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Nach Turbulenzen in der Vorbereitungsphase verlief die RoboCup-WM in China glatt und reibungslos. Fortschritte zeigten sich insbesondere bei den anwendungsorientierten Ligen und bei den humanoiden Robotern. Die neue Standardplattform Nao hat dagegen noch mit Kinderkrankheiten zu kämpfen.

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Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Mit mehr Nervosität dürfte bislang keine RoboCup-Weltmeisterschaft erwartet worden sein – außer vielleicht der ersten im Jahr 1997. Diesmal stand zeitweise sogar auf der Kippe, ob das Roboterturnier im 80 Kilometer westlich von Shanghai gelegenen Suzhou überhaupt würde stattfinden können. Nur zwei Monate vor dem Veranstaltungstermin verschickte der scheidende Präsident der International RoboCup Federation Minoru Asada eine E-Mail an alle Teilnehmer mit der Aufforderung, keine weiteren Vorbereitungen für die Reise nach China zu treffen, da die Veranstaltung „due to the Olympic related issues“ verschoben oder gar abgesagt werden müsse.

Für den alljährlich ausgetragenen Wettbewerb, bei dem Universitäts- und Juniorteams ihre Roboter im Fußballspiel und anderen Disziplinen gegeneinander antreten lassen, wäre das ein herber Rückschlag gewesen. Die drohende Katastrophe konnte nach einer guten Woche aufgeregter Diskussionen zwar abgewendet werden. Doch je näher der Termin Mitte Juli rückte, entwickelte sich nun ein zunehmend hektischerer E-Mail-Verkehr mit immer wieder neuen Hinweisen zu den chinesischen Zoll- und Visaformalitäten.

Umso verblüffender war das Kontrastprogramm nach der Ankunft am Veranstaltungsort, dem International Expo Center im Suzhou Industrial Park, einer riesigen Entwicklungszone im Osten der ansonsten für ihre kunstvoll angelegten Gärten berühmten 6-Millionen-Stadt. Von nun an lief alles. Falls es doch mal ein Problem gab, wurde es von den zahlreichen studentischen Helfern oder den Organisatoren selbst rasch und unkompliziert gelöst. Die Turbulenzen der Reisevorbereitungen waren nur noch Stoff für Anekdoten und die rund 400 Teams mit 2000 Teilnehmern aus 35 Ländern konnten sich voll auf die Wettbewerbe konzentrieren.

Durch das Zusammenlegen von drei Messehallen war es den Veranstaltern gelungen, alle Ligen in einem großen Raum unterzubringen. Das erleichterte den Austausch zwischen den verschiedenen Wettbewerbskategorien, deren Zahl seit 1997 kontinuierlich zugenommen hat. Im Zentrum steht dabei immer noch das Fußballspiel als einheitliche Testumgebung für autonome, kooperierende Roboterteams. Das erklärte Ziel des RoboCup ist es, bis zum Jahr 2050 humanoide Roboter zu entwickeln, die gegen den menschlichen Fußballweltmeister bestehen können. Die dafür erforderlichen Technologien, so die Idee, können die Grundlage für eine Vielzahl von Anwendungen bilden.

Um aber die Entwicklung solcher Anwendungen nicht dem Zufall zu überlassen, wurden im Lauf der Jahre nach und nach neue Wettbewerbe eingeführt, die mit Fußball gar nichts mehr zu tun haben. Dies sind insbesondere die RoboCup Rescue League für Rettungsroboter sowie RoboCup@Home für Serviceroboter im Haushalt. Außerhalb der RoboCup-Gemeinde sind sie immer noch wenig bekannt, obwohl die Entwicklung auch hier kaum weniger rasant vorangeht als in den reinen Fußball-Ligen.

Das liegt ganz wesentlich an der ausgewogenen Balance zwischen Wettbewerb und Kooperation, die den RoboCup kennzeichnet. „Wenn ein Team in einem Jahr mit einem bestimmten Sensor oder einem speziellen Ansatz gute Erfahrungen macht, kann man davon ausgehen, dass ihn im nächsten Jahr alle Teams verwenden“, sagte Johannes Pellenz von der Universität Koblenz. Ein Beispiel dafür ist der Hokuyo URG-04LX Laserscanner, der sich auf diese Weise rasch zu einem Quasi-Standard entwickelt hat. Beweglich aufgehängt, mit einer Reichweite von etwa vier Metern lässt sich mit dem kleinen Gerät auch der Untergrund erkennen. In der Rescue League ist das wichtig, weil im Unterschied zu früher die mit den Farben gelb, orange und rot gekennzeichneten, unterschiedlich schwierigen Bereiche der Rescue Arena nicht mehr klar voneinander abgetrennt sind. Das am einfachsten strukturierte gelbe Gebiet ist für autonom fahrende Roboter reserviert, die den Untergrund nun selbst einschätzen und die Übergänge zu den schwierigeren Bereichen meiden müssen.

