Netzneubau

Die Zukunft der Breitbandkommunikation? Glasfaser-netze und Glasfaser-Hausanschlüsse, darüber sind sich seit vielen Jahren Experten einig. In Deutschland aber kommt dies nicht so richtig voran, die Backbone-Anbindung einer DSL-Infrastruktur über Glasfaser und Funktechniken für ländliche Regionen scheinen hier-zulande das Ende der Fahnenstange zu sein.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Richard Sietmann

Die Bundesregierung verspricht mit ihrer Breitbandinitiative, bald auch ländliche Regionen Deutschlands mit schnellen Internet-Anschlüssen zu versorgen. Während aber Länder wie Südkorea und Japan bei Breitbandanschlüssen konsequent auf Glasfaser setzen, bewegt sich Deutschland im internationalen Vergleich ans Tabellenende. c't sprach mit Prof. (FH) Mag. Hartwig Tauber, Geschäftsführer des FTTH Council Europe, der Branchenvereinigung von rund 120 Ausrüstern der optischen Netzwerktechnik, über Ursachen und Lösungsmöglichkeiten. Einen Hintergrundartikel zu den technischen und regulatorischen Problemen mit Glasfaseranschlüssen für Endkunden (Fiber-to-the Home, FTTH) finden Sie ab Seite 78.

c't: Herr Tauber, in Japan werden bereits knapp 18 Prozent aller Haushalte mit der Glasfaser erreicht. Was machen die Japaner richtig?

Hartwig Tauber, Geschäftsführer des FTTH Council Europe: "Bei der Glasfaser haben wir es mit einer Infrastruktur zu tun, die noch nicht existiert, Fiber-to-the-Home muss neu gebaut werden."

(Bild: FTTH Council)

Hartwig Tauber: Die Japaner haben sich bereits sehr früh, zur Jahrtausendwende, für die zukunftssicherste Kommunikationsinfrastruktur, die man sich denken kann, entschieden. Es gab den politischen Willen, aber auch den Wunsch in weiten Teilen der Bevölkerung, sich diese Technik ins Haus zu holen. Auch in Südkorea ist man einfach stolz, wenn der Haushalt mit einer hohen Übertragungsrate angeschlossen ist. Die koreanische Regierung denkt bereits über 1-GBit/s-Anschlüsse für jeden Bürger nach. Das extreme Gegenbeispiel ist Großbritannien. Die britische Regierung hat im Sommer erklärt, sie strebe landesweit 2 MBit/s an. Irgendwo dazwischen steht Deutschland und will bis 2014 wenigstens 50 MBit/s für 75 Prozent der Haushalte haben – wobei man aber immer nur über eine Richtung spricht, nämlich den Downstream, wobei hohe Upstream-Bitraten immer entscheidender werden. Also in der Mentalität und bei den Entscheidungsträgern gibt es schon große Unterschiede.

c't: In Australien forciert die Regierung selbst mit der Gründung der National Broadband Network Co. Ltd. die Errichtung eines Glasfaser-Netzes, das dann allen TK-Diensteanbietern – dem Ex-Monopolisten Telstra wie auch den alternativen Anbietern – zu gleichen Bedingungen zur Verfügung stehen soll. Kann das als Beispiel dienen?

Tauber: Es gibt einen großen Unterschied: Australien ist ein einziger Staat. In Europa müßten alle 27 EU-Staaten gleichzeitig dasselbe Programm implementieren, was de facto fast unmöglich ist. Oder einer versucht es mit mehr staatlicher Unterstützung, der andere mit weniger – und dann fängt sofort die endlose Diskussion an, ob das nun erlaubt oder eine Marktverzerrung ist.

c't: Haben die Regulierer hier zu lange auf den Infrastrukturwettbewerb gesetzt?

