen sich die Finger sanft, aber fest. So fest, dass man zum Beispiel ein Ei damit anheben kann:

Der PneuNet-Greifer und das Ei.

(Bild: Angewandte Chemie)

Der Trick daran ist, die Wände der Kammern unterschiedlich dick zu machen. Die Luft dehnt die dünnen Wände (aus Ecoflex 00-30) stärker, während die steiferen (aus PDMS) nur wenig nachgeben, so dass sich das gesamte Element verformen muss. Der abgebildete Greifer kann immerhin ein Gewicht von bis zu 300 Gramm heben.

Die drei einzelnen Schichten des Greifers wurden zunächst mit einem 3D-Drucker von Stratasys (Dimension Elite) produziert und anschließend bei 60 Grad über mehrere Stunden zusammengebacken.

Die "PneuNets", wie die Whitesides-Gruppe ihre Gebilde nennt, sind von "weichen" Lebewesen wie Seesternen und Tintenfischen inspiriert. Die gängige "harte Robotik" orientiert sich hingegen eher an Tieren mit Skeletten, Sehnen und Muskeln.

Ich finde diese PneuNets ziemlich beeindruckend und bin gespannt, was für eine Komplexität sie eines Tages erreichen, wenn erst einmal genug Leute die Idee vorangetrieben haben. Es sollte auch möglich sein, irgendwann bioabbaubare Kunststoffe zu verwenden. Dann hätte man eine Maschinenklasse geschaffen, die man selbst herstellen und später auf dem Kompost entsorgen kann. (nbo)