Für die Koblenzer lief der Wettbewerb wieder sehr gut. Mit ihren sehr präzisen, automatisch erstellten Karten und der höchsten Zahl erkannter und lokalisierter Opfer, die durch körperwarme, teilweise sich bewegende Puppen dargestellt werden, schafften sie wie im vergangenen Jahr in der Unterkategorie Autonomie mit deutlichem Vorsprung den ersten Platz. In der zweiten Unterkategorie Mobilität konnten sie dagegen mit ihrem vierrädrigen Robbie X nicht gegen die Konkurrenz bestehen. Die hochgradig unstrukturierten Bereiche der Rescue Arena mit Steigungen bis zu 45 Grad lassen sich bislang nur mit ferngesteuerten Robotern bewältigen, die über justierbare Raupenantriebe verfügen. Hier machte das thailändische Team Plasma-RX von der Chulalongkorn University das Rennen, das auch Gesamtsieger des Rescue-Wettbewerbs wurde. Die Koblenzer, die sich für die Mobilitätsprüfung mit dem iranischen Team Resquake zusammentaten, erreichten in der Gesamtwertung Platz drei.

Nicht nur die Teams profitieren voneinander, auch der Wettbewerb selbst entwickelt sich weiter. „Wir haben jetzt Standard-Stufenfelder entwickelt, mit denen spezifische Fähigkeiten der Roboter wie die Sicherung der Balance oder der Umgang mit Senken reproduzierbar getestet werden können“, sagte Adam Jacoff vom US-amerikanischen National Institute of Standards and Technology, der den Rescue-Wettbewerb maßgeblich organisiert. Diese aus einfachen Holzblöcken gebildeten Stufenfelder können von jedem Forschungsinstitut ohne großen Aufwand nachgebaut werden, sodass die Leistungen der Roboter auch außerhalb von Turnieren verglichen werden können. Jacoff, der viel Erfahrung mit US-Militärprojekten hat, hält die Leistungen der Teams bei RoboCup Rescue für absolute Weltspitze. „Jeder Militärroboter würde sich hier festfahren“, sagte er mit Blick auf ein pyramidenförmiges Stufenfeld.

Die Rescue League wurde bereits 2001 eingeführt. Der erst zum dritten Mal ausgetragene Wettbewerb RoboCup@Home für Serviceroboter scheint nun auf ähnlichem Erfolgskurs zu sein. Die Zahl der Teams nimmt zu, das Bewertungssystem verfeinert sich, die Aufgaben werden von Jahr zu Jahr anspruchsvoller. In diesem Jahr war mit eR@sers (Tamagawa University/University of Electro-Communications/National Institute of Information and Communications Technology) erstmals auch ein japanisches Team dabei. Dessen Roboter überzeugte mit seiner ausgefeilten Mimik bereits in der Vorstellungsrunde, bei der sich die Roboter mit einem fünfminütigen Vortrag dem Publikum präsentieren. Neben der Beweglichkeit und der Präsentationsfähigkeit wird dabei auch das äußere Erscheinungsbild bewertet. „Wenn die Roboter im Haushalt assistieren sollen, müssen sie auch über ein angenehmes Äußeres verfügen“, sagte Wettbewerbsleiter Thomas Wisspeintner.

Der japanische Roboter zeigte nicht nur selbst ein freundliches Gesicht, er konnte zudem gut menschliche Gesichter erkennen und sich merken, sodass er zufällig ausgewählte Personen bei der zweiten Begegnung mit Namen ansprechen konnte. Dennoch war es auch ein wenig Glück, dass die eR@sers am Ende den Titel gewannen. Die Leistungen der Teams, deren grundsätzlich über Sprachbefehle oder Mimik gesteuerte Roboter unter anderem Gegenstände finden, greifen und transportieren mussten, lagen ziemlich dicht beieinander und alle hatten zwischendurch auch immer wieder mal Probleme. Die Zweit- und Drittplatzierten AllemaniACs (RWTH Aachen) und b-it-bots (FH Bonn-Rhein-Sieg) hätten daher ebenso gut auf dem Siegertreppchen ganz oben stehen können.

