Prozessorgeflüster

Intel stiftet beim Starttermin von Ivy Bridge Verwirrung, HP startet einen zweiten Versuch beim Konzernumbau und Nvidia lanciert Gerüchte über einen Tegra 4 – alles (unter anderem) wegen Apple.

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Während es überall bereits grünt und sprießt, brauchen Intels Pflänzchen diesmal etwas länger und so steht eine gewisse mit Efeu überwucherte Brücke im südenglischen Örtchen Ivybridge immer noch nicht im Rampenlicht. Beim Starttermin der Ivy-Bridge-Chips hat mittlerweile sogar Intel den Überblick verloren: Laut einem internen Diagramm mit über einem halben Dutzend mehr oder weniger sinnvoll gestaffelter Termine sollen Händler mit dem Verkauf von Zweikernprozessoren aus der Ivy-Bridge-Generation beginnen, bevor sie darüber sprechen dürfen. Wir freuen uns schon einmal auf Stummfilmeinlagen an der Ladentheke. Schmunzeln durften wir jedenfalls bereits über den Versuch Intels, uns eine Verschwiegenheitserklärung für Z77-Mainboards unterzujubeln, die bereits im Laden standen (mehr zum Z77 in c't 9/2012 auf S. 140).

Schuld an den Ivy-Verzögerungen sind wohl nicht etwa Probleme mit dem brandneuen 22-nm-Fertigungsprozess mit dreidimensionalen Fin-FET-Transistoren, sondern die Launen großer Intel-Kunden. Angeblich haben einige von denen in letzter Minute ihre Bestellungen noch einmal zu Gunsten der Low- und Ultra-Low-Voltage-Varianten (LV und ULV) verändert. Weil aber nur die besten der besten Silizium-Dice diese Stromspar-Auszeichnung erhalten, dauert es länger, genug davon zu produzieren. Zudem hat Apple sich wohl kurzfristig für die Chips mit HD-4000- statt der HD-2500-Grafik – also mit 16 statt nur 6 Shader-Einheiten – entschieden. Weil Intel derzeit aber überall für Ultra-Books mit Ivy-Bridge-Prozessoren trommelt, wäre es fatal, deren Hersteller und Kunden zu Gunsten von Apple warten zu lassen.

Freuen dürfte die generelle Ivy-Bridge-Verzögerung die großen Notebook-Hersteller: So haben sie ein paar Wochen länger Zeit, um noch ihre Sandy-Bridge-Bestände zu passablen Preisen abzuverkaufen. In die Röhre schauen die kleinen Notebook-Anbieter mit bereits leeren Lagern – sie müssen nun einige Wochen lang alte Sandy-Bridge-Prozessoren in die brandneuen Barebones stopfen. Das dürfte den einen oder anderen Kunden gelinde gesagt verwirren.

Vielleicht liegt es aber letztlich auch an dem Dämpfer, den die Festplattenknappheit nach der Flut in Thailand dem gesamten Computermarkt verpasst hat: Die Umsätze gingen im vierten Quartal 2011 um 5,9 Prozent zurück, unterm Jahresstrich blieb immerhin ein mageres Plus von 1,3 Prozent. Davon unbeeindruckt freut sich Globalfoundries über die Viertelmillion Wafer mit 32-nm-Strukturen, die das ehemalige AMD-Werk bisher produziert hat. Darüber kann Intel sicher nur schmunzeln und werkelt bereits an 22-nm-Atoms mit potentem Grafikkern – Codename „Valleyview“. Die GPU soll vom großen Bruder Ivy Bridge stammen und viermal so schnell sein wie bisher. Das heißt nicht besonders viel, könnte aber ein lästiges Problem beseitigen: Für die PowerVR-Grafik der aktuellen Atoms hat Intel keine 64-Bit-Treiber und auch die für 32 Bit sind keine Freude.

