Books und Bytes

Zur Frankfurter Buchmesse erweitert sich das Angebot von E-Book-Readern und digitalem Lesestoff: Amazon bringt den Kindle nach Deutschland, Txtr und Iriver präsentieren Alternativ-Geräte, Holtzbrinck und Google verkaufen E-Books.

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Von
  • Achim Barczok
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Im Kindle Store findet man neben englischsprachigen E-Books 45 internationale Zeitungen.

Obwohl Amazon auf der Buchmesse keinen eigenen Stand hatte, war der Online-Buchhändler eines der heißesten Gesprächsthemen. Wenige Tage vor Messebeginn hatte Amazon-Chef Jeff Bezos die Bombe platzen lassen: Zwei Jahre nach Marktstart der ersten Kindle-Generation in den USA kommt Amazons E-Book-Reader Kindle 2 in einer internationalen Version mit UMTS-Modem nach Deutschland und in über 100 weitere Länder.

Ob es an Problemen mit den hiesigen Netzbetreibern oder den Verlagen gelegen hat, dass sich der Start außerhalb der USA so lange verzögerte, ist unklar. Jedenfalls umgeht Amazon bei der Markteinführung beides: Der Kindle wird als Import aus den USA mit einer amerikanischen SIM-Karte verschickt. Zum Verkaufsstart sind nur englischsprachige Buchtitel verfügbar, konkrete Aussagen zu einem deutschsprachigen Angebot gibt es nicht. Amazon will irgendwann jedes Buch in jeder Sprache liefern, ist davon aber derzeit weit entfernt.

Der Kindle kann für 279 US-Dollar auf Amazon.com bestellt werden, die Auslieferung soll zwei bis vier Tage dauern. Inklusive Versand- und Zollgebühren kostet er umgerechnet 240 Euro. Neben knapp 300 000 englischsprachigen Buchtiteln von Verlagen wie Bloomsbury, Penguin und Simon & Schuster können Anwender zwischen 45 Abos verschiedener Zeitungen auswählen, darunter drei deutsche: die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), das Handelsblatt und die Wirtschaftswoche. Damit ist der Kindle der erste Reader mit einem per Funk verteilten Zeitungsangebot in Deutschland.

Außer Epub-Dokumenten kann der Iriver Story auch Office-Dokumente und digitale Comics anzeigen.

Die Bücher kommen in einem proprietären Format von Amazon und sind mit Kopierschutz versehen. In den USA bekommt man die meisten Kindle-E-Books für rund 10 Dollar, in Deutschland verlangt Amazon in der Regel ungefähr zwei bis vier US-Dollar mehr. Sie sind damit in vielen Fällen immer noch günstiger als die gedruckten Exemplare. Amazon hat nicht für alle in den USA vertriebenen E-Books die Verkaufsrechte für Deutschland bekommen, sodass es Lücken im Angebot gibt. Bei den Zeitungsabos muss man wie bei den Büchern mit deutlichen Aufschlägen rechnen.

Der Kindle verfügt über UMTS und eine SIM-Karte vom US-amerikanischen Provider AT&T, der das Daten-Roaming mit den Vertragspartnern außerhalb der USA regelt. Für den Nutzer entstehen keine zusätzlichen Kosten, er kann in allen Ländern mit Kindle-Unterstützung E-Books ohne anfallende Mobilfunkgebühren erwerben. Die Mobilfunkverbindung ist zum US-Modell allerdings stark eingeschränkt: Der internationale Kindle verfügt weder über einen Webbrowser noch über die Weblog-Abo-Funktion.

Laut Medienberichten will Amazon noch in diesem Jahr 800 000 Lesegeräte weltweit absetzen. Den 9,7-Zöller Kindle DX gibt es vorerst nur in den USA, er soll aber 2010 auch international vertrieben werden.

Der Txtr Reader greift über das GSM-Netz von E-Plus auch unterwegs auf den E-Book-Shop des Herstellers zu.

Die Amazon-Konkurrenz nahm es auf der Buchmesse sportlich und zeigte sich angesichts des Kindle selbstbewusst. Die größte Beachtung erfuhr der E-Book-Reader Txtr des gleichnamigen Berliner Start-ups, der auf der Buchmesse offiziell vorgestellt wurde. Er soll für 320 Euro ab dem 15. Dezember vorerst nur in Deutschland erhältlich sein, die Vorbestellung beginnt am 1. Dezember. Das Lesegerät verfügt über WLAN (802.11b/g) und ein Mobilfunkmodul, über das Anwender Bücher kaufen und Inhalte mit ihrem Online-Konto bei Txtr synchronisieren können. Zum Start will das Unternehmen 20 000 Titel anbieten, als Contentpartner konnte das Startup die Online-Buchhändler ciando, Libri, Libreka und Ingram Digital sowie die Verlagshäuser Holtzbrinck und O’Reilly gewinnen.

