Die Eigenbau-Roboter kommen

Im Projekt InMoov entsteht ein Roboter, dessen Baupläne als Open Hardware komplett offen liegen. Ein 3D-Drucker ist alles, was man braucht, um InMoov zu bauen – oder weiterzuentwickeln.

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Am Anfang stand ein geplatzter Auftrag: Der französische Bildhauer Gael Langevin sollte eine futuristische Handprothese entwerfen. Weil er sich gerade einen 3D-Drucker gekauft hatte, entschied sich Langevin, die Hand selber herzustellen, um das Potenzial des Druckers auszutesten. Die Hand-Prothese wurde dann doch nicht gebraucht, aber Langevin machte einfach weiter und stellte innerhalb eines Jahres einen Roboter her, dem jetzt nur noch die Beine fehlen. Sein Eigenbau-Roboter InMoov wirkt menschenähnlich und erinnert im Aussehen an den Roboter aus dem Film "I, Robot".

inmoov (4 Bilder)

Mit einer Hand fing es an ...

"Ich hatte Linux und die freie 3D-Modellierungs-Software Blender schon eine Weile benutzt und mein Drucker kam auch aus der Open-Source-Welt. Also habe ich die Konstruktionsdateien bei Thingiverse veröffentlicht, damit andere davon profitieren können." Thingiverse ist eine Plattform für Open-Source-Hardware, auf der die Benutzer Design-Daten untereinander austauschen. Das Feedback aus der Open-Source-Gemeinde war überwältigend und motivierte Langevin, einen Weg zu finden, um die Finger seiner Handprothese mit Hilfe von Motoren zu kontrollieren. Dabei entdeckte er den Arduino, ein quelloffenes Mikrocontroller-Board, das unter anderem Servomotoren kontrollieren kann.

Wieder waren die TĂĽftler begeistert. Also geht es weiter, Langevin entwickelt einen Bizeps und dann die Schulter des Roboters. Mittlerweile hat er zwei Arme, die jeweils von einem Arduino-Microcontroller-Board gesteuert werden. Auf der Suche nach einer Software, die zwei Arduinos synchronisieren kann, entdeckt Langevin MyRobotLab, eine Java-Software im FrĂĽhstadium der Entwicklung.

MyRobotLab-Entwickler Greg Perry steigt direkt in das Projekt InMoov ein: "Innerhalb von ein paar Wochen hatte ich die synchronisierten Arme. Die Möglichkeiten, die Greg mir gab, waren grenzenlos", erzählt Langevin. Jetzt kann der Roboter von jedem PC aus gesteuert werden. "Gerade habe ich ein Odroid-U3-Board und einen kleinen Bildschirm bestellt, um ihn völlig autonom zu machen – und mit weniger Kabeln." Eine 6-Volt-Batterie hält InMoov "am Leben". Mittlerweile steuern 26 Servo-Motoren seine Bewegungen, alle kontrolliert durch Arduino-Boards.

InMoov kann ĂĽber einfache Befehle gesteuert werden.

Der Roboter hat bereits Kameras in den Augen, die Objekte und Menschen verfolgen können. Es sieht ein bisschen unheimlich aus, wenn Langevin mit einem Blatt Papier vor InMoovs Kopf herumfuchtelt und dieser mit den künstlichen Augen und seinem Kopf den Bewegungen des Papiers folgt. Für die Gesten-Erkennung hat der Roboter eine Kinect im Brustkorb.

Spracherkennung, Mikrophone und Lautsprecher ermöglichen InMoov bereits eine rudimentäre Kommunikation und die Befolgung von ausgesprochenen Befehlen. Langevin sagt beispielsweise "One" zu ihm. Der Roboter bestätigt monoton: "You said one" und hebt seinen Unterarm, um dann andeutungsweise eine Faust zu machen. Langevin sagt nacheinander mehrere Zahlen auf Englisch, die InMoov jeweils wiederholt und dann entsprechend programmierte Gesten ausführt.

Manchmal gibt es auch Fehlfunktionen, das Projekt ist noch im Entwicklungsstadium. Die Aufforderung "What" bestätigt der Roboter korrekt mit "You said what" und streckt hilfesuchend seine Arme mit geöffneten Handflächen aus. Als Langevin anschließend "Rest" sagt, antwortet der Roboter wieder mit "You said what". Erst beim zweiten Mal reagiert er korrekt: "You said rest" und lässt seine Arme seitlich fallen.

Mehrere InMoov-Fans bauen eigene Versionen des Roboters, denn das ist ja gerade der Sinn von Open-Source-Hardware: Äquivalent zur Veröffentlichung des Quellcodes bei Open-Source-Software werden die Konstruktions-Vorlagen, Blaupausen und Designprozesse offen gelegt. Dadurch kann jeder die Geräte nachbauen – auch verändert und mit Zusatzfunktionen ausgestattet. Normalerweise ist laut der Definition der gemeinnützigen Open Source Hardware Association (OSHWA) auch eine kommerzielle Nutzung erlaubt; Langevin seinen hat seinen Roboter jedoch unter eine nicht-kommerzielle Lizenz gestellt.