Apropos PowerVR: Deren Macher Imagination Technologies dominieren laut Jon Peddie Research den SoC-Markt. So verkauft keine andere Firma mehr GPU-Designs: Mit einem Marktanteil von 50 Prozent überflügelt die Firma aus dem beschaulichen Städtchen Kings Langley nahe London locker die Konkurrenz von Qualcomm (33 Prozent), Vivante (4,8 Prozent) und – Nvidia (3,2 Prozent). Jen-Hsun Huangs „Superchip“ Tegra steckt derzeit in „Superphones“ und Tablets, doch mit dem Marktanteil will’s offenbar noch nicht so richtig „super“ klappen. Überhaupt scheinen in Santa Clara bei einigen Themen die Nerven ziemlich blank zu liegen: So versuchte uns Nvidia komplett vom Informationsfluss zur neuen Kepler-Grafikkarte GeForce GTX 680 (Test in c't 9/2012 auf S. 72) abzuschneiden und schickte uns auch kein Testexemplar, weil ihnen eine vorab veröffentlichte Nachricht schlicht nicht in den Kram passte.

Gerüchten zufolge soll in den kommenden Tegra-4-Kombiprozessoren eine Grafikeinheit mit Kepler-Architektur stecken. Die führte Nvidia erst Ende März mit dem GK104-Chip (siehe Bild) auf Grafikkarten ein.

Noch viel mehr geärgert haben muss es Nvidias charismatischen Chef, dass Apple öffentlich die geringere Grafikleistung des Tegra 3 im Vergleich zum aktuellen iPad-PowerVR-Kern abtat. Das war Anfang März. Und nun – welch Zufall – kommen Gerüchte über den Tegra 4 auf: Der könnte eine stark abgespeckte Kepler-Architektur haben, die im GK104 der Desktop-Karte GeForce GTX 680 debütiert. So soll der mobile ULP-GeForce-Kern zwischen 32 und 64 Shader enthalten. Okay, die Zahlen könnten vielleicht hinkommen, aber warum sollte Nvidia bitte schön zu Shader-Modell 5.1 kompatible Kerne in die Tegra-SoCs packen, wenn die im Sommer erwartete Version 3.0 der OpenGL-ES-Schnittstelle – der Standard für Mobilgrafik – nun gerade erst Geometry Shader optional einführt und größtenteils vom alten OpenGL 3 abgeleitet ist? Und für die vielbeschworenen CUDA-Berechnungen, die die Tegra-4-GPU wohl packt, reichen ebenfalls bereits Unified Shader nach Modell 4.0. Bei Handy-Chips lautet die Devise: Lass weg, was du nicht brauchst, denn das spart Platz, senkt Kosten und verlängert die Akku-Laufzeit.

Das spielt beim Monster-Prozessor Power7+ von IBM sicher keine zentrale Rolle. Der wird – nach ersten Bildern zu urteilen – vier CPU-Dice auf einem riesigen Keramikmodul unterbringen. Unklar ist noch, was auf die restliche Fläche soll. Newcomer Adapteva würde dazu sicherlich sagen: Kerne, Kerne und noch mehr Kerne. Deren Prozessor Epiphany E4K hat 4096 – zugegebenermaßen winzige – Cores und soll bei 700 MHz Taktfrequenz 5,632 TFlops erreichen und trotzdem nur 80 Watt schlucken. Damit wäre der bei Globalfoundries mit 28-nm-Strukturen hergestellte Chip effizienter als alle aktuellen GPGPU-Implementierungen oder Konkurrenten wie Intels Larrabee beziehungsweise Knights Corner.

Von dem wiederum träumt HP für die eigenen Workstations. Während der Chef der HP-Abteilung für Workstation und Thin Clients Jim Zarafana – sichtlich stolz – neue Modelle präsentierte und mit uns fröhlich über mögliche Workstation-Tablets philosophierte, setzt seine Chefin zum Konzernumbau an. Zarafana betrifft das nicht, denn sein Geschäftsfeld wächst rasant – wenn auch primär auf Kosten der Konkurrenz. Aber das HP-Urgestein „VJ“ (Vyomesh Joshi) wird nach 31 Jahren aufs (wohlverdiente) Altenteil geschoben, damit seine Druckerabteilung mit der PC-Sparte unter der Leitung von Todd Bradley fusionieren kann. Die sollte nach dem Fehlschlag mit Touchpad und WebOS schleunigst einen iPad-Konkurrenten aus dem Hut zaubern. Angeblich arbeitet man – vielleicht mit einem Partner – an einem Tablet mit Windows 8. (mfi)