Tauber: Ich glaube, ganz Europa wäre froh, wenn es auf diese Frage eine einfache Antwort gäbe. Die Regulierung, die wir heute in Europa haben – mit Universaldienstleistern, mit der Entbündelung – baut auf der Annahme auf, dass es staatliche TK-Unternehmen gegeben hat, die in den letzten hundert oder 150 Jahren mit staatlichen Mitteln eine Infrastruktur gebaut haben und die man für den Markt öffnen musste. Dafür braucht man eine Regulierung, um anderen Marktteilnehmern den Zugriff auf diese Infrastruktur zu sichern, weil deren Einstiegshürde sonst viel zu groß wäre.

Bei der Glasfaser haben wir es jetzt aber mit einer Infrastruktur zu tun, die noch nicht existiert, Fiber-to-the-Home muss neu gebaut werden. Damit kann ich sie nicht in derselben Weise regulieren wie etwas, was schon existiert. Das ist der Punkt, an dem die Europäische Kommission derzeit an einem Ansatz arbeitet, wie man hier trotzdem verhindern kann, dass der erste, der baut, automatisch ein Monopol hat. Wenn heute jemand ein Glasfasernetz baut und darüber zu einem guten Preis Services anbietet, dann tut sich ein Zweiter, der auch ein Netz bauen muss, extrem schwer mit dem Einstieg. Der erste bekommt alle Kunden, die interessiert sind; der zweite muss ein Netz bauen, aber dann etwas zusätzlich bieten, was ihn vom ersten abhebt. Das ist bei der Glasfaser schwierig.

Die Schwierigkeit ist, eine Regulierung zu finden, die auf der einen Seite genügend Anreize zu Investitionen in Glasfasernetze schafft, auf der anderen Seite aber sicherstellt, dass der Markt weiterhin funktioniert.

c't: Bisher ging die Regulierung immer von dem Konzept der Investitionsleiter aus: Die Wettbewerber sollten mit niedrigen Einstiegshürden und geringen Investitionen als Reseller und Dienstleister in den Markt einsteigen und die Gewinne dann in den Aufbau eigener Netze investieren. Schon bei den existierenden Netzen ist das kaum eingetreten, und bei einer gänzlich neuen Infrastruktur wie FTTH fällt es offenbar noch schwerer. Ist dieses Konzept gescheitert?

Tauber: Soweit ich speziell den deutschen Markt verfolgen konnte, ist Deutschland ja noch immer ein wunderbares Entbündelungsland. Während etwa in Frankreich der alternative Provider Free anstelle der Entbündelung ein eigenes FTTH-Netz aufbaut, ist diese Entwicklung in Deutschland nicht zu erkennen. Hier liegt der Fokus noch immer auf der Entbündelung.

c't: Stellt sich da nicht die Frage, ob man sich von diesem Konzept verabschieden muss?

Tauber: Das wird wohl das sein, was jetzt von Brüssel her kommen wird, wo man viel mehr den Wettbewerb auf der unteren Ebene, der Infrastrukturebene, forcieren möchte. Etwa, dass man sich zumindest die Leerrohre teilen muss, dass man sich die Hausanschlüsse teilen muss. Da gibt es diesen Multi-Fiber-Approach, bei dem, wenn man schon die Straße aufgräbt oder ein Loch in die Wand gebohrt werden muss, man dies gleich für mehrere Fasern tut. Das sind neue Ansätze, bei denen es interessant ist, deren praktische Implementierung zu verfolgen.

Aber was gerade für Deutschland wichtig ist: Man hat in der Europäischen Kommission erkannt, dass man ein Land nicht einfach nur als Ganzes sehen kann. In großen Städten wie Berlin, Köln oder München wird der Markt dafür sorgen, dass FTTH-Netze aufgebaut werden. Wenn man aber in die ländlichen Gebiete hinausgeht, wird es ohne Unterstützung manchmal nicht einmal möglich sein, auch nur ein Netz zu bauen. Deshalb wird jetzt wohl, so wie es ausschaut, das Konzept der „geographic segmentation“ – der regionalen Regulierung – implementiert werden, das heißt, der Markt kann auch innerhalb eines Landes unterschiedlich gesehen werden. Das ist etwas, was es heute in der Regulierung so noch nicht gibt.