Txtr-CEO Christophe Maire zeigte sich auf der Frankfurter Buchmesse zuversichtlich, dass die Verlagsindustrie von Amazon nicht „ge-iTuned“ werde. Er halte es für die Aufgabe von Txtr, ein Stück weit dagegen anzukämpfen mit einem offenen System und Kooperationen mit den Verlagen, um eine integrierte Lösung anzubieten.

Der E-Book-Reader N518 von Hanvon bietet Stifteingabe und Handschrift-Erkennung.

Per EDGE/GPRS-Netz können Txtr-Nutzer Bücher und Dokumente ohne Umweg über den PC auf den Reader laden. Als Mobilfunkprovider dient Ecotel, der das GSM-Netz von E-Plus nutzt. Der Zugang zum Txtr-Buchshop soll kostenlos sein, die Synchronisation eigener Dokumente und Webseiten-Abos schlägt nach momentaner Planung mit 12 Euro monatlich (Jahres-Vertrag) oder 15 Euro monatlich (3 Monate Bindung) zu Buche.

Wie der Kindle verfügt der Txtr Reader über ein 6-Zoll-Display mit 600 x 800 Bildpunkten Auflösung und nutzt als Displaytechnik elektronisches Papier (E-Ink), das ohne aktive Beleuchtung auskommt und damit Lesen wie bei einem gedruckten Buch ermöglicht. Der Akku soll bei vier Stunden Lesen am Tag drei Wochen durchhalten. Txtr stellt eine Entwicklungsumgebung mit dokumentierten APIs zur Verfügung.

Das Lesegerät erkennt die Formate PDF und Epub und zeigt auch mit Adobe DRM kopiergeschützte Inhalte an, weitere Formate lassen sich über das Txtr-Onlineportal konvertieren. Ausgeliefert wird es mit einem Roman, Stadt- und Sprachführern sowie Leseproben. Für das nächste Jahr plant Txtr eine großformatige Variante mit 9,7 Zoll Display-Diagonale und Toucheingabe.

Sony zeigte auf der Buchmesse bereits seine zweite in Deutschland angebotene Reader-Generation: Der Sony Reader Touch Edition mit 6-Zoll-Touchscreen kommt Ende Oktober für 300 Euro in den Handel (siehe c't 21/09, S. 54). Den Preis des Vorgängers PRS-505 ohne Touchscreen, der inzwischen auch in Elektronikmärkten verkauft wird, hatte der Onlinebuchhändler Libri.de kurz vor der Buchmesse auf 200 Euro reduziert, was ihn zum günstigsten Reader in Deutschland macht.

Der chinesische Hersteller Hanvon stellte den Reader N518 mit 5 Zoll Display-Diagonale vor, der außer den Tasten einen Plastikstift zur Eingabe besitzt. Mit den Fingern bedienen lässt er sich aber nicht. Als besonderes Merkmal verfügt der N518 als einziger E-Book-Reader in Deutschland über eine Handschrifterkennung. Er ist unter anderem beim Hamburger Anbieter für Sprachencomputer Hexaglot für 280 Euro verfügbar.

Das koreanische Unternehmen Iriver zeigte den Iriver Story mit Qwerty-Tastatur. Optisch dem Kindle 2 ähnlich, versteht sich der Story wie die Reader von Txtr, Sony und Hanvon unter anderem auf die Formate PDF und Epub, mit und ohne Kopierschutz. Über die Tastatur kann man Notizen eingeben, in Büchern nach Begriffen suchen oder einen Terminkalender führen. Ein zweites Reader-Modell mit WLAN soll noch in diesem Jahr auf den Markt kommen.

Als Contentpartner hat Iriver hierzulande die Buchhandelskette Hugendubel gewinnen können, die den Story für 280 Euro anbietet. Hugendubel startete zur Buchmesse einen E-Book-Shop und bietet dort außer dem Story die beiden Sony Reader sowie das Lesegerät Cybook Opus an. Nach Angaben von Hugendubel enthält der Onlineshop zum Start über 30 000 Titel, darunter viele Bestseller im Epub-Format.