Der Bildhauer Gael Langevin bei der Arbeit an seinem Roboter.

Jeder, der einen 3D-Drucker mit einem 12 mal 3 Zentimeter großen Bauraum hat, kann den Roboter anhand der veröffentlichten Design-Dateien nachbauen. Die Kosten dafür betragen laut Langevin etwa 1000 Euro – normalerweise kosten Roboter dieser Art eher das zehn- bis 100-fache. Open Source macht's möglich.

Aktuell wiegt InMoov 17 Kilogramm – ohne Beine. Die sollen aber auch noch kommen: "Mein Ziel ist es, weiter zu konstruieren, bis der Roboter die Beine hat. Ich will ihm das Laufen ermöglichen, was eine sehr große Herausforderung sein wird", erklärt Langevin. Der Bildhauer finanziert InMoov derzeit mit seinem eigenen Geld. "Ich suche nach einem Weg der Finanzierung, die meinen Open-Source-Ansatz respektiert." Und dann wird er philosophisch: "Roboter werden sehr bald unter uns sein. Das bedingt eine neue Wahrnehmung unserer Umwelt und wie wir miteinander respektvoller interagieren können."

Und die Zukunft hat schon begonnen: Dr. John Murray vom Institut für Computer-Wissenschaft an der britischen University of Lincoln hat den Roboter MARC gebaut, der auf Langevins InMoov basiert. MARC steht für Multi-Actuated Robotic Companion. Er soll Wissenschaftlern dazu dienen, ein besseres Verständnis zu erlangen, wie "realistischere Langzeit-Beziehungen zwischen Menschen und Robotern entwickelt werden können". Die einfache Veränderbarkeit von Open-Source-Hardware macht es möglich, solche universitäre Forschung zu beflügeln.

Das Team um Murray will dem Roboter Charaktereigenschaften und Persönlichkeitsmerkmale verleihen. Die These der Forscher: Wenn es gelingt, den Roboter so zu programmieren, dass er Beziehungen zwischen Menschen versteht, dann wird es einfacher, eine Beziehung zwischen Mensch und Roboter zu entwickeln. Solche Roboter könnten als Begleiter fungieren, etwa für ältere Menschen oder für Kinder mit Problemen wie Autismus. Bisherigen Robotern fehlen menschliche Charakteristika, was verhindert, dass Menschen eine Bindung zu ihnen aufbauen.

Auch Intel tüftelt an einem Roboter namens Jimmy, der menschlich wirken soll und dessen Konstruktion offen liegt. Auch Jimmy kommt aus dem 3D-Drucker und soll etwa 1000 Euro kosten; noch dieses Jahres sollen Kits zum Selbstbauen auf den Markt kommen, die all das enthalten, was nicht ausgedruckt werden kann, wie die Servo-Motoren, Kabel, Akku und Platinen. Kontrolliert wird er über ein Intel-Entwicklerboard. Anders als InMoov, der durchaus unheimlich wirken kann, hat der Intel-Roboter die Größe eines kleinen Kindes und ein freundliches Aussehen.

Intels Jimmy wirkt freundlich und harmlos.

Intel hat seinen "21st Century Robot" bereits auf dem Intel Developer Forum IDF vorgestellt. Entwickler Brian David Johnson hat ein kostenlos erhältliches E-Book über den 21st Century Robot geschrieben, eine Sci-Fi-Geschichte, die Entwickler und Macher dazu inspirieren soll, ihre eigenen Roboter auf Basis von Jimmy zu bauen. Auch das Buch ist Open Source, die How-to-Kapitel zur Konstruktion sollen nach und nach komplettiert werden – jeder kann mitmachen. Im Herbst soll dann die Vollversion des Buchs von MAKE publiziert werden, der Firma hinter der Maker Faire.

Laut Intel-Pressesprecher Ranner soll es einfach sein, Jimmy zu drucken, zu bauen, zu verändern und zu programmieren – das Unternehmen möchte den Einstieg in die Robotertechnik erleichtern. Auch Gael Langevin hat seinen InMoov ja selbst entworfen, gedruckt, gebaut und programmiert, ohne ein IT-Fachmann zu sein. Letztlich, so heißt es bei Intel, sollen Roboter wie Jimmy in der Zukunft in Bereichen wie Bildung und "Home Assistance" zum Einsatz kommen – ganz wie es auch die University of Lincoln mit ihrem InMoov-Derivat MARC vorsieht.

Neben der Consumer-Version von Jimmy soll es auch eine Version für die Forschung geben, die dann aber 16.000 Dollar kostet. Auch diese soll Open Source sein und entstand unter Mitwirkung von Entwicklern der University of South Carolina. Hier sind bereits technische Details bekannt: Der Roboter enthält einen Intel NUC D54250WYK mit Core-i5-Prozessor, vier GByte RAM, 32 GByte Flash-Speicher, Wifi, Bluetooth, USB- und HDMI-Anschlüsse. Die Batterie lässt den Profi-Jimmy 30 bis 60 Minuten laufen. Als Software kommt Ubuntu 14.04 LTS zum Einsatz. Der "Profi-Jimmy" kann sogar schon vorbestellt werden. (odi) (odi)