Fruchtbares Miteinander

Spannende Spiele, aber auch putzige Begebenheiten begeisterten die 15 000 Zuschauer beim RoboCup - auch in der Robotikforschung ist Fußball die schönste Nebensache der Welt. Mit Lara könnte sie im nächsten Jahr dann noch schöner werden.

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Von
  • Angela Meyer
Inhaltsverzeichnis

Zwei Fußballer stehen auf dem Platz, einer im Tor, einer auf der Mittellinie. Nach längerem Zögern entschließt sich der Spieler auf der Mittellinie zum Schuss. Aufmerksam beobachtet der Torwart die Aktion und bückt sich schließlich, um wie ein kleines Kind dem Ball, der genau zwischen seinen Beinen hindurchrollt, hinterherzuschauen. Kurz vorher haben auf dem Platz daneben zwei Mannschaften aus je vier Hunden immer wieder Ansätze zu einem gezielten Zusammenspiel gezeigt. Und auf einem dritten Platz gelingen präzise Pässe, obwohl Ball und Spieler so schnell hin und her fegen, dass die Zuschauer die Aktionen oft gar nicht erfassen können. Beobachten konnte man diese Szenen in den Finalspielen der Humanoid-, Four-Legged- und Small-Size-Liga bei der Roboterfußball-Weltmeisterschaft RoboCup 2006 Mitte Juni in den Bremer Messehallen. Alle drei Beispiele sind gleichermaßen bemerkenswert: Sie zeigen anschaulich die Fortschritte, die die RoboCup-Forschung im zehnten Jahr des Wettbewerbs erreicht hat.

Auch wenn es im Finale nicht so deutlich wurde, weil Gerd, Franz und Paul vom Team NimbRo der Universität Freiburg nach einer Woche Wettkämpfen etwas angeschlagen waren und wegen häufiger Ausfälle den ersten Platz in der Humanoid-Liga erneut dem Team Osaka überlassen mussten: Kommunikation und Kooperation der Spieler miteinander sind nicht nur in den Simulationsligen, bei den rollenden Fußballrobotern der Middle-Size- und Small-Size-Liga und auch bei den vom Publikum besonders umlagerten Roboterhunden ein Thema. Sie haben nun die erst seit 2002 antretenden Humanoiden erreicht - wenn auch weit gehend noch als Anspruch. Einen Großteil der Zeit haben in dieser Liga selbst die Favoriten mit recht grundsätzlichen Fragen der Orientierung oder Bewegung sowie technischen Problemen zu kämpfen - mal funktioniert zwar die Bildverarbeitung, aber der Spieler fällt beim Schuss um, mal sind die Bewegungen sehr sicher, aber der Roboter sieht den Ball nur, wenn er nicht direkt vor seinen Füßen liegt. Immerhin finden inzwischen aber zumindest die besten der Zweibeiner recht zuverlässig den Ball, können aus jeder Lage aufstehen und bewältigen auch einen Marsch über rauhes Terrain. Bei den 2-gegen-2-Spielen in den Vorrunden waren auch erste Ansätze zur Kooperation sichtbar: Per WLAN tauschten die Spieler ihre Positionen aus, damit ein Spieler zurücktritt, wenn der andere dem Ball näher ist.

Die rollenden und simulierten Roboter in den klassischen Ligen, die seit 1997 dabei sind und bei der Bewegung und Wahrnehmung nicht so hohe Anforderungen erfüllen müssen, beherrschen erheblich komplexere Aufgaben: Rollenverteilungen im Spiel sind hier selbstverständlich und in der Simulation beherrschen die Spieler jetzt unter anderem die Abseitsfalle.

Nach dem RoboCup legen die meisten Teams ihre Ergebnisse offen, sodass die anderen besonders erfolgreiche Ansätze übernehmen und darauf aufbauen können. So haben nicht nur Einsteiger eine Chance, den Anschluss zu bekommen. Die bisherigen Weltmeister können selbst dann, wenn sie ihre Roboter weiterentwickeln, den Titel sehr schnell wieder verlieren: Dieses Schicksal ereilte in diesem Jahr unter anderem das German Team, dessen Plattform etliche andere Teams in der Four-Legged-Liga übernommen haben. Nach der Abspaltung der Microsoft Hellhounds verwiesen diese das German Team auf den vierten Platz, während der erste und zweite Platz nach Australien gingen.

Trotz dieses Verlustes haben deutsche Teams insgesamt nicht nur die meisten ersten Plätze erreicht, sondern Deutschland war auch das einzige Land, das in allen Senior-Ligen Medaillen errungen hat. Dazu mag unter anderem beigetragen haben, dass es als Gastgeber mit knapp einem Viertel der 440 teilnehmenden Mannschaften besonders stark vertreten war - aber dies war sicherlich nicht der einzige Grund für das gute Abschneiden. Auch Japan und Iran holten gleich mehrere Goldmedaillen - Iran hatte unter den Gästen mit 50 Teams die meisten Teilnehmer zum RoboCup geschickt. Darunter waren auch sechs reine Mädchenteams, was in einem Land wie Deutschland, in dem der Frauenanteil in technischen Disziplinen bestenfalls ein Fünftel, oft aber auch nur mit Müh und Not ganzzahlige Werte vor dem Komma erreicht, immer noch als bemerkenswert vermerkt wurde.

