Alles unter einem Dach

Während der Aibo-Nachfolger Nao bei den RoboCup German Open noch außer Konkurrenz mit seinen ersten Schritten gekämpft hat, sorgten bei den Wettkämpfen in den bereits erfahreneren Fußballroboterligen unerwartete Taktiken und verbesserte Techniken für überraschende Ergebnisse.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Auch im Roboterfußball kann man sich nie auf seinen Lorbeeren ausruhen: Bei den RoboCup German Open, die Ende April auf der Hannover Messe ausgetragen wurden, bezwang das Team Tech United von der Technischen Universität Eindhoven überraschend mit zwei in hohem Bogen weit über das Spielfeld geschossenen Bällen den amtierenden Weltmeister Brainstormers Tribots von der Universität Osnabrück im Halbfinale mit 2:1 und ebnete sich so den Weg zum Turniersieg in der Middle Size Liga, in der maximal 80 Zentimeter hohe Radroboter gegeneinander antreten.

Die seit 2001 alljährlich veranstalteten offenen Meisterschaf-ten in mehreren Roboterfußball-Ligen und anderen Disziplinen gelten als wichtiger Test für die Weltmeisterschaften, die seit 1997 ebenfalls jährlich an wechselnden Orten ausgetragen werden. In diesem Jahr erprobten in der Halle 25 der Hannover Messe 49 Senior-Teams aus 14 Nationen ihre Roboter unter realen Wettkampfbedingungen, die sich an ihren Instituten nur sehr entfernt simulieren lassen. Insofern werden sich die Brainstormers über die Niederlage nicht gerade gefreut haben, konnten sie aber einigermaßen gelassen nehmen. Immerhin sind sie auf diese Weise rechtzeitig vor der RoboCup-WM Mitte Juli in Suzhou, China, auf Schwächen ihrer Spielweise aufmerksam geworden. Außerdem können sie sich rühmen, den Zuschauern mit dem packenden, sehr dynamischen Middle-Size-Halbfinale einen sportlichen Höhepunkt des Turniers geboten zu haben.

Der Spielverlauf weckte Erinnerungen an die RoboCup German Open von 2002. Damals war das niederländische Team Philips CFT mit Robotern angetreten, die über einen extrem starken Schussapparat verfügten. Mit dem hämmerten sie sich regelrecht auf den ersten Platz. Kein anderes Team konnte während des Turniers eine geeignete Abwehr gegen die harten Schüsse entwickeln. Nur zwei Monate später bei der RoboCup-Weltmeisterschaft ging die einfache Taktik indessen schon nicht mehr auf. Die Philips-Roboter kamen über die Vorrunde nicht hinaus.

Auch Tech United wird sich für Suzhou mehr einfallen lassen müssen. Teamleiter Roel Merry zufolge soll insbesondere die Ballkontrolle verbessert werden. Der hohe Schuss allein wird jedenfalls nicht mehr ausreichen, denn die Gegner sind gewarnt. „Unser Torwart kann im Prinzip dreidimensional sehen“, sagt Martin Riedmiller, Leiter der Arbeitsgruppe für Neuroinformatik an der Universität Osnabrück und Gründer der Brainstormers. „Aber diese Bälle waren extrem hoch und flogen dadurch die meiste Zeit außerhalb seines Blickfelds. Außerdem kamen die Schüsse für uns überraschend, denn in den vorangegangenen Spielen hatte Tech United noch Probleme damit gehabt.“

Eine mögliche Gegenmaßnahme wäre eine Torwartkamera mit größerem Blickfeld, doch die wird sich so schnell nicht entwickeln lassen. Die Brainstormers werden sich daher eher auf Verbesserungen bei der Software konzentrieren. „Zum einen müssen wir den ballführenden Spieler eher attackieren, damit er gar nicht erst zum Schuss kommt“, sagt Teamleiter Sascha Lange. „Zum anderen müssen wir im Angriff flexibler sein. Für gewöhnlich warten unsere Spieler, dass die gegnerischen Verteidiger zum Ball fahren, um dann um sie herumzudribbeln. Die Roboter von Tech United haben aber stattdessen eine Art Raumdeckung betrieben und darauf geachtet, dass sie zwischen Gegner und Tor stehen. Insofern haben sie eine Schwäche in unserem Angriff gut erkannt und ausgenutzt.“ Lange wirkt aber recht überzeugt, dass das bei der Weltmeisterschaft nicht mehr funktionieren wird.