Das quelloffene E-Book-Format Epub, kombiniert mit Kopierschutz von Adobe, ist bei den deutschen Buchverlagen inzwischen weitgehend Standard und das Pfund, mit dem die Kindle-Konkurrenz wuchert: Sony und Co. können deutschsprachige Bestseller anbieten, Amazon nicht. War der Sony Reader PRS-505 im März dieses Jahres noch einsamer Epub-Vorreiter, haben es zur diesjährigen Frankfurter Buchmesse über zehn Lesegeräte in die Online-Shops und Schaufenster geschafft.

Kurz vor der Buchmesse kündigte die Verlagsgruppe Holtzbrinck an, aus seinen Verlagen Droemer Knaur, Fischer, Kiepenheuer & Wisch sowie Rowohlt bis Ende 2009 rund 1500 Titel als E-Books anzubieten. Das Format der Wahl ist auch bei Holtzbrinck Epub, das Angebot soll neben aktuellen Bestsellern populäre ältere Werke umfassen. Bei den Preisen wird sich die Verlagsgruppe wie die meisten Verlage am Ladenpreis der aktuellen Printausgabe orientieren. Viele namhafte Verlage wie Beltz, Hanser, Lübbe und Heye bieten schon seit längerem E-Books an.

Umfassend ist das Angebot deutschen Lesestoffs aber noch lange nicht. Zwar hat es sich in den vergangenen Monaten deutlich vergrößert; inzwischen bekommt man um die 10 000 Epub-Bücher und viele weitere in Formaten wie PDF oder Mobipocket im Netz. Dennoch muss man beim digitalen Lesen immer noch auf viele Bestseller und den größten Teil der sogenannten Backlist – ältere Werke – verzichten.

Eine günstige Alternative zum Bücherkauf ist das Ausleihen von Büchern. Die Online-Plattform Onleihe bietet einen solchen Service für E-Books: Rund 130 Bibliotheken in Deutschland, Österreich und Schweiz sind derzeit Partner des Unternehmens. Ab November will Onleihe sein Angebot um E-Books im Format Epub erweitern, bisher gab es sie nur als PDF. Die Nutzungsdauer der E-Books wird über den Kopierschutz Adobe DRM begrenzt. Für die Online-Ausleihe müssen Leser bei einer der kooperierenden Bibliotheken angemeldet sein.

Unter anderem wegen Googles Scanprojekt schimpfen viele Verlage und Buchhändler auf den Suchmaschinenbetreiber, als ziehe mit der Digitalisierung ganzer Bibliotheken der Untergang des literarischen Abendlandes auf. Ein anderes Projekt könnte sich aber als durchaus profitabel für beide Gruppen erweisen: Auf der Buchmesse nannte Google weitere Details für seinen geplanten E-Book-Shop Google Editions. Er soll nun erst im kommenden Jahr online gehen und zu Beginn rund 500 000 Titel umfassen.

Die Verlage bekommen 63 Prozent vom Umsatz, 37 Prozent Google. Außerdem können Buchhändler über Google Editions eigene Shops einrichten; dann erhält der Verlag 45 Prozent und Google bezahlt den Händler aus seinem Anteil. Die E-Books sind nur über den Webbrowser lesbar, es soll aber auch eine Möglichkeit geben, Inhalte offline zu speichern.

Die Planung eines Google-Bücher-Shops dürfte dem Börsenverein des deutschen Buchhandels ein Dorn im Auge sein, der Buchhändlern über seine E-Book-Volltextsuche Libreka eine ebensolche Plattform anbietet. Die scheint nicht besonders gut zu laufen, wenn man einem anonymen Brandbrief glauben darf, der aus Unternehmenskreisen stammen soll. Der Verfasser schreibt, dass die Verkaufszahlen seit Start gegen Null tendieren, und nennt für den gesamten September 32 verkaufte Bücher. Er wirft dem Unternehmen mangelnde Erfahrung im Endkundengeschäft und Defizite bei der Technik vor. Der Börsenverein des deutschen Buchhandels ignorierte das Schreiben und rührte auf der Buchmesse wieder kräftig die Werbetrommel für Libreka: Ein neues Design mit Buchempfehlungen und Bestenlisten soll Kunden locken.

An den Messetagen konnten sich Digitalleser bei Libreka außerdem ausgewählte Epub-Titel kostenlos herunterladen, beim begehrten Roman „Atemschaukel“ der Nobelpreisträgerin Herta Müller brachen – wie als Antwort für den veröffentlichten Brandbrief – am zweiten Messetag die Libreka-Server zusammen. (acb)