Vielleicht kann eine zukünftige Ausweitung des RoboCup dazu beitragen, mehr Mädchen für die Robotik zu begeistern. Die neue Liga RoboCup@Home - bei der die AllemaniACs von der RWTH Aachen den ersten Platz belegten - hat jedenfalls nicht nur bisherige RoboCup-Teams zum Umschwenken bewegt, sondern auch Neueinsteiger angelockt. Bei seinem Festvortrag gab der Präsident der RoboCup Federation und Mitbegründer des Wettbewerbs Minoru Asada einen Ausblick auf die nächsten zehn Jahre. Natürlich werden die Fußballligen weiter darauf hinarbeiten, die große Vision vom Match humanoider Roboter gegen das dann amtierende menschliche Weltmeisterteam bis zum Jahr 2050 wahr werden zu lassen - die auf dem Weg dorthin gewonnenen grundlegenden Erkenntnisse über den Bau von autonomen Robotern sowie über den Menschen und seine Intelligenz sollen aber schon heute über den Rescue-Bereich hinaus in konkrete Anwendungen fließen. Diesmal hatten sich bereits gut ein Viertel der teilnehmenden Senior-Teams, die in der Regel an Universitäten angesiedelt sind, für die Rescue-Ligen und die neue Liga RoboCup@Home angemeldet. In nächsten Jahren könnten eine RoboCup@Space- und eine RoboCup-Nanoliga dazukommen. Vorschläge hierzu sind bereits ebenso in der Diskussion wie eine Eco-Be!-Liga, die eine Mischung aus Simulation und realen Minirobotern als Plattform nutzen würde.

Ein weiteres, weit über das bisherige RoboCup-Konzept hinausweisendes Projekt könnte ab 2011 Osaka zu einem Zentrum der Robotikforschung machen: Dort soll auf einer bisherigen Freifläche RoboCup CoRE entstehen, ein Forschungsviertel mitten in der Stadt, das Forschern ganzjährig einen Raum für Experimente und den Austausch untereinander sowie mit der Öffentlichkeit ermöglichen soll. Diese Pläne wecken schon den Neid bei manchen RoboCuppern, wenn sie die öffentlich geförderten Aktivitäten in Japan mit ihrer Unterstützung hierzulande vergleichen. Die Servicerobotik ist zwar ein Förderschwerpunkt des BMBF, der gegenwärtig mit 9,8 Millionen Euro gefördert wird, wie Bundesforschungsministerin Annette Schavan in einer Pressemitteilung zum RoboCup stolz verkündete. Das ist allerdings eine Summe, die gerade mal dem Fünffachen dessen entspricht, was jetzt für ein Besucher- und Informationszentrum des Bundestages ausgegeben worden ist, das nur anlässlich der vier Wochen währenden FIFA-WM genutzt wurde.

Die Beteiligten in der deutschen Robotikforschung werden deshalb nicht müde, bei passender Gelegenheit zu mahnen, dass sich ohne finanzielle Unterstützung und ausreichend ausgebildetem Nachwuchs mit der Entwicklung anderswo auf Dauer nicht Schritt halten lässt. In Ländern wie Japan, dem Ursprungsland des RoboCup, oder Korea, das mit der FIRA eine konkurrierende Fußballroboterweltmeisterschaft fördert, engagieren sich nicht nur große Konzerne stärker, es fließen auch erheblich mehr öffentliche Mittel in diesen Bereich. Immerhin zeigte das Publikumsinteresse mit gut 15 000 Besuchern in Bremen trotz der FIFA-WM, dass in Deutschland das Interesse an diesem Wettbewerb steigt - auch wenn es an die 185 000 Gäste beim RoboCup 2005 in Osaka nicht annähernd herankommt.

Ansgar Bredenfeld, Organisator der German Open, möchte allerdings nicht nur mehr Interessenten für die RoboCup-Forschung gewinnen, sondern auch die fachliche Ausrichtung noch erheblich erweitern: So sei nicht nur die bisher genutzte Technik noch längst nicht ausgereizt, sondern es seien einige potenziell interessante Felder bislang unbeackert geblieben. „Bisher bestehen die Teams, die die Roboter konstruieren, im Wesentlichen aus Informatikern“, sagte Bredenfeld. „Wenn jetzt auch noch Maschinenbauer, Elektroingenieure und Werkstofftechniker mit einsteigen, da eröffnet sich ein Potenzial ohne Ende.“

Ein Anknüpfungspunkt hierfür könnten die nächsten German Open sein, für die bisher das Heinz Nixdorf Museum in Paderborn Gastgeber war. 2007 wird das Fraunhofer-Institut für Autonome Intelligente Systeme den europäischen Vorentscheid in Kooperation mit der Deutschen Messe AG ausrichten. Junioren und Senioren werden dann erstmals bei der Hannover Messe um die Teilnahme an der RoboCup-WM wetteifern, die 2007 in Atlanta stattfindet.

Bis dahin könnte dann vermutlich auch die Humanoidin Lara bereit sein, die männliche Vorherrschaft bei den Robotern in Frage zu stellen. Die mit nur 6,5 Kilogramm Gewicht extrem leichte Teen-Size-Roboterin mit künstlichen Muskeln hatte bei der Zulassung für den RoboCup im Februar gezeigt, dass sie immerhin kicken kann, ohne umzufallen. Das ehrgeizige Projekt von Robert Kratz von den Darmstadt Dribblers, sie bereits 2006 beim RoboCup starten zu lassen, ist aber im ersten Anlauf noch an einem Kurzschluss zu Beginn des Wettbewerbs gescheitert - selbst fieberhafte Reparaturversuche konnten die elegante Konstruktion bis zum Schluss nicht mehr zum Laufen bringen. Der Enthusiasmus von Robert Kratz und seinem Team, das gemeinsam mit der Hochschule für Gestaltung Offenbach erst vor einem Dreivierteljahr mit der Arbeit begonnen hat, ist aber ungebrochen: Wenn das Projekt weiter so schnelle Fortschritte macht wie bisher, könnte Lara 2007 den Auftakt zu einer ganz neuen Generation von Humanoiden beim RoboCup begründen. (anm) (anm)