Was diese Liga in so kurzer Zeit erreicht hat, ist bemerkenswert. Ob die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit knapp sieben Millionen Euro geförderte Deutsche Servicerobotik-Initiative Desire oder der in den Medien sehr präsente Care-O-Bot des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung hier noch mithalten könnten, darf durchaus bezweifelt werden. Gleichwohl könnte sich eine Teilnahme für bislang abseits stehende Firmen und Forschungsinstitute trotz des Risikos, zunächst zu scheitern, durchaus lohnen. Denn RoboCup@Home hat gute Chancen, sich in wenigen Jahren zur definitiven Bewährungsprobe zu entwickeln, die dann kein Anbieter von Servicerobotern mehr ignorieren kann.

RoboCup ist eben längst nicht mehr nur Fußball. Gleichwohl finden die Kickmaschinen weiterhin das größte Publikumsinteresse, insbesondere die zweibeinigen. Die Premiere des Roboters Nao, der den Vierbeiner Aibo als Standardplattform ablösen soll, verlief jedoch enttäuschend. Zu spät hatte die französische Firma Aldebaran die Zweibeiner ausgeliefert, sodass die Teams nicht genug Zeit hatten, sie zu programmieren. Die Idee der Standardplattform ist es, dass die Teams sich aufs Programmieren beschränken können, ohne sich um die Hardware kümmern zu müssen. Die war jedoch noch mit vielen Kinderkrankheiten behaftet. So war die Kamera ungünstig platziert, sodass der Roboter Mühe hatte, den vor ihm liegenden Ball zu sehen. Kabelverbindungen, die laut Hersteller fünf Millionen Mal gebogen werden können, brachen bereits nach 500 Belastungen. Infolgedessen stolperten die Naos ziellos übers Spielfeld und trafen allenfalls durch Zufall mal den Ball. In diesem Jahr ist der WM-Titel in dieser Liga daher noch bedeutungslos. Bei der nächsten RoboCup-WM 2009 in Graz dürfte das schon ganz anders aussehen.

Bei den selbst konstruierten Robotern der Humanoids League präsentierte das Team Dutch Robotics (TU Delft/University of Twente/TU Eindhoven/Philips) einen vielversprechenden Ansatz in Richtung dynamisches Laufen: In die Seilzüge integrierte Federn sorgen für eine Dämpfung und Energierückgewinnung, die in naher Zukunft auch rennende und springende Roboter ermöglichen könnte. Diesmal konnten sich die Niederländer damit indessen noch nicht platzieren. Die aufregendsten Spiele boten vielmehr wieder einmal die Favoriten Team Osaka (Vstone Ltd./Osaka University) und NimbRo (Universitäten Bonn/Freiburg), die die Nerven der Zuschauer und wohl noch mehr der Teammitglieder am stärksten strapazierten.

In der Kategorie Teen Size für 100 bis 160 (in Ausnahmefällen auch 180) Zentimeter große Roboter trafen die beiden Dauerfinalisten diesmal bereits im Halbfinale aufeinander. Hier messen sich die Teams bei der Dribbel and Kick Challenge: Der angreifende Spieler steht dabei in der Mitte des Spielfeldes und muss zunächst den hinter ihm liegenden Ball in die andere Hälfte dribbeln. Von dort darf er aufs Tor schießen, das vom gegnerischen Torwart verteidigt wird. NimbRo konnte hierbei einen Roboter einsetzen, der dank eines raffiniert konstruierten Hüftgelenks als einziger in dieser Liga in der Lage ist, sich zu Boden zu werfen, ohne Schaden zu nehmen. Auf diese Weise konnte er mehrere Schüsse erfolgreich abwehren, vergab aber in der Rolle des Angreifers auch einige Chancen. Nach zehn Versuchen waren die Servomotoren in den Fußgelenken offenbar so überhitzt, dass der Spieler beim Angriffsversuch stürzte. Da er noch nicht aus eigener Kraft wieder aufstehen kann, hatte NimbRo damit verloren.

Im Finale der 30 bis 60 Zentimeter großen, deutlich beweglicheren und robusteren Kid-Size-Roboter gab es Gelegenheit zur Revanche. Die Partie, bei der drei gegen drei Roboter antraten, war über die gesamte Spielzeit völlig offen. Beim Stand von 6:6 nach zweimal zehn Minuten wurde eine Verlängerung von zweimal fünf Minuten erforderlich. Angefeuert von den menschlichen Teammitgliedern gelang den NimbRo-Spielern endlich der ersehnte Führungstreffer, der von Team Osaka nicht mehr ausgeglichen werden konnte.

Diese Art von Aufregung am letzten Spieltag macht ein gelungenes RoboCup-Turnier aus. Auf die Aufregungen im Vorfeld hätte man dagegen gut verzichten können. Aber davon redete jetzt auch niemand mehr. (anm)