Prozessorgeflüster

AMD, Nvidia und VIA Technologies verlassen das Benchmark-Konsortium BAPCo und stellen damit IT-Beschaffer vor Probleme. Einen besseren Benchmark zur Bewertung der GPGPU-Technik nennen sie indes nicht. Und Intel verschiebt den Haswell-Prozessor auf 2014.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 10 Kommentare lesen
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Andreas Stiller

So ist das mit den Benchmarks, steht man auf Nummer 1 in der Top500-Liste, dann ist der Linpack toll, ist man weiter hinten, so ist er auf einmal nur sehr beschränkt aussagekräftig. Ähnlich sieht das bei dem wohl wichtigsten Windows-Applikationsbenchmark SYSmark aus. Mit großem Tamtam brachen nun der CPU- und GPU/APU-Entwickler AMD sowie VIA aus der BAPCo aus – und das ist nicht die irische Schnapsfirma, sondern das Industriekonsortium Business Applications Performance Corporation, das den SYSmark verantwortet. Nvidia hat offenbar schon ohne viel Aufhebens vor ein paar Wochen den Schlussstrich gezogen, war jedenfalls schon Mitte Mai nicht mehr als Mitglied der BAPCo aufgelistet. Inzwischen findet man aber auch Sandisk und Apple nicht mehr in den BAPCo-Meldungen erwähnt …

Ob sich nun insbesondere AMD mit dem Austritt einen Gefallen getan hat? Laut AMD bildet der neue SYSmark 2012 (s. Seite 26) die Leistungsfähigkeit moderner Computer falsch ab: Einerseits vernachlässige er das Potenzial von Grafikprozessoren (GPUs), andererseits gewichte er typische CPU-Aufgaben wie Datenkompression oder OCR unsinnig stark, weil sie von durchschnittlichen PC-Besitzern heutzutage „selten oder gar nicht“ genutzt würden.

Der Sinneswandel (der Firma AMD in Bezug auf den SYSmark) überrascht. AMD war nicht bloß seit Jahren in die Entwicklung des ausdrücklich zur Bewertung von Büro-PCs ausgelegten Benchmarks eingebunden, sondern ließ auch die Einkäufer der öffentlichen Hand in der EU dazu verpflichten, PCs und Notebooks „produktneutral“ auszuschreiben. Anfang 2006 empfahl AMD dazu in einem Beschaffungsleitfaden ausdrücklich den SYSmark 2004 SE „aufgrund seiner Genauigkeit, Objektivität, einfachen Verwendung und weiten Verbreitung“. Der damals noch aktuelle Athlon 64 stach im SYSmark den Pentium 4 locker aus. Doch ab 2006 wendete Intel das Blatt mit dem Core 2 Duo – und 2008 kritisierte AMD den SYSmark 2007 Preview: Die „meisten“ der davon benutzten Applikationen seien „eher teuer und grafik-intensiv, etwa Adobe Photoshop, Flash oder Illustrator“. Heute hingegen bemängelt AMD-Marketingchef Nigel Dessau, der SYSmark 2012 „vernachlässigt die parallele Performance der GPU nahezu vollständig. Insbesondere berücksichtigt die Wertung des SYSmark 2012 keine der GPU-beschleunigten Anwendungen, deren Nutzung in heutigen Business-Umgebungen weit verbreitet ist“. Als Beispiele nennt Dessau unter anderem den Internet Explorer 9, „Office 11“ – oder Adobe Flash.

AMD will einen offenen und transparenten Benchmark ins Leben rufen – konkreter wurde Nigel Dessau leider nicht und lässt die Frage offen, wie man nun die Fähigkeiten von GPUs in Bezug auf allgemeine (General-Purpose-/GP-)Rechenaufgaben vergleichen kann. Bisherige GPGPU-Benchmarks scheitern teilweise am sehr unterschiedlichen GPU-Funktionsumfang jenseits der klassischen 2D- und 3D-Beschleunigung. So unterstützt etwa der GPU-Teil der Llano-APUs keine Dual-Precision-(DP-)Gleitkommaberechnungen, ebenso wenig wie viele der billigeren Nvidia-Chips.

