Nicht nachmachen

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Nicht nachmachen

"Wow, das Spiel ist wirklich geil!!!1111"
So oder ähnlich könnte man die Bewertungen etlicher Spielemagazine zusammenfassen, die das viel diskutierte 3D-Ballerspiel Call of Duty: Modern Warfare 2 vom US-Hersteller Activision in den Himmel loben. Doch selten war die Diskrepanz zwischen dem Hype der Fachpublikationen und der Kritik durch die Spieler so groß.

Denn in der Blutschlacht erregt eine Szene besonderes Aufsehen: Der Spieler muss an der Seite russischer Terroristen hunderte Zivilisten in einem Flughafen systematisch exekutieren. Selbst hartgesottenen Action-Spielern scheint diese Szene übertrieben, maßlos, pervers - und grenzüberschreitend.

Vor diesem Level weist eine Einblendung darauf hin, dass es sich um einen anstößigen Inhalt handele und dieser übersprungen werden könne - was die Neugier nur noch größer macht. Für den deutschen Markt entschärfte der Hersteller die Szene leicht: Der Spieler massakriert die Zivilisten nun nicht mehr selbst, sondern läuft mit, schaut zu und deckt seinen meuchelnden Begleitern den Rücken. Er darf lediglich virtuelle Polizisten exekutieren, die das Blutbad verhindern wollen. Da mag es fast schon wie eine Erlösung anmuten, wenn einem die "Terroristenfreunde" am Ende des Levels eine Kugel in den virtuellen Kopf jagen.

Durch den auch mittels dieser Szene im Vorfeld geschürten medialen Hype setzte Activision innerhalb von 24 Stunden allein in Nordamerika und Großbritannien 4,7 Millionen Exemplare ab. Bei solch fetten Gewinnen kann die Firma gelassen in Kauf nehmen, wenn in den kommenden Wochen Jugendschützer auf die Barrikaden klettern. Außerdem könnte Activisions Erfolgsrezept als Vorlage für andere Hersteller dienen, um vermehrt mit altbekannten Spielideen kräftig Kasse zu machen.

Mit derlei plump inszenierten Szenen ohne jeglichen spielerischen Mehrwert erzeugt Activision auf einfachste Weise Emotionen, einen Aufreger, und lenkt so erfolgreich vom zurückgebliebenen Spielprinzip ab. Spiele sollen entspannen, Spaß bereiten, unterhalten. Doch das hier ist keine Unterhaltung, sondern Schrott, der überdies die langjährigen Anstrengungen anderer Teile der Spielebranche um kulturelle Anerkennung zurückwirft.

Liebe Entwickler, Ballerspiele im Moorhuhn-Stil hängen uns seit Jahren zum Hals raus. Verschwendet eure kostbare Zeit nicht mit der Entwicklung von geschmacklosen und verachtenswerten Szenen, um vom langweiligen und immer gleichen Spielprinzip abzulenken. Ich wünsche mir ansprechende Geschichten, interessante Charaktere und multiple Handlungsmöglichkeiten. Nehmt endlich zur Kenntnis, dass sich die Gruppe der Computerspieler nicht nur auf leicht begeisterungsfähige, leicht beeinflussbare Jugendliche beschränkt. (bb)