Die Brainstormers waren nicht das einzige Team, das früher als erwartet aus dem Turnier flog. Bei den humanoiden Robotern mussten sich die Darmstadt Dribblers von der Technischen Universität Darmstadt im Halbfinale dem Team Fumanoid von der Freien Universität Berlin geschlagen geben. Eine Schraube hatte sich gelöst und dadurch den Stürmer beim Kicken blockiert. Außerdem war das neu entwickelte Zusammenspiel von Microcontroller für die Basisfunktionen und Computer für die höheren kognitiven Funktionen offenbar noch nicht ausreichend getestet.

Das Finale bei den Zweibeinern barg dagegen weniger Überraschungen. Der amtierende Weltmeister NimbRo von den Universitäten Bonn und Freiburg hatte wenig Mühe mit seinem Gegner. Beim Stand von 10:0 gab Fumanoid in der zweiten Halbzeit auf. In diesem Jahr spielten die Zweibeiner erstmals in Dreierteams, sodass immerhin die ersten Ansätze zum Passspiel weiterentwickelt werden können. Solche Fortschritte in der im Jahr 2002 eingerichteten Liga lassen diese mehr und mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken.

Dies dürfte sich noch verstärken, wenn es bei der RoboCup-WM eine neue Liga für zweibeinige Roboter geben wird. Bis dahin hoffen die Teams, den neuen Standardroboter Nao so weit vorbereitet zu haben, dass er auf dem Spielfeld sinnvoll agieren kann.

Die Standardliga ist wichtig für Teams, die mit realen Robotern arbeiten, sich aber nicht um Hardwarefragen kümmern wollen. Bisher hatte der vierbeinige Aibo diese Anforderungen erfüllt. Da Sony aber 2006 die Entwicklung und Produktion des Roboters eingestellt hat, suchte die International RoboCup Federation nach einem Nachfolger mit vier oder zwei Beinen. Die Wahl fiel schließlich nach der RoboCup-WM 2007 auf den Zweibeiner Nao von der französischen Firma Aldebaran, für die die Bestellungen von RoboCup-Teams den nötigen Anschub gaben, um mit der Produktion zu beginnen.

Die wechselseitige Befruchtung soll damit nicht enden. „Wir brauchen die Erfahrungen und das Feedback des RoboCup, um den Roboter weiter zu entwickeln“, sagt der enthusiastische Firmengründer Bruno Maisonnier. Anders als Sony setzt Aldebaran von vornherein auf Open Source. Nao soll frei programmierbar, sogar „hackbar“ sein, wie Maisonnier versicherte. Ein modularer Aufbau soll auch die Anpassung der Hardware an verschiedene Aufgaben erleichtern.

In Hannover konnte Nao allerdings vorerst nur winken und ein paar zaghafte Schritte gehen. Erst eine Woche zuvor waren die ersten Modelle an die Teams ausgeliefert worden. Das war zu knapp, um wie beim Aibo anspruchsvollere Verhalten zu programmieren – von richtigen Fußballspielen mit Elfermannschaften ganz zu schweigen, die bisher nur in den Simulationsligen möglich sind.

Roboter Fußball spielen zu lassen ist beim RoboCup nicht Selbstzweck: Auf dem Spielfeld sollen die Basistechnologien für mobile autonome Roboter entwickelt und erprobt werden, mit denen diese auch nützlichere Aufgaben erledigen können. Um den Transfer von der Grundlagenforschung zu den Anwendungen gezielt zu fördern, gibt es beim RoboCup die Ligen Rescue und RoboCup@home mit stärker anwendungsorientierten Aufgabenstellungen. Die Arenen beider Ligen waren in Hannover direkt nebeneinander aufgebaut, nur eine dünne Wand trennte das Katastrophenareal vom Wettkampfwohnzimmer. In beiden müssen sich die Roboter orientieren und einfache Aufträge ausführen.

In der Wohnumgebung sollen sie etwa einem Menschen folgen, auf gesprochene Befehle hin bestimmte Punkte ansteuern oder Gegenstände erkennen und greifen. Soweit wie möglich nutzen die Teams bei RoboCup@home bereits Vorhandenes, sodass Softwareintegration für alle Teams ein wichtiges Thema ist. „Es geht nicht mehr darum, jede Komponente selbst zu schreiben“, sagt Paul Plöger vom Team IAIS/BIT. „Stattdessen suchen wir uns die für die jeweiligen Aufgaben wie Spracherkennung, Bildverarbeitung oder Navigation besten vorhandenen Lösungen. Damit sie zusammenwirken können, haben wir eine Middleware geschrieben, die Anwendungen unter Linux, Mac und Windows gleichermaßen integriert.“ Das reichte für Platz zwei. hinter dem amtierenden Weltmeister AllemaniACs von der RWTH Aachen.

In der Rescue League schaffte es das Team von der Jacobs University Bremen auf das oberste Siegertreppchen, indem es zwei Roboter in die Arena schickte. Während der menschliche Operator einen der beiden durch die schwerer zugänglichen orangen und roten Bereiche fernsteuerte, fuhr der andere autonom durch den gelben Bereich und benachrichtigte den Operator, wenn er glaubte, ein durch eine Puppe dargestelltes Opfer gefunden zu haben. Ein neu eingerichteter blauer Bereich, in dem die Manipulationsfähigkeiten der Roboter getestet werden sollen, blieb diesmal noch unberücksichtigt. Er wird erst bei der WM eine Rolle spielen.

Zwei Teams von der Universität Koblenz verwendeten für die Wettbewerbe in den beiden Ligen ein und denselben Roboter mit identischer Software. Technologisch war das ein interessanter Ansatz, der den Teams allerdings noch längere Programmiernächte bescherte, als ohnehin schon üblich. Immerhin wurden die Anstrengungen mit einem zweiten Platz in der Rescue League und einem dritten Platz bei RoboCup@home belohnt.

Das beherrschende Thema der diesjährigen RoboCup German Open war aber der neue Austragungsort. Während das Turnier im vergangenen Jahr noch etwas abseits vom übrigen Messegeschehen in den Expo-Pavillons ausgetragen worden war, war es diesmal voll in den neu geschaffenen Ausstellungsbereich zu mobiler Robotik und autonomen Systemen integriert. Die Ausstellung und der vom Fraunhofer-Institut Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) organisierte Roboterwettbewerb zogen gemeinsam Publikum an, dass sich in einer offenen, lockeren Atmosphäre wiederfand, in der sich Menschen und Roboter wie selbstverständlich miteinander mischten. Wenn die Roboter aus der Ausstellung in den Gängen ihre Runden drehten, wurden sie kaum als Fremdkörper oder um Aufmerksamkeit heischende Werbeartikel wahrgenommen, sondern gehörten einfach dazu. Auf einer Bühne im Zentrum der Halle unterstrich ein tägliches Vortragsprogramm mit hochkarätigen Referenten, dass Roboterfußball keine Spielerei, sondern ernsthafte Wissenschaft ist.

„Der RoboCup kommt aus den Kinderschuhen“, fasst Chefkoordinator Ansgar Bredenfeld vom IAIS die diesjährigen Erfahrungen zusammen. „Die Entscheidung, in die Messehalle zu gehen, war richtig. Das muss weiter ausgebaut werden.“ Sehr zufrieden zeigte sich Bredenfeld auch mit dem Verlauf des Nachwuchswettbewerbs RoboCup Junior, der mit mehr als 100 Schülerteams ebenfalls in derselben Halle stattfand und sich mittlerweile auf eine feste organisatorische Basis stützen kann. Negative Stimmen zum neuen Veranstaltungsort gab es nicht, weder von Teilnehmern, Ausstellern oder Besuchern. Im Gegenteil, einige Sponsoren sagten spontan ihre Unterstützung auch fürs nächste Jahr zu. (anm) (anm)