Dass es schon schwierig ist, auch nur einen GPGPU-Benchmark zu programmieren, wirft ein Schlaglicht auf die Entwicklung „richtiger“ Programme für die heterogenen Maschinen der Zukunft, die AMD und Nvidia beschwören. Und nicht jeder mag die Überzeugung teilen, auf Bürocomputern sei heutzutage die Nutzung von GPU-beschleunigter Software „weit verbreitet“. Selbst wenn künftige Programme mehr GPU-Leistung verlangen als heutige DirectX-10-kompatible Onboard-Grafik liefern kann, so lässt sich eine Grafikkarte bei einem Desktop-PC doch viel leichter nachrüsten als ein Hauptprozessor. Jedenfalls dürften viele Käufer typischer Firmen-PCs, die recht lange genutzt werden sollen, die CPU-Performance höher bewerten als jene der GPU – zumal sich heute noch kaum etwas über die Anforderungen künftiger GPGPU-Software aussagen lässt.

Letztlich bleibt der Verdacht hängen, dass AMD den SYSmark 2012 vor allem deshalb kritisiert, weil die CPU-Performance des Desktop-PC Llano enttäuscht. Trotz der angeblichen Vorteile der 32-Nanometer-Fertigung – nicht nur kleinere Strukturen, sondern auch High-k-Dielektrika plus Metal Gate (HKMG) – gelingt nur eine marginale Steigerung im Vergleich zu den 45-nm-Athlons (s. Seite 118). Bleibt zu hoffen, dass das alles beim Bulldozer besser aussieht, der sich zumindest im High-End-Desktopbereich nicht auf GPU-Performance abstützen muss – aber auch da gibt es Zweifler.

Derweil gibt es neue Gerüchte, wer den Chefsessel bei AMD übernehmen könnte. Ex-Chef Hector Ruiz wird wohl nicht zurückkommen, der hat jetzt eine Unternehmensberatung namens Bull Ventures LLC gegründet. Oracles Vice President und ehemaliger HP-Chef Mark Hurd hat ebenso abgewinkt wie Apples COO Tom Cook – und dann wurde EMC2s designierter Chef Pat Gelsinger ins Spiel gebracht, Gelsinger, der als Chefentwickler, Technologiestratege und Manager der Business Unit viele Jahre bei Intel eine tragende Rolle gespielt hat und der unter anderem mit dem Passwort „I hate AMD“ sein Empfinden gegenüber dem Konkurrenten kundtat. Gelsinger wäre auch in Hinblick auf neue Wetten der Hammer – doch er hat schon dezidiert „no“ und nochmals „no“ gesagt. Theo Valich von Bright Side of News weiß aber schon, wer AMDs neuer CEO wird: jemand von IBM, aber den Namen will er noch nicht verraten.

Auf der CeBIT 2008 zeigte Intels Tick-Tock-Roadmap Haswell noch 2012, später war von 2013 die Rede – nun wirds wohl 2014.

Intel ist zumindest in der Herstellungstechnik dem Konkurrenten ein gutes Stück voraus, aber das ehrgeizige Metronom kommt nun doch ein bisschen ins Stocken. Wie man am Rande der ISC11 durch Spalten verschlossener Türen erlauschen konnte, hat Intel den Stapellauf des Haswell-Prozessors auf 2014 verschoben. Der alte Tick-Tock-Plan von 2008/2009 sah noch 2012 vor, bei der Veröffentlichung der Vektorerweiterung AVX2 vor ein paar Wochen stand noch 2013 im Raum und alle berichteten treu von „Haswell on Track for 2013“ – aber es wird nun wohl doch 2014 werden. Ob der Prozessor selbst oder seine Infrastruktur daran Schuld trägt, sei dahingestellt, so hat iSuppli über Verzögerungen beim DDR4-RAM berichtet, das auch nicht vor 2014 erscheinen wird. Klar, der braucht sich vor dem entsprechenden Intel-Chip auch nicht auf dem Markt sehen zu